Erforschung und Behandlung von Kinderdemenz sowie die Arbeit der NCL-Stiftung

Herzlich willkommen heute beim Businesstalk am Kudamm. Unser Gast heute ist der Vorstand der NCL-Stiftung Dr. Frank Stehr. Mit ihm sprechen wir über die Erforschung und Behandlung von Kinderdemenz sowie die Arbeit der NCL-Stiftung.

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Transkript / Interview

Herzlich willkommen heute beim Businesstalk am Kudamm, lieber Herr Stehr. Heute unterhalten wir uns über ein Thema, was ganz, ganz vielen Menschen noch gar nicht geläufig ist. Und das ist die Kinder Demenz. Schön, dass Sie da sind.

Dr. Frank Stehr: Vielen Dank für die Einladung.

Herr Stehr, im Grunde genommen kennen wir uns ja schon so ein bisschen, denn Sie haben eine Stiftung und damit auch das Glück, dass ganz viele Prominente und auch Künstler Sie bereits unterstützen. Und so haben Jando, das ist ein Bestseller-Autor und ich, im August ein Charity-Abend für Sie und für die Stiftung und vor allen Dingen für die Kinder initiiert. Dieser Abend war wirklich von Herz geprägt von vielen Menschen. Viele Prominente und Menschen, die das Thema vorher noch nicht kannten und jetzt darüber Bescheid wissen und froh die waren, sich ein bisschen engagieren zu dürfen. Heute ist ja Welt-Alzheimer-Tag und mich würde an der Stelle einfach mal interessieren: Was bedeutet das Thema für Sie persönlich?

Dr. Frank Stehr: Erstmal noch mal ein ausdrückliches Dankeschön für diese tolle Lesung an Sie, an Jano. Das ist natürlich eine riesige Hilfe, wenn Menschen auf dieses seltene Thema aufmerksam gemacht werden, denn die wenigsten Menschen wissen überhaupt, dass es Kinderdemenz gibt. Viele kennen Alzheimer und am Welt-Alzheimer-Tag geht es darum, darauf aufmerksam zu machen. Und ja, ich habe auch einen persönlichen Bezug dazu, wie es wahrscheinlich vielen geht. Bei mir war es so, dass meine Großmutter an Alzheimer litt. Ich erinnere mich noch an diese Oma und das ich als Kind nicht verstehen konnte, dass da eine Persönlichkeitsveränderung stattfindet und Orientierungslosigkeit dazu kommt. Das hat mich natürlich über die Jahre auch bewegt und beschäftigt. Und dann war es so: Nach der Schule hatte ich Zivildienst – das gab es damals noch – und hatte in der Zeit viel mit Menschen zu tun, mit Angehörigen von Menschen, die irgendeine Form der Altersdemenz hatten. Und während des Studiums habe ich parallel in einer Tagespflege gejobbt, wo 80 Prozent der Tagesgäste eine Form der Altersdemenz hatten. Es ist ein Thema, was uns eigentlich alle beschäftigt, denn es wird immer mehr Fälle geben. Das größte Risiko ist, an einer Altersdemenz zu erkranken, ist das Alter selbst.

Wir werden alle älter und damit steigt auch das Risiko. Aber was die wenigsten Menschen eben wissen, ist, dass auch Kinder von Demenz betroffen sein können, dass es Kinderdemenz gibt. Und vielleicht schildere ich mal kurz den Verlauf dieser Krankheit, der sogenannten neuronalen Steroid-Lipofuszinose – den Begriff kann sich kaum einer merken, auch nicht die Fachleute – darum vereinfacht Kinderdemenz. Wobei man dazu sagen muss, Demenz ist ein Symptom unter mehreren bei dieser Erkrankung. Die betroffenen Kinder, die an der sogenannten Juvenilen NCL leiden, die Kinder entwickeln sich bis zum Einschulalter ganz normal, ganz altersgerecht. Man geht zu den Routine-Untersuchungen bei den Kinderärzten und alles ist soweit okay. Dann geht es relativ harmlos los: Die Kinder haben auf einmal eine Sehschwäche. Tim, der Sohn des Stiftungsgründers, der hatte z. B. Probleme R und P zu unterscheiden an der Tafel. Man ahnt da nichts Böses, geht zu den Augenärzten, Seeschulen, Optikern. Meistens wird eine Brille verschrieben. Die hilft nämlich, weil die Zellen der Netzhaut absterben. Das geht soweit, dass die Kinder erblinden innerhalb von ein bis drei Jahren, was schon schlimm genug ist. Und in dieser Phase rennen die betroffenen Familien von Arzt zu Arzt und erhalten verschiedene Fehl-Diagnosen. Sie bilden sich das ein, dass das Kind simuliert und es eine Augen-Erkrankung sei oder eine Lernschwäche oder so was in der Art.

