Herausforderungen eines Notariats in Zeiten des Immobilienwandels und wie man diese meistert

Herzlich Willkommen beim Business Talk am Kudamm, heute aus den Räumlichkeiten der Kanzlei IKB Fachanwälte. Unser Gast ist Tobias Scheidacker. Er ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet-und Wohnungseigentumsrecht und Notar. Mit ihm sprechen wir über die Herausforderungen eines Notariats in Zeiten des Immobilienwandels und wie man diese meistert.

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Transkript / Interview

Herr Scheidacker, Sie sind seit 20 Jahren Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Immobilienrecht und noch relativ frisch seit einem Jahr, nämlich genau seit Juli 2022 auch als Notar tätig. Wie stark unterscheidet sich denn eigentlich die Arbeit von einem Notar und von einem Rechtsanwalt?

Tobias Scheidacker: Idealerweise braucht man die Anwälte nicht mehr, wenn der Notar gute Arbeit geleistet hat. Wir gestalten Verträge zwischen Beteiligten möglichst rechtssicher, so dass man sich im Anschluss nicht mehr darüber streiten muss. Die Tätigkeit eines Anwalts ist häufig davon geprägt, dass man für Beteiligte streitet, deren Rechtspositionen vertritt. Das macht man als Notar eben nicht, sondern als Notar steht man ein bisschen über den Dingen und ordnet die Dinge so, dass Frieden herrscht. Und es gibt einen weiteren Bereich als Notar, den gibt es im Anwaltsbereich nicht. Das ist die Tätigkeit für nur einen Beteiligten, also ohne Gegenpartei. Wenn zum Beispiel ein Testament errichtet wird oder ein Erbschein beantragt wird oder wenn eine Person als Einzelperson eine Firma gründet. Dann ist nur ein Beteiligter tätig, es gibt kein Gegenüber. Und dennoch ist der Notar dort involviert und regelt die Dinge so, dass sie gut laufen.

Im Gegensatz zum Rechtsanwalt unterliegt der Notar der Neutralitätspflicht. Für unsere Zuschauer können Sie uns einmal ganz kurz erklären, was bedeutet das eigentlich in der Praxis?

Tobias Scheidacker: In der Praxis, dass ich keine Interessenvertretung betreibe als Notar. Wenn mich also ein Beteiligter fragt, ob ich ihm helfen kann und ihn beraten kann, was er zum Beispiel jetzt gegen den anderen tun kann, dann kann ich das nicht beantworten, sondern muss darauf verweisen, dass derjenige sich einen anwaltlichen Rat einholt. Zum Beispiel kommt es manchmal vor, dass man einen Grundstückskaufvertrag beurkundet und zwischen der Unterschrift beim Notar und der Übergabe des Objektes gibt es zum Beispiel einen Wasserschaden. Und dann ist die Frage: Wer ist jetzt dafür zuständig? Wie regeln die Beteiligten das? Und die ersten, die angerufen werden in solchen Fällen sind häufig wir. Herr Notar, was kann ich da jetzt tun? Und dann muss ich leider sagen, dass ich an der Stelle nicht beraten darf, weil das eine Beratung gegen die andere Seite wäre. Da muss ein Anwalt involviert werden.

Eine häufige Tätigkeit von Notaren ist die Beurkundung von Immobiliengeschäften. Sie haben das Notariat eigentlich auf dem Höhepunkt der Immobilienkrise gegründet. Hat denn die Marktstimmung auch Einfluss gehabt auf das Notariat, auf die Gründung und auch auf die Entwicklung?

Tobias Scheidacker: Zum Glück ist Notariat viel mehr als Immobilien. Notariat besteht aus vielen Rechtsgebieten. Wenn jemand ein Testament errichtet oder wenn mehrere Personen gemeinsam ein Testament errichten, dann sind wir im Bereich des Erbrechts. Auch wenn Erbscheine beantragt werden oder wenn wir eine Erbauseinandersetzung beurkunden. Also mehrere Personen haben etwas geerbt und jetzt geht es darum, das zuzuteilen. Wer bekommt was? Das wird, wenn Immobilien involviert sind, häufig beurkundet. Es werden Gesellschaften gegründet von Einzelpersonen oder von mehreren, die Gesellschaftsverträge schließen, die dann beurkundet und zum Handelsregister angemeldet werden. Es gibt Eheverträge, sowohl zu Beginn einer Ehe, wenn zwei Personen geheiratet haben und ihre Vermögen im Vorfeld regeln wollen. Es gibt Eheverträge während der laufenden Ehe, häufig wegen steuerlicher Gestaltungen. Oder auch wenn Eheleute sich scheiden lassen wollen, dann dauert es ja von der Entscheidung, wir wollen uns scheiden lassen, bis zum tatsächlichen Ende der Ehe noch eine ganze Weile, also bis zum Entscheidungsurteil. Und da kann man auch durch einen Ehevertrag beim Notar schon mal Wirkungen vorwegnehmen und Dinge regeln, wie zum Beispiel, dass der Versorgungsausgleich nicht weiterläuft oder dass die Zugewinngemeinschaft endet, sodass auch der Zugewinn nicht weiterläuft.

