Fachkräftemangel: Zwischen Auftragsflaute und Überforderung

Fachkräftemangel: Zwischen Auftragsflaute und Überforderung

Personalabbau ist keine Lösung – wie Unternehmen klüger durch die Krise kommen

Die Situation in der deutschen Wirtschaft könnte widersprüchlicher kaum sein: Einerseits fehlen Arbeitskräfte an allen Ecken und Enden, andererseits denken nicht wenige Mittelständler über Personalabbau nach. Doch wer in der Flaute zu kurzsichtig agiert, könnte später die Quittung zahlen – und sich damit selbst um die eigene Wettbewerbsfähigkeit bringen.

Widersprüchliche Lage am Arbeitsmarkt

Die Lage ist komplex: Der Fachkräftemangel ist real – insbesondere in den Bereichen Handel, Pflege, IT, Handwerk, Bau, Logistik und Gastronomie. Auch einfache Tätigkeiten wie Lagerarbeit, Reinigung oder Zustellung sind schwer zu besetzen. Die Gründe dafür sind bekannt: demografischer Wandel, veränderte Arbeitszeitwünsche, unattraktive Arbeitsbedingungen, meist schlechte Bezahlung und ein schleppender Zuzug qualifizierter und geeigneter Zuwanderer.

Gleichzeitig sorgt die konjunkturelle Abkühlung – befeuert durch hohe Energiepreise, geopolitische Unsicherheiten, Kaufzurückhaltung und Investitionsstau – in vielen Branchen für Auftragsrückgänge. Viele Unternehmen klagen zurecht über Auftragsmangel. Insolvenzen nehmen massiv zu. Wer wenig zu tun hat, muss wirtschaftlich denken und überlegt, wo sich Kosten einsparen lassen. Das Personal rückt dabei schnell in den Fokus. Was kurzfristig logisch erscheint, kann langfristig teuer werden.

Personalabbau als Trugschluss

Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) geraten in die Zwickmühle: Einerseits bräuchten sie dringend gut eingearbeitete, loyale Fachkräfte, andererseits fehlt ihnen aktuell oft die Auslastung, um alle Mitarbeiter voll zu beschäftigen. Doch wer jetzt entlässt, könnte – sobald der Markt wieder anzieht – das Nachsehen haben. Denn neues Personal zu finden, wird nicht einfacher. Die Fluktuation ist hoch, das Matching auf dem Arbeitsmarkt schwierig und die Einarbeitung zeit- und kostenintensiv.

Zudem: Unternehmen, die sich in der Krise personell ausdünnen, senden ein schlechtes Signal an ihre Belegschaft. Sie riskieren, das Vertrauen und die Bindung der Leistungsträger zu verlieren. Das beschädigt die Arbeitgebermarke, wirkt sich auf das Betriebsklima aus und erschwert künftige Rekrutierungsvorhaben zusätzlich.

Besser qualifizieren statt kündigen

Statt Personalabbau empfiehlt sich eine strategischere Sichtweise. Die aktuelle Flaute kann – so paradox es klingt – eine Chance sein. Weniger operative Auslastung bedeutet auch: mehr Zeit für Weiterbildung, Prozessoptimierung, Digitalisierung oder Innovationsentwicklung. Wer seine Mitarbeiter in dieser Zeit gezielt qualifiziert, stärkt nicht nur deren Kompetenzen, sondern auch die eigene Wettbewerbsposition.

Staatliche Förderprogramme wie Kurzarbeitergeld, Qualifizierungsoffensiven oder regionale Bildungsinitiativen können dabei helfen, die finanzielle Last abzufedern. Unternehmen sollten aktiv prüfen, welche Mittel sie nutzen können. Oft bleibt hier viel Potenzial ungenutzt.

KMU in der Sandwich-Position

Unternehmen sollten deswegen strategisch statt reaktiv handeln: Nicht jeder Umsatzrückgang rechtfertigt sofort einen Personalabbau. Wer langfristig denkt, investiert gerade in der Krise in seine Leute. Für Unternehmen, die an die Zukunft glauben, gibt es keine sinnvolle Alternative.

