Altersvorsorge in Krisenzeiten, Zukunft der Finanzberatung

Mustafa Behan ist Geschäftsführer von WhoFinance, dem führenden Portal für Finanzberater und Filialen von Banken, Versicherungen, Bausparkassen und allen sonstigen Finanzdienstleistern in Deutschland. Im Interview spricht er über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Finanzberatungsbranche. Seine These: Trotz zunehmender Digitalisierung der Branche und temporären Kontaktbeschränkungen wird der Mensch weiter im Mittelpunkt des Beratungsprozesses stehen.

 

 

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Transkript / Interview

Herzlich Willkommen zum Business Talk am Kudamm. Unser heutiger Gast: Mustafa Behan. Er ist der Geschäftsführer von Whofinance und wir sprechen mit ihm über Corona und die Auswirkungen auf die Finanzberatungsbranche.

Die Corona Pandemie führt bei einigen Menschen zu niedrigeren Nettoeinkommen. Macht sich das jetzt wiederum auch darauf bemerkbar, dass sich mehr Menschen mit dem Thema Altersvorsorge beschäftigen?

Mustafa Behan: Ja, im Gegenteil sogar. Corona hat eine Auswirkung auf die Altersvorsorge, aber eher negativ. Grundsätzlich ist es sowieso schwierig Menschen zur Altersvorsorge zu bewegen. Das war es auch schon immer. Jetzt in Zeiten von Corona scheint es so, als ob die Menschen sich eher auf kurzfristige Probleme konzentrieren und die langfristigen Probleme noch weiter weg in die Ferne rücken. Wir sehen das bei Whofinance an der Anzahl der Suchen, also was suchen die Verbraucher auf Whofinance. Und da sehen wir im Wesentlichen, dass dort Baufinanzierungen als Geldanlage viel stärker gesucht wird als Vorsorgethemen.

Der Lockdown hat ja auch die deutsche Wirtschaft stark getroffen. Wie sieht das jetzt aus bei den Finanzberatern?

Mustafa Behan: Ich glaube, dass das unterschiedlich ist. Es gibt natürlich mehr Beratungsbedarf als zuvor. Corona hat Beratungsbedarf mit sich gebracht, die Konjunkturängste bringen weiteren Beratungsbedarf mit sich, sowohl für Geschäftskunden, also für Unternehmer und Selbständige, als auch für die privaten Anleger oder für die Menschen, die sich jetzt überlegen, ob sie noch eine Immobilie finanzieren sollen. Aber gleichzeitig ist es natürlich so, dass durch den Lockdown und die Kontaktbeschränkungen tatsächlich auch einige Finanzberater Umsatzeinbußen erfahren mussten. Man denkt so ungefähr, dass etwa ein Drittel der Finanzberater Umsatzeinbußen erfahren, also schon ein erheblicher Teil.

Und wie funktioniert im Moment oder vielleicht auch zu Beginn des Lockdowns die Beratung?

Mustafa Behan: Man denkt immer, dass das alles nur die Kontaktbeschränkung ist. Ich glaube, das ist nicht nur das, sondern auch Psychologie: die Menschen haben Angst. Die Menschen haben Angst um Gesundheit, die Menschen haben Angst um ihre Zukunft, die Menschen haben Angst um ihren Job. Das alles bringt schon den Angstanteil des Tages und des Lebens in eine Größenordnung, die wir zuvor noch nicht hatten.

Jetzt können Sie auf der einen Seite sagen: die Beratung digitalisiert schneller, die Berater nutzen digitale Werkzeuge mehr, zumindest ein Teil der Berater tut das. Ein Teil der Berater hat – wie gerade gesagt – Schwierigkeiten mit Kunden in Kontakt zu treten, weil die Digitalisierung zu langsam läuft. Aber gleichzeitig ist ein ganz wesentlicher Teil, dass sie mit Kunden zu tun haben, die ganz viel Angst haben. Sie müssen dann Sachen öfter und langsamer erklären, sie müssen Ängste nehmen, sie müssen Orientierung geben. Und dann sitzt man sich normalerweise in einem Beratungsgespräch in einer Bankfiliale nicht so gegenüber wie wir es jetzt machen – ohne Maske -sondern mit Maske. Früher sah so ein Banküberfall aus! Wir jetzt sehen sowohl Berater als auch Kunde so aus. Das ist schon eine belastende Situation für alle Beteiligten.

