„Mehr Netto vom Brutto“ muss neu gedacht werden
Die Forderung nach „mehr Netto vom Brutto“ gehört seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire in politischen Debatten. In die Umsetzung kommen dabei meist jedoch eher steuertechnische Detailfragen oder komplizierte Optimierungsmodelle, die am Ende nur einem kleinen Teil der Beschäftigten zugutekommen. Mit dem Einzug von Künstlicher Intelligenz (KI) in Wirtschaft und Arbeitswelt gewinnt das Thema nun eine neue Brisanz. Unternehmen müssen umso mehr positiv auffallen, um wirklich die besten Arbeitnehmer zu finden und zu binden, diejenigen, die bereit sind, Teil des technologischen Wandels zu werden und die fit sind für die neue Arbeitswelt. Es stellt sich also die Frage: Wie werde ich als Arbeitgeber attraktiv und sichtbar, damit die motiviertesten Menschen die Zukunft mit und bei mir gestalten?
Alte Modelle – großer Aufwand, kleiner Effekt
Die klassischen Modelle der Nettolohnoptimierung gelten dabei vielen Experten inzwischen als Auslaufmodell. Sie sind komplex, schwer verständlich und kommen häufig nur denjenigen Mitarbeitern zugute, die in Unternehmen arbeiten, die sich in dieser Beziehung teure Berater leisten können oder die über interne Strukturen verfügen, die die komplexen Regelwerke konsequent zu nutzen wissen. Für die Mehrheit der Beschäftigten in kleinen und mittelständischen Unternehmen bleibt der Nutzen überschaubar – nicht selten mit unerwünschten Nebenwirkungen, etwa geringeren Rentenansprüchen durch sinkende Sozialabgaben. Für kleine Unternehmen sind Nettolohnoptimierungen also zumeist keine Lösung, um als Arbeitgeber attraktiv zu werden. Im Gegenteil: Hier werden die großen Konzerne zusätzlich bevorteilt, zum Nachteil derer, die dringend Fachkräfte brauchen.
Zukunftsfähige Ansätze
Gefragt sind stattdessen generell, aber im KI-Zeitalter umso mehr, einfache, transparente und gerechte Lösungen, die ohne Umwege wirken und den Arbeitgebern mehr Freiräume bei einer individuellen Ausgestaltung ihrer Mitarbeiter-Benefits geben. Hier könnten deutlich großzügiger ausgestaltete Sachbezugsfreigrenzen helfen. Würden diese beispielsweise von bisher 50 Euro auf 500 Euro erhöht, könnten Arbeitgeber hier alles hineinpacken, was Mitarbeiter wünschen: betriebliche Gesundheitsvorsorge, Zusatzversicherungen, Job-Räder oder bestimmte Warengutscheine sind hier nur einige Beispiele.
Volle Steuer und Sozialversicherung ab 51,- Euro
Gerade die Angebote der betrieblichen Gesundheitsvorsorge sind in Deutschlands Belegschaften sehr beliebt. Sie liegen auf der Beliebtheitsskala sehr weit oben. Das belegen zahlreiche Studien und Befragungen. Insbesondere hier wäre der Gesetzgeber gut beraten, die Möglichkeiten zur Umsetzung noch viel stärker zu unterstützen. Denn: Diese Angebote setzen dort an, wo die ohnehin unter Druck stehende gesetzliche Krankenversicherung (GKV) nicht mehr leistet.
Neue Sozialpartnerschaft
Kaum etwas im Rahmen der Sachbezugsfreigrenzen wird auch seitens der Arbeitgeber als sinnvoller angesehen. Gesundheitsthemen haben Konjunktur, insbesondere in alternden Belegschaften. Die Anhebung der Sachbezugsfreigrenzen könnte einen Beitrag dazu leisten, Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen im Rahmen der GKV zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Allerdings: Die derzeit möglichen 50 Euro reichen hier bei weitem nicht aus. Arbeitgeber wären durchaus bereit, hier mehr zu investieren. Aber: Ab dem 51. Euro wird nicht nur der eine zusätzliche Euro besteuert und mit Sozialabgaben belegt, sondern der Gesamtbetrag von 51 Euro oder mehr.