Und so geht es dann weiter. In Deutschland gehen wir davon aus, dass es nach dem Auftreten der ersten Probleme mit der Sehproblematik in der Regel zwei bis vier Jahre dauert, bis die Eltern überhaupt wissen, was ihr Kind hatte. Und parallel findet dieser geistige Abbau statt. Das heißt, es sterben auch Nervenzellen des Gehirns ab, das macht sich bemerkbar mit schulischen Schwierigkeiten. Auf einmal haben die Kinder Probleme mit dem Rechnen, Lesen, sich Sachen merken zu können. Zum Beispiel berichtete eine Mutter hier aus Berlin, deren Tochter Isabelle an dieser Krankheit leidet, dass Isabelle extrem frustriert ist, denn Isabelle versucht, die Blindenschrift zu lernen und merkt, dass sie das immer wieder vergisst, dass sie sich das nicht merken kann, sie vorher eine gute Schülerin war und sich selber unter Druck setzt. Diese Krankheit nimmt den Kindern alle Fähigkeiten. Es kommen epileptische Anfälle hinzu, motorische Probleme. Die Schritte werden immer kürzer, die Kinder werden unbeholfener, fallen häufiger hin. Und im Teenageralter ist die Krankheit so weit vorangeschritten, dass sie in der Regel schon im Rollstuhl sitzen und auch irgendwann nicht mehr sprechen können, sich nicht mehr artikulieren können. Und sie werden alle schwere Pflegefälle.

Im jungen Erwachsenenalter ist die Krankheit so weit vorangeschritten, dass dann die Eltern vor einer ganz schweren Entscheidung stehen, weil schwere Schluckbeschwerden auftreten und die Kinder, die jungen Erwachsenen, irgendwann die Nahrung verweigern, weil sie Angst haben, sich wieder daran zu verschlucken. Und dann müssen die Eltern entscheiden, ob eine Magensonde gelegt werden soll oder nicht, um gegebenenfalls noch genügend Nahrung und Flüssigkeit zuzuführen. Wenn sie sich dafür entscheiden, dann können die jungen Patienten 20 bis 30 Jahre alt werden. Wir gehen davon aus, dass es da verschiedene Unterformen von NCL gibt, dass circa 700 Kinder in Deutschland an dieser seltenen Krankheit leiden und dass jedes Jahr ca. 20 neue Fälle dazukommen.

Herr Stehr, Sie haben sich ja mit der NCL-Stiftung der Erforschung einer der häufigsten Formen von Kinderdemenz verschrieben. Sie haben jetzt schon einiges beschrieben, aber wie kann ich mir das konkret vorstellen? Wie geht der Krankheitsverlauf weiter und wie gehen die betroffenen Menschen damit um?

Dr. Frank Stehr: Ich selber bin eigentlich von Hause aus Biochemiker, Molekularbiologe. Die Stiftung selber wurde vor 20 Jahren von einem betroffenen Vater gegründet, weil bei seinem eigenen Sohn Tim NCL diagnostiziert wurde, auch nach anfänglichen Fehldiagnosen. Es ist wirklich ein drastischer Verlauf der Krankheit und ja, es ist eine seltene Krankheit, aber es sind sehr viele andere Menschen in Mitleidenschaft gezogen. Die gesunden Geschwisterkinder, die Eltern, die Großeltern, der ganze Freundes- und Bekanntenkreis, Und auch für die Lehrer und Lehrerinnen, die Pädagogen, ist das eine große Herausforderung, weil ja die Lernkurve abnimmt aufgrund der einsetzenden Demenz. Das ist eine sehr große Herausforderung für die Familien.