Die Lage erfordert jedoch eine transparente Kommunikation mit der Belegschaft, Die Mitarbeiter brauchen und verdienen Klarheit. Offene Gespräche über die Lage schaffen Verständnis, reduzieren Ängste und stärken den Zusammenhalt – ein wichtiger Faktor gerade in der Krise.

Durch gute Führung und klare Kommunikation entstehen neue Möglichkeiten, etwa für flexible Arbeitsmodelle oder bezuschusste Qualifizierungsmaßnahmen. Wer Auftragslöcher mit reduzierten Stundenmodellen, Jobrotation oder projektbezogener Arbeit überbrückt, bleibt beweglich, ohne Personal zu verlieren, und hat auch im konjunkturellen Aufschwung noch motivierte Mitarbeiter, die im Zweifel sogar besser agieren können als vor der Krise. Unternehmen und Mitarbeiter werden gemeinsam resilienter und leistungsfähiger. Freie Zeiten lassen sich hervorragend für Weiterbildungen und persönliche Entwicklungen nutzen. Einige davon dürften Mitarbeiter gar als Benefit empfinden, was die Loyalität zum Arbeitgeber sogar steigern kann.

Der Fachkräftemangel ist strukturell

Der Fachkräftemangel ist kein konjunkturelles Phänomen, sondern ein strukturelles. Die aktuelle Auftragsflaute dagegen ist temporär – selbst, wenn sie sich länger hinziehen sollte. In dieser Gemengelage ist kluges Personalmanagement gefragt. Wer vorschnell entlässt, schwächt sich selbst. Wer hingegen jetzt seine Mitarbeitenden stärkt, verschafft sich einen Vorsprung für den nächsten Aufschwung.

Fluktuation kostet ein Vielfaches

Diese Herangehensweise wird durch Zahlen aus der Praxis belegt: Jeder Abgang kostet mindestens ein komplettes Jahresgehalt. Bei 20 Mitarbeitern und nur 10 Prozent Fluktuation kommen beispielsweise bei einem Durchschnittsgehalt im Einzelhandel von circa 42.300 Euro sofort 84.600 Euro zusammen – in einem Jahr. Besetzt man auch nur eine neue Stelle falsch, entstehen weitere rund 60.000 Euro Kosten: für einen neuen Rekrutierungsprozess, Einarbeitungszeiten, Abfindungen und Overhead-Kosten. Nimmt man Kosten für Krankmeldungen hinzu, die naturgemäß steigen, wenn Mitarbeiter nicht motiviert und emotional gebunden sind, kommen schnell mehr als 150.000 Euro zusammen, die ein Unternehmen gut und gerne in Weiterbildungen, Arbeitgeberattraktivität oder in andere betriebliche Maßnahmen investieren kann, die die Existenz langfristig sichern. Grundsätzlich gilt: Ein Euro investiert in Mitarbeiterbindung spart rund drei Euro an Folgekosten für Recruiting und Einarbeitung.

Perspektivenwechsel notwendig

Statt primär den Kostenfaktor des Personals zu sehen, sollten vor allem deren Stärken und Talente entwickelt werden. Mitarbeiter, motivierte und engagierte zumal, sind Kapital in einem Unternehmen. Sie sind oft Teil der Lösung. Es lohnt sich, in sie zu investieren und sie fit zu machen für eine Zukunft im Betrieb. Gerade im KI-Zeitalter wird der menschliche Faktor entscheiden. Auf gute Mitarbeiter zu verzichten, kann schnell zur Falle werden. Ein Umdenken in Sachen Personal ist deswegen gerade in der Flaute wichtig.

 

Über den Autor

Reiner Huthmacher ist Gründer der Huthmacher Consulting GmbH mit Sitz in Bornheim. Das Unternehmen widmet die sich der Fachkräftebindung sowie der Fach- und Arbeitskräftegewinnung und entwickelt kleine und mittlere Unternehmen zu anziehenden Fachkräftemagneten, die sich die besten Bewerber aus dem umkämpften Markt aussuchen können. www.fachkraeftemagnet.net.

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