Ja, zumal gerade auch im Verkauf ist ja auch die Mimik, Gestik, alles was im Gesicht passiert, der Ausdruck ja auch ganz wichtig. Die Branche hatte ja generell Schwierigkeiten, Nachwuchs zu generieren. Was gibt es denn für Zukunftsperspektiven für selbständige Versicherungs- und Finanzberater?

Mustafa Behan: Finanzberatung grundsätzlich ist kein Geschäft was verschwinden wird. Die Digitalisierung, von der behauptet wird, dass sie „ganz viele Jobs gefährdet“, aber auch neue schafft, wird natürlich auch die Finanzbranche treffen. Aber die Finanzberatung ist ein Geschäft, das bleiben wird. Es wird immer Menschen geben, die Rat brauchen und es wird immer Menschen geben, die Rat geben. Sie können einer Maschine ganz viele Dinge beibringen, aber sie können einer Maschine nicht beibringen, Verantwortung zu übernehmen.

Wir sagen, es gibt eine Demarkationslinie dort bei Dingen, die sie üben können. Wenn Sie bei Amazon ein Buch bestellt haben – das haben Sie irgendwann zum ersten Mal gemacht – dann haben Sie 20 Euro ins Risiko gestellt und sich vielleicht selbst gewundert, dass das auch geklappt hat. Irgendwann haben Sie es dann noch mal gemacht und noch mal. Und irgendwann ist es dann zur Übung geworden und dann sind Sie nicht mehr in den Buchladen gegangen. Das können Sie bei einer Kfz-Versicherung möglicherweise auch, wenn es Ihnen dieses Jahr bei einem Anbieter nicht gefällt, machen Sie es nächstes Jahr bei einem anderen.

Aber bei einer Baufinanzierung können Sie das nicht, bei einer Altersvorsorge können Sie das nicht, bei einer komplexen Geldanlage können Sie das nicht. Sie machen das wie der Großteil der Kunden einmal im Leben und damit zum ersten Mal im Leben. Und die Kunden sind dann sehr froh, wenn sie am Tisch sitzen mit jemanden, der es nicht zum ersten Mal im Leben macht. Und dieser Teil, der Beratungsthemen, die etwas komplexer sind, der wird auch nach wie vor Menschen beinhalten. Da wird das Internet eine Rolle spielen oder Digitalisierung eine Rolle spielen, aber der wird nach wie vor Menschen beinhalten. Das sind die Zukunftsaussichten der Finanzbranche. Natürlich ist das eine Arbeit, die Spaß machen kann. Und für Menschen, die ehrlich sind und Kunden helfen wollen, auch sehr befriedigend. Aber sie müssen sich auch gleichzeitig mit digitalen Werkzeugen anfreunden.

Die Garantieverzinsung für Lebensversicherungen ist erneut gesunken. Was für Auswirkungen hat das auf die Produkte und den Vertrieb?

Mustafa Behan: In einem Niedrigzinsniveau, vor allen Dingen in einem absehbaren anhaltenden Niedrigzinsniveau, sind natürlich andere Anlageformen interessant. Es gibt eine riesen Nachfrage nach Baufinanzierungen. Und gerade in Deutschland gibt es auch ein riesen

Nachholbedarf nach Baufinanzierungen. Im europäischen Vergleich hat Deutschland neben der Schweiz mit die niedrigste Eigenheimquote. Da gibt es viel Bedarf, gerade in Berlin noch mal viel mehr. Genauso sind Aktien in einem Niedrigzinsniveau vorhersehbar attraktiv. Genauso wie die Nachfrage auf der Seite steigt, sinkt die Nachfrage zu

Lasten anderen Anlageklassen – und Lebensversicherungen ist eine davon.