Diese Krankheit wird Autosomal Recessive vererbt, es ist eine genetisch bedingte Erkrankung. Das bedeutet Vater und Mutter sind beide Träger bzw. Trägerin der Krankheit. Sie wissen es nur nicht, es kommt nicht zum Ausbruch der Krankheit bei Ihnen. Wir sind alle Träger bzw. Trägerin für mehrere Erbkrankheiten und ich kann Ihnen auch nicht sagen, für welche 15, 20 Erbkrankheiten ich selber Träger bin. Nur wenn Vater und Mutter beide Träger sind für NCL, ist es so, dass ein Risiko von 25% gegeben ist, dass das Kind diese Krankheit bekommt. Vorher sind meistens keine Fälle aufgetaucht. Also trifft es die Familien wirklich aus heiterem Himmel. Und Sie können sich vorstellen, dass bei spät auftretenden Symptomen im Einschulalter – nach zwei bis 4 Jahre an Fehldiagnosen – auch jüngere Geschwisterkinder da sein könnten, die auch die Veranlagung haben, aber noch keine Symptome haben. So gibt es leider auch Familien mit mehreren NCL-Kindern. Daher ist uns als Stiftung auch die Aufgabe ganz wichtig. Ärzte und Ärztinnen über dieses seltene Krankheitsbild zu informieren und Fortbildungsarbeit zu betreiben, damit eine adäquate humangenetische Beratung den Eltern, den Familien, angeboten werden kann. Das ist ja eine wichtige Information, dass es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt. Zu wissen, wo der Fehler liegt, und auch bei weiteren Kinderwünschen zu wissen, dass man auch sich darauf testen lassen könnte, auch während der Schwangerschaft. Man hat aber auch das Recht auf Nichtwissen. Das sind ja alles wichtige Informationen. Und auch zu wissen, dass es zum Beispiel auch eine Selbsthilfegruppe NCL in Deutschland gibt, die ganz wichtige Arbeit leistet, wenn es darum geht, das Thema Trauerbegleitung oder auch Kinderfreizeiten zu organisieren. Oder wenn die Krankenkasse mal wieder im Bereich der Hilfsmittel etwas ablehnt, wie man dann Widerspruch einlegt.

Und ja, ich kann nur hervorheben, wie wichtig diese Fortbildungsarbeit bei Ärzten und Ärztinnen ist. Dieses Jahr fokussieren wir von der NCL-Stiftung uns auf die Schulmediziner. Denn die Schulärzte und -ärztinnen, die sehen die Kinder ja zwischen Kindergarten und Einschulung in einer Phase, wo vielleicht schon die ersten Symptome auftauchen könnten. Wir wollen diese Ärzte und Ärzten auch für dieses seltene Krankheitsbild sensibilisieren, neben den Augenärzten und den Kinderärzten natürlich.

Sie haben jetzt auch schon einiges erwähnt. Aber was machen Sie ganz konkret mit der NCL-Stiftung?

Dr. Frank Stehr: Im Bereich der Fortbildungsarbeit unter anderem Vorträge halten, Fortbildungen halten, denn Ärzte und Ärzte müssen sich fortbilden, CME-Punkte sammeln. Da haben wir auch das Glück, zum Beispiel mit MedLearning, einer Online-Fortbildungsplattform, zusammenzuarbeiten, die netterweise das ganze Pro Bono übernimmt. Wir gehen auf Kongressorganisatoren zu und fragen, ob das Thema mit eingebunden werden kann. Das heißt, wir müssen nicht selber die Ärztefortbildung im ganzen Kongress machen, sondern wir können da Referenten und Referentinnen entsprechend vermitteln.

