Kapitalanlagebetrug in Deutschland

Jedes Jahr entsteht in Deutschland ein Milliardenschaden durch Kapitalanlagebetrug. Schneeballsysteme, bei denen die Altinvestoren durch Einzahlung neuer Investoren ausbezahlt werden, sind nicht selten im Fokus der Ermittler.

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Transkript / Interview

Janine Mehner: Wie lassen sich Schneeball- und andere Betrugssysteme rechtzeitig erkennen? Kapitalanlagebetrug, darüber sprechen wir mit Rechtanwalt Dr. Thomas Schulte beim Businesstalk am Kudamm.

Kapitalanlagebetrug ist ein Dauerbrenner. Wie hoch sind die jährlichen Schäden in Deutschland?

Thomas Schulte: Also man kann sagen, Kapitalanlagebetrug, dass sind immer neue Opfer und immer die alten Tricks. Die werden ja nur variiert. Es gibt die zum Beispiel jetzt im Internet, was früher an der Haustür war, das passiert heute im Internet. Die Schäden gehen in die Milliarden. Wobei, was ist ein Schaden? Dann ist ja kein Gebäude abgebrannt, dann steht ja Berlin noch, bloß das Geld hat halt ein anderer. Es gibt also jetzt keine volkswirtschaftlichen Schäden, sondern individuelle Schäden, bei den Familien, oder bei den Betroffenen, wenn man das so sagen möchte.

In welchen Segmenten tritt das besonders auf und welche Produkte empfinden sie als gefährlich?

Thomas Schulte: Ja, das ist ein kapitalistisches Phänomen. Solange wir Geld haben, gibt es einen Kampf um das Geld. Da geht es also immer um Geldinvestments. Man tauscht also Geld gegen eine Versicherung, man tauscht Geld gegen Holz, das irgendwo wächst, man kauft sich irgendwelche Metalle und, und, und.

Wenn ich jetzt als Anleger etwas investieren möchte, wie kann ich dann betrügerische Modelle erkennen?

Thomas Schulte: Als erstes gibt es ja den alten Spruch „Niemand der eine Ölquelle findet, ruft begeistert andere, damit sie mit ihm gemeinsam dem Öl bohren“. Das ist ja quatsch, sondern man bekommt das immer als Rendite oder auch als Sicherheit, was es auch sonst irgendwo gibt. Es gibt also kein Geheimnis, es gibt keine fantastischen Maschinen, die aus Kryptogeld Milliarden machen. Sondern das allgemeine Zins- oder Renditeniveau findet sich in allen Produkten. Da gibt es natürlich auch noch die Empfehlung, „was du nicht verstehst, das solltest du bitte nicht machen“. Es macht doch auch überhaupt keinen Sinn, dass ein Zahnarzt in eine Mine in Südamerika investiert, wenn er doch keine Ahnung hat, außer im Munde herumzubohren und nicht nach Gold oder Erdöl.

Es gibt ja auch immer wieder Schneeballsysteme und diese ganzen vielfältigen Netzwerke. Was halten sie davon?

Thomas Schulte: Das ist auch noch neben dem Vermögensverlust für die Betroffenen menschlich sehr schlimm, weil man dort häufig in einer Beziehung ist, dass wird über Freunde und Verwandte weiterempfohlen. Es zerstört dann sozusagen nicht nur das eigene Portemonnaie, es zerstört auch noch das Herz, wenn man alle seine Freunde in so einen Blödsinn hineingerissen hat. 

Was macht der Gesetzgeber, um die Verbraucher vor betrügerischen Kapitalanlagen zu schützen?

Thomas Schulte: Der Gesetzgeber hat ja erst einmal die Idee der Gewerbefreiheit. Wir erinnern uns an früher: da hat der König beschlossen, du wirst Messermacher, du wirst Landwirt oder etwas anderes. Irgendwann kam Preußen, dann gab es die preußische Gewerbefreiheit. Das heißt, heute darf jeder erst einmal ein Gewerbe anmelden und loslegen. Dann hat man gemerkt, das ist vielleicht keine so gute Idee und hat alle Aufsichtsbehörden geschaffen und eine Aufsichtsgremium, also Gesetze. Und der Gesetzgeber kann man sagen, läuft ständig hinterher. Alle paar Jahre kommt ein neuer Trick, dann wird das Gesetz wieder verschärft. Dann kommt wieder ein neuer Trick, dann werden die Gesetze wieder verändert. Im Moment sind es Betrügereien aus dem Ausland rund um das Internet und auch dort gibt es natürlich parlamentarische Diskussionen, was man machen könnte, um die Bevölkerung zu schützen.

Und es gibt ja auch Aufsichtsbehörden. Sind diese überfordert mit der Überwachung des gesamten Marktes?

Thomas Schulte: Ja und nein. Wir haben ja eine Zersplitterung in Deutschland. Wir haben auf der einen Seite die Polizei und Staatsanwaltschaften und Gerichte, die sind zuständig für die Strafverfolgung und wir haben die Aufsichtsbehörden. Da gibt es Gewerbeaufsichtsämter, da gibt es eine Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und alle arbeiten fleißig. Alle Beamten bemühen sich, aber sie werden im Grunde der Situation nicht her. Da gibt’s eine Kultur, die sagt, okay der Kapitalismus muss ja funktionieren also Geschäfte sind ja auch in Ordnung, die Leute sind ja auch erwachsen man kann ihn ja nicht den Griffel aus der Hand schlagen, wenn sie einen Vertrag unterschreiben wollen. Zugleich ist es tatsächlich rechtlich sehr komplex. Was ist eine Geldanlage? Was ist eine Bank? Wie muss ich was regulieren? Dass also schwierig auch für den Gesetzgeber und auch für die Beamten.

Wenn man jetzt noch einmal zusammenfassend sagen kann, wenn man investieren möchten, worin würden Sie investieren?

Thomas Schulte: Also ich würde in Dinge investieren, die entweder versichert sind, also zum Beispiel Geldanlagen bei einer Bank, wo man sagt, okay die unterliegen dem Einlagensicherungsfond. Zum anderen würde ich mich vernünftig informieren und zwar nicht bei dem Vertreter, der bekommt ja eine Provision. Der mag ja ein netter Mensch sein, aber er ist nicht die Informationsquelle der ersten Wahl. Genauso wenig bei den anderen Unwissenden, nur weil mein Nachbar etwas gemacht hat, muss das auch keine gute Idee sein. Gute Anlaufstellen sind immer Verbraucherzentralen. Man kann natürlich auch einen qualifizierten tüchtigen Anwalt fragen, wenn man möchte und Fachpresse. Es macht glaube ich keinen Sinn in Dinge zu investieren, die man nicht versteht. Sachwerte sind auch ein Thema. Sachwerte Gold oder Silber. Sachwerte sind ja auch Immobilien, dort gibt es aber das Problem, dass zum Beispiel mit der Verwaltung von Immobilien viele Leute auch überfordert sind, also muss man sich das genau überlegen. Und der ganz alte Tipp: frag doch mal deine eigene Mutter.

Vielen Dank Dr. Schulte!

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