Und natürlich gibt es auch die Immobiliengeschäfte. Die finden weiterhin statt. Also der Markt hat sich verändert. Wir sehen andere Beteiligte in den Beurkundungen, aber eben auch Chancen. Es kommen Personen zum Zug, die vielleicht vor drei Jahren nicht so schnell eine Wohnung hätten kaufen können oder ein Grundstück hätten kaufen können, weil so viele Interessenten im Markt waren, dass kaum Zeit war, sich zu entscheiden. Und das hat die professionellen Beteiligten natürlich bevorzugt. Aber auch heute werden Wohnungen gekauft, werden Grundstücke gekauft, werden Häuser verschenkt von Eltern an Kinder, werden Nießbraucher eingetragen. Das beurkunden wir alles.

Wir haben gerade einen sehr starken Fachkräftemangel und das betrifft natürlich auch Rechtsanwaltskanzleien und Notariate. Es ist relativ schwierig, qualifizierte Rechtsanwalts-und Notarfachangestellte zu finden, das Gleiche gilt natürlich auch für erfahrene Fachanwälte. Wie sind Sie denn bei der eigentlichen Personalsuche vorgegangen? Und wie konnten Sie erfolgreich Personal gewinnen für Ihre Kanzlei, für Ihr Notariat?

Tobias Scheidacker: Das war zu Beginn tatsächlich erst einmal schwierig. Wir haben ja aus dem Anwaltsbereich schon sehr viel Know-How mitgebracht und da sind wir auch gut aufgestellt als Team. Aber Notariat ist eben mehr als der Anwaltsbereich und dort war es wichtig, Personal zu finden, was gut geschult ist und sich gut auskennt. Und ich habe zu Beginn erst einmal in jede Richtung kommuniziert: Ich suche eine Notarfachangestellte, und zwar eine gute, die mir hilft, das Notariat aufzubauen. Die Idee, ein Notariat aufzubauen, war in dieser Kommunikation zentral.

Und ich habe das Glück gehabt und tatsächlich eine sehr erfahrene Fachkraft damit angesprochen, die sich beworben hat und heute auch für mich arbeitet. Sie ist seit 30 Jahren im Notariat tätig und hat schon diverse Kanzleien von innen gesehen in jeder Größe, kleine und große. Sie wollte ein bisschen ihre Arbeitszeit reduzieren und sie hat es gereizt von Beginn an ein Notariat aufzubauen. Sie ist bei mir eingestiegen und jetzt können wir kommunizieren: Es geht zwar immer noch Aufbau, aber eben auch Erweiterung in einem bestehenden Team. Ab September fangen tatsächlich zwei weitere Notarfachangestellte bei mir an, sodass wir dann schon drei erfahrene Fachkräfte im Sekretariat haben.

Und wir bilden aus! Ich habe ab September eine Auszubildende im Notariat und es arbeiten Praktikanten und Studenten bei uns. Es ist schon eine starke Mannschaft entstanden, die sich hier sehr wohlfühlt. Ich glaube, ein wichtiger Punkt ist, dass die Leute gerne zur Arbeit kommen. Absolut. Dass man hier nicht sitzt in einer Maschinerie, wo man zu funktionieren hat und eigentlich nicht so gerne hingeht, sondern wir mögen uns alle, alle kommen gerne, alle sind engagiert bei der Sache. Und wir haben ein gemeinsames Ziel, nämlich den Aufbau und die gute Bewältigung dessen, was läuft und das macht Spaß.

Sehr schön. Das freut mich für Sie. Abschließend möchte ich gerne noch einmal auf Ihre Tätigkeit als Rechtsanwalt und als Notar zu sprechen kommen. Sie sind einer der bekanntesten Immobilienanwälte hier in Berlin. Und die nächste Frage interessiert sicherlich auch Ihre anwaltlichen Kolleginnen und Kollegen: Wie bekommen Sie denn diese Professionssergänzung als Notar in die Köpfe Ihrer Mandanten, dass Sie das auch verstehen? Der Herr Scheidacker ist nicht nur Rechtsanwalt, sondern jetzt auch Notar.

Tobias Scheidacker: Das ist tatsächlich eine sehr gute Frage. Die Bekanntheit als Anwalt hat sich tatsächlich anfangs ein bisschen wie ein Hindernis angefühlt, weil die Leute an mich denken, wenn sie einen Anwalt suchen – im Immobilienrecht. Aber sie denken noch nicht so unmittelbar an mich, wenn sie einen Notar suchen. Und das zu kommunizieren ist tatsächlich sehr aufwendig. Aber wir stehen in einem sehr engen Kontakt zu allen Mandanten und ich kommuniziere das in alle Richtungen. Und allmählich verbreitet sich die Informationen, dass die Leute wissen: Herr Scheidacker ist jetzt auch Notar und der macht seine Sache auch gut. Und ich habe auch eine starke Reputation. Wer hier war, der empfiehlt mich weiter und dann verbreitet sich das von selbst. Das ist schon sehr schön.

Herr Scheidacker, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und wir wünschen Ihnen noch viele spannende Projekte.

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