Der andere Punkt ist, dass wir auch in die Schulen gehen und die Schüler und Schülerinnen für seltene Krankheiten sensibilisieren. Im Biologie-Oberstufen-Unterricht ist Genetik Bestandteil des Lehrplans. Da setzen wir an und und arbeiten mit verschiedenen Praxispartnern zusammen, nicht nur in Hamburg, wo die Stiftung ihren Sitz hat, sondern bundesweit.

Hier in Berlin haben wir eine tolle Kooperation mit dem Gläsernen-Labor. Und gerade kam auch ein neues Schülerlabor in Brackel in Nordrhein-Westfalen dazu. Da wird quasi die NCL-Diagnostik nachgestellt. Die Schüler und Schülerinnen führen da PCR durch. Mittlerweile hat, glaube ich, jeder von uns den Begriff PCR schon gehört, leider. Und PCR ist schon viele Jahre ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik für NCL. Das heißt, wenn man den Verdacht hat, würde man eine genetische Analyse machen und da kommt dann eben eine PCR zum Einsatz. Und das nutzen wir, um praxisnah das Thema Diagnostik-Medizin den Schüler und Schülerinnen näherzubringen.

Wir versuchen natürlich auch die Öffentlichkeit auf NCL aufmerksam zu machen. Und da ist mir auch ganz wichtig, dass wir immer wieder gucken, dass wir entsprechend kosteneffizient arbeiten. Das heißt, wir gehen auf Firmen zu, ob die uns zum Beispiel kostenlose Plakatflächen zur Verfügung stellen oder kostenlose Füllanzeigen auf TV-Sender geben, oder ob sie unseren Social-Media-Spot kostenlos ausstrahlen. Das heißt, wir investieren kein Geld in die Vermarktung und die Bewerbung dieser seltenen Krankheit, sondern versuchen auch hier Unterstützer und Unterstützerinnen zu gewinnen. Und der Großteil der Spendengelder, der geht in die Forschung, in die Forschungsförderung. Da sind wir weltweit aktiv. Wir haben Forschungsprojekte in Standford, in Cardiff in Großbritannien, in Italien. Wir hatten Projekte in Luxemburg, Israel und natürlich auch in verschiedenen Städten in Deutschland. Man muss dazusagen: Hamburg, das Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, die Kinderklinik ist das führende klinische Zentrum für NCL neben Rochester in den USA, so dass da eine sehr hohe Expertise existiert. Dort wird auch das sogenannte internationale Patientenregister durchgeführt und klinische Studien.

Und wie gesagt, wir versuchen mit unseren Spendengeldern die Forschung voranzubringen, Forschungslücken zu schließen. Das heißt, wir gehen aktiv auf Labore zu und zeigen Schnittmengen auf zwischen dieser seltenen Kinderdemenz und anderen Forschungsgebieten, anderen Krankheiten. Denn da existieren Schnittmengen und wir versuchen darüber neue Forscher und Forscherinnen zu gewinnen. Wir organisieren Nachwuchswissenschaftler-Treffen, Kongresse und Workshops. Und ich glaube, das ist ungewöhnlich, dass wir als Stiftung nicht darauf warten, dass die Leute auf uns zukommen und einen Antrag einreichen, sondern weil wir selber Expertise im Bereich Forschung haben, auf die Labore aktiv zugehen.

Sie haben ja im Vorgespräch erzählt, dass Sie auch weltweit Forscher verknüpfen, vernetzen und darauf hinweisen. Wie wichtig ist eigentlich die Arbeit von der NCL-Stiftung und anderen Stiftungen für die Erforschung von seltenen Krankheiten?

Dr. Frank Stehr: Ich glaube, es ist ganz wichtig. Zum einen ist das, finde ich immer wieder erstaunlich, wie viel Kraft auch betroffene Eltern haben. Wie im Fall von Herrn Husemann, der vor 20 Jahren gesagt hat: „Ich möchte dieses Schicksal nicht so annehmen, ich möchte was verändern. Und dann mit der Hilfe von Round Table Deutschland, 2002 die Stiftung gegründet hat. Es war damals, glaube ich, ein ungewöhnlicher Schritt zu sagen Mensch: Wir bauen uns eigene Wissenschaftsexpertise auf und das erste Ziel soll sein, jemanden aus dem medizinischen oder naturwissenschaftlichen Bereich hauptamtlich zu engagieren. Und diese Stelle habe ich vor fast 20 Jahren bekommen.