Was denken Sie, welche Vertriebskanale wird es in Zukunft geben?

Mustafa Behan: Zunächst haben wir Glaube an den Faktor Mensch. Der hat immer irgendetwas damit zu tun, Sie brauchen einen Menschen für die Beratung. Dann glaube ich an den Faktor Google oder andere Suchmaschinen – es gibt nicht nur Google und Amazon als Suchmaschine. Wenn wir jetzt Google mal als Platzhirsch bei den Suchmaschinen nehmen und uns das angucken, sehen wir, dass 46% der Google-Suchen bei lokalen Suchergebnissen landen. Sie suchen nicht Rot-Weiß in Berlin-Mitte, sondern Sie suchen ein Berater in Berlin oder Berlin-Charlottenburg. Es wird also Menschen, die vor Ort sind und Beratung geben, immer brauchen.

Jetzt gibt es verschiedene Modelle das abzubilden. Eins ist die klassische Bankfiliale. Dort gibt es ja eher einen Rückzug, denn einen Ausbau – sogar einen massiven Rückzug in den letzten Jahren eher. Andere sind so genannte HGB-Partner, also Menschen, die im Auftrag eines Anbieters, also einer Bank oder einer Versicherung, dort Kunden betreuen. Ein anderer Bereich sind unabhängige Makler, die das mehr auf Seiten der Kunden machen. Alle diese, die vor Ort Menschen flexibel betreuen, auch außerhalb von Öffnungszeiten und unabhängig vom Ort – man kommt zu ihm nach Hause oder an den Arbeitsplatz, um sie dort zu beraten – das sind die, die in den nächsten Jahren Kunden gewinnen werden.

Sie haben jetzt gerade schon mehrere Male gesagt, im Zuge der Digitalisierung spielt der Faktor Mensch eine wichtige Rolle. Was denken Sie denn, in dem ganzen Vertriebskanal, der bestimmt immer mehr digitalisiert wird, welche Rolle spielt dann der Finanzberater oder -vermittler?

Mustafa Behan: Die ganz Wesentliche. Wo spielt er denn weniger eine Rolle? Wo geht denn die Rolle zurück? Wenn Sie sich die Kette angucken, wie ein Kunde zum Berater kommt, dann wird die Suche nach einem Anbieter, die Suche nach Informationen, die erst Suche, die Kunden machen, mit Sicherheit digitalisiert, wenn sie es nicht schon ist. Da spielen Berater doch eine Rolle, weil sie sich in dieser Suche irgendwo positionieren müssen, sonst sind sie aus diesem Spiel schon raus, bevor das Spiel eigentlich begonnen hat.

Sodann gibt es eine Phase der Interaktion, wo Menschen und Berater miteinander Konzepte erstellen müssen, Probleme erfassen müssen, die Ausgangssituation verstehen müssen. Da spielt der Berater eine ganz große Rolle.

Und dann wiederum bei der Lösungserstellung und bei der Begleitung dieser Lösung. Eine Baufinanzierung als Beispiel, ist das größte wirtschaftliche Risiko, das Menschen in ihrem Leben nehmen in der Regel, wenn sich nicht selbstständig machen. Aber in der Regel ist das größte wirtschaftliche Risiko. Und das ohne Begleiter zu machen, das tun ganz wenige Menschen in Deutschland. Und das wird sich auch nicht ändern. Da spielt der Mensch die Rolle, dass er dort vor Ort ist und Lösungen bereitstellt. Gerade Geldanlage, Altersvorsorge, Baufinanzierungen, das sind Themen wo das richtig oder falsch – also es gibt kein richtig oder falsch, aber das hängt immer vom Kunden ab und seiner Situation, deswegen glaube ich, dass dort Beraterinnen und Berater immer eine Rolle spielen werden.Das ist ein positiver Ausblick. Vielen Dank für das Interview.

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