Wir arbeiten eng zusammen mit anderen Stiftungen, mit einem ähnlichen Hintergrund, wo betroffene Eltern diese Stiftung gegründet haben, auch aus eigener Betroffenheit, mit dem Ziel, Forschung voranzubringen, z.B. in den Niederlanden und in den USA. Nehmen wir als Beispiel Michael J. Fox, der ja der an Parkinson leidet und eine wirklich großartige Stiftung gegründet hat. Der seine Öffentlichkeit, seine Bekanntheit genutzt hat, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Das sind wirklichen Vorbilder, wenn es um Stiftung und Stiftungsförderung geht. Und gerade im Bereich seltener Krankheiten, muss ich sagen, können natürlich Stiftungen und Initiativen auch viel bewirken. Wobei ich mir natürlich auch erhoffen würde, dass noch viel mehr vom Bund, vom Staat mit gefördert wird. Warum muss überhaupt eine Stiftung gegründet werden, damit eben seltene Krankheiten mehr ins Rampenlicht gezogen werden? Das müsste man sich natürlich auch fragen. Aber ja, wir versuchen mit unseren Mitteln da die Forschung voranzubringen.

Und was ich hier hervorheben möchte, ist eben auch das Potenzial, was da gegeben ist bei diesen seltenen Krankheiten. Man kann von diesen seltenen Krankheiten unheimlich viel lernen. Wir müssen weg von diesem Schubladendenken, das ist die eine Krankheit, das ist die andere. Es gibt da ganz klare Schnittmengen. Erst vor ein paar Monaten ging es durch die Presse – Sie erinnern das vielleicht –, dass Bruce Willis an der sogenannten Frontotemporalen Demenz leidet. Die Frontotemporale Demenz, FTD abgekürzt, macht circa acht bis elf Prozent der Demenzfälle in Deutschland aus. Es ist also eine recht häufige Form. Und es gibt ganz verschiedene Gründe, warum FTD auftritt. Einen Grund kannte man schon recht lange, wenn eine Mutation, eine Veränderung, vorliegt in einem Allele des sogenannten Progranulin Gens. Wir haben – vielleicht da nur mal kurz ausgeholt –, wenn ich über ein Gen rede, zum Beispiel das Progranulin Gens, da liegen immer zwei Kopien vor. Wir haben das immer zweifach vorliegen. Jedes Gen, was wir haben, liegt zweifach vor, sogenannte Allele. Man wusste, wenn ein Allele betroffen ist beim Progranulin Gen, kommt es zu der Frontotemporalen Demenz. Was man aber erst vor ein paar Jahren herausgefunden hat, wenn beide Allele betroffen sind, kommt es zu einer seltenen Allele Form, zur CELN 11. Das heißt, wir haben innerhalb eines Gens die Schnittmenge zwischen einer Kinderdemenz und einer Altersdemenz. Und es ist offensichtlich, dass beide Felder voneinander lernen können. Und wir hatten jetzt gerade kürzlich über ein Labor, was wir in Standford fördern, wirklich eine herausragende Fachpublikation in Science, das ist ein sehr renommiertes Fachjournal, die eine ganz wichtige zentrale Funktion von dem sogenannten CLM 5 Protein gezeigt haben, und dass das Auswirkungen haben wird auf andere neurodegenerative Erkrankungen, auf Alzheimer und andere NCL-Formen. Das heißt, da sind ganz klare Schnittmengen und solche Schnittmengenforschung versuchen wir eben mit unseren Spendengeldern zu fördern.

Da komme ich auch gleich noch mal etwas detaillierter darauf zurück. Jetzt würde mich erst mal interessieren, mit welchen Partnern arbeiten Sie denn zusammen?

Dr. Frank Stehr: Also die Stiftung selber ist über die Jahre gewachsen und wir haben zum Glück in ganz verschiedenen Bereichen viele Unterstützerinnen und Unterstützer, sei es, die sich ehrenamtlich engagieren. Denn uns ist auch wichtig zu gucken, wo können wir Spendengelder einsparen, damit wir eben einen hohen Prozentsatz der Gelder in die Forschung investieren können und wir auch seit vielen Jahren das sogenannte DZI Prüfsiegel, das Spendensiegel, tragen. Das muss jedes Jahr aufs Neue beantragt werden. Wir haben Freunde und Bekannte, die sich ehrenamtlich einsetzen: Grafikdesigner, IT-Support, Juristen und auch Firmen, die helfen an der einen oder anderen Stelle. Um mal ein paar Beispiele zu nennen: Das Hamburg Marriott Hotel unterstützt uns schon seit vielen Jahren. Wir sind der Charity Partner oder Spirit to Service Partner nennt sich es da. Die stellen uns zum Beispiel jetzt gerade kostenlos Räumlichkeiten zur Verfügung für das Nachwuchswissenschaftler-Treffen Ende September in Hamburg, inklusive Catering. Und sie helfen uns bei unserer Benefiz-Kunstauktion. Es gibt ganz verschiedene Firmen, die uns unterstützen in verschiedensten Bereichen und auch immer wieder prominente Unterstützer und Unterstützerinnen, was natürlich großartig ist. So wie Jando mit seinen Kinderbüchern die Lesung nutzt, um auf uns aufmerksam zu machen. Worüber wir uns auch wirklich riesig freuen ist, dass unser langjähriger Botschafter und Schirmherr Jan Josef Liefers, manche kennen ihn auch als Professor Werner aus dem Tatort, sich für uns seit vielen Jahren engagiert, was natürlich großartig ist, weil das Ganze auch bekannter gemacht wird.

Es ist so, dass wir auch mit anderen Stiftungen gemeinsam diese Forschungsprojekte fördern, z.B. hat die Joachim Herz Stiftung viele Jahre unseren Forschungspreis mitfinanziert, was eine große Hilfe war. Es gibt auch andere Stiftungen, die uns zur Seite stehen und auch Gruppen und Serviceorganisationen wie Round Table oder die Rotarier.

Es war mir auch aufgefallen, als wir begonnen hatten, den Abend in Berlin zu organisieren, das alle gesagt haben, es sei nicht möglich mitten in den Ferien, da komme eh keiner. Jando und wollten es trotzdem machen dann kam ja auch Christopher Groß, der das Hörbuch mitgestaltet hat dazu. Dann hat die Sängerin Henryette gesagt: „Ich bin auch dabei“. Und dann plötzlich kam Maren Gielzer, Falk Willi Wild. Also richtig viele Prominente. Tina Ruhland hat sich extrem dafür eingesetzt und das publik gemacht. Und der Raum war voll. Eigentlich konnten da 50 bis 60 Leute rein und wir waren 92. Also es wurde sehr gemütlich, aber es hat auch gezeigt, wie viele Menschen wirklich gesagt haben: „Mensch, das kannte ich nicht. Und so wie es mir in meinem Rahmen möglich ist, möchte ich gerne etwas dafür tun.“ So war es ja auch hier beim Businesstalk am Kudamm, dass sie gesagt haben: „Mensch, komm doch zu uns nach Berlin, wir machen ein Interview. Wir möchten auch gern, dass dieses Thema einfach publiker wird.“ Jetzt ist es aber so, dass die Forschung an seltenen Krankheiten oftmals so den Ruf des Nischendaseins hat. Wie Sie gerade erwähnt haben, ist es aber so, dass diese Arbeit auch einen Beitrag leistet zur. Grundlagenforschung von ganz anderen Krankheiten. Wollen Sie da noch mal was zu sagen?

Dr. Frank Stehr: Ja, neben den Schnittmengen zu häufig vorkommenden Krankheiten, z.B. wenn es losgeht mit der Sehproblematik, gibt es auch klare Schnittmengen zu anderen Augenerkrankungen, zu Retinitis pigmentosa oder zur altersbedingten Makuladegeneration, AMD, was übrigens der häufigste Grund ist für Erblindung in den westlichen Ländern im Alter. Da gibt es auch ganz klare Schnittmengen. Um das nochmal hervorzuheben, gerade die seltenen Erkrankungen, das ist wirklich Pionierarbeit, bei der manchmal wirklich neuartige Therapien wie die Gentherapie, wie eine Enzymersatztherapie das erste Mal auch probiert werden, ausgetestet werden. Daher kann man davon sehr viel lernen. Und Sie können sich vorstellen, die Schnittmenge zur personalisierten Medizin ist direkt gegeben bei den seltenen Krankheiten. In meinen Augen nimmt dieser Bereich wirklich eine Vorreiterrolle ein.

Vielen Dank, dass Sie sich so einsetzen. Da ich ein Fan davon bin, dass jeder in seinem Rahmen, etwas Gutes tut, dann können unglaubliche Dinge entstehen. Und genau das machen Sie auch. Die NCL-Stiftung informiert über verschiedenste Kampagnen und Fortbildung für Ärzte. Wo bekommen Interessierte denn konkrete Informationen zum Thema?

Dr. Frank Stehr: Also am leichtesten ist es natürlich über die Homepage der NCL-Stiftung, da haben wir entsprechendes Informationsmaterial. Oder, da bin ich auch ein großer Fan von, einfach die Telefonhörer in die Hand zu nehmen und in der Stiftung anzurufen. Uns gibt es, man kann mit mir reden und jeder kann auch was tun in seiner Art und Weise. Natürlich auch gerne die klassische Spende, wir freuen uns natürlich, wenn wir Unterstützung zu bekommen. Nur um ein, zwei weitere Beispiele zu nennen: In unserem Kuratorium ist zum Beispiel der Lutz Marmor, der ehemalige NDR Chef, der jetzt gerade seine Hochzeitsfeier genutzt hat und mit seiner Frau gesagt haben: „Wir verzichten auf Hochzeitsgeschenke. Es soll lieber an die Stiftung gespendet werden.“ Einerseits wird also auf uns Aufmerksam gemacht und andererseits haben wir wirklich tolle Spenden bekommen. Also jeder kann helfen. Oder ein weiterer ehrenamtlicher Botschafter, der Jan Hähnlein in Erfurt, der aus freien Stücken gesagt hat: „Ich möchte darauf aufmerksam machen“. Und einen Spendenmarsch ins Leben gerufen hat, der wird nächstes Jahr zum fünften Mal stattfinden. Unglaublich, was der da auf die Beine gestellt hat. Mehrere 100 Leute kommen, um dann für einen guten Zweck zu wandern.

Jetzt am kommenden Wochenende hat er ein paar im positiven Sinne verrückte Stiftungen um sich gescharrt, die einen 100 Kilometer Marsch machen werden und sich dafür noch weitere Spender-Sponsoren gesucht haben, die auch die Stiftung unterstützen, was natürlich phänomenal ist. Und ja, was liegt noch so demnächst an neben Wissenschaftlertreffen? Ende September wird in Hamburg der NCL-Kongress stattfinden. Vorgelagert machen wir unser Nachwuchswissenschaftler-Treffen. Am 4. Dezember findet dann in Großhansdorf in Schleswig-Holstein eine Benefizveranstaltung statt von Hubertus Mayer-Bruckhardt, der sich für uns einsetzen wird. Und noch ein Hinweis: am 1. Februar 2024 werden wir eine Benefiz-Kunstauktion in Hamburg organisieren. Auch da freuen wir uns über Gebote oder Leute, die gerne hinkommen, Kunstinteressiert sind und darüber hinaus uns unterstützen wollen. Der Terminkalender ist jetzt schon gefüllt.

Ich möchte mich ganz, ganz, ganz herzlich an dieser Stelle für das Interview und vor allen Dingen für Ihr Kommen bedanken. Ich sage ganz, ganz liebes Dankeschön und bis ganz bald.

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