Diese Regelung macht die derzeitige Sachbezugsfreigrenze zu unattraktiv und zu unflexibel in Bezug auf die Möglichkeiten, die sie bieten könnte. Arbeitgeber sind deswegen nur selten bereit, die 50-Euro-Grenze zu überschreiten. Wären die Freigrenzen höher, könnte sich eine Art neue Sozialpartnerschaft ergeben, in dem Arbeitgeber Leistungen der Gesundheitsvorsorge übernehmen, die sonst entweder von den Arbeitnehmern privat gezahlt werden müssten oder letztlich doch bei den Sozialversicherungsträgern landen. Die Sachbezugsfreigrenze könnte ein interessantes Politikum werden, das nicht nur die Arbeitgeberattraktivität steigert, sondern auch die öffentlichen Kassen entlastet. Mehr Netto vom Brutto auf intelligente Weise, gerecht und für alle.
Wertschätzung direkt und unkompliziert
Erhöhte Sachbezugsfreigrenzen ermöglichen es Arbeitgebern, Wertschätzung direkt und spürbar auszudrücken – ohne komplizierte Steuerkonstruktionen, dafür mit unmittelbarem Effekt im Portemonnaie der Beschäftigten. Und das für jeden einzelnen Beschäftigten individuell – ganz ohne teure Berater und komplizierte Steuerschlupflöcher, sondern transparent und marktwirtschaftlich. Denn es setzt sich so derjenige durch, der die attraktivsten Angebote macht und in seine Arbeitgeberattraktivität investiert.
Das Instrument ist leicht verständlich, unbürokratisch und stärkt zugleich die Kaufkraft. Jeder Euro fließt hier direkt in den Handel oder in die Dienstleistungswirtschaft. Die Sachbezugsfreigrenze zu erhöhen ist deswegen eine plausible Forderung an die Politik. Deren Einsatz als Instrument der Arbeitnehmergratifikation sollte gefördert und erleichtert werden. Einen einfacheren Weg, Arbeitnehmer zu belohnen, die sich engagieren und Innovation treiben, gibt es nicht. Und für Arbeitgeber sind individuelle, zusätzliche Sachbezugsleistungen eine gute Möglichkeit, ihre Arbeitgebermarke sichtbar auf dem Markt zu platzieren und sich so vom Wettbewerb abzugrenzen.
Neue Arbeitswelt – neue Antworten
Im Zuge der Digitalisierung verändern sich Berufsbilder und Einkommensstrukturen in rasantem Tempo. KI sorgt dafür, dass Tätigkeiten entweder effizienter werden oder aber potenziell ganz verschwinden, während gleichzeitig neue Jobs entstehen, die heute noch niemand konkret zu benennen weiß. In dieser Umbruchphase reicht es nicht, an komplizierten steuerlichen Stellschrauben zu drehen. Vielmehr geht es darum, Modelle zu schaffen, die Teilhabe sichern, Wertschätzung sichtbar machen und das Vertrauen in die Arbeitsgesellschaft erhalten.
Mehr als ein Schlagwort
„Mehr Netto vom Brutto“ darf in dieser neuen Arbeitswelt nicht nur ein technisches Rechenexempel sein. Es muss zu einem Symbol für moderne Vergütungskultur werden – fair, nachvollziehbar und alltagstauglich. Nur so lässt sich verhindern, dass die Beschäftigten die Früchte der Digitalisierung zwar mit erarbeiten, aber nicht ernten.
Über den Autor
Reiner Huthmacher ist Gründer der Huthmacher Consulting GmbH mit Sitz in Bornheim. Das Unternehmen widmet die sich der Fachkräftebindung sowie der Fach- und Arbeitskräftegewinnung, entwickelt kleine und mittlere Unternehmen zu anziehenden Fachkräftemagneten, die sich die besten Bewerber aus dem umkämpften Markt aussuchen können. Employer Branding, die vorausschauende und umfassende Absicherung der Risiken von Mitarbeitern sowie individuelle Benefits und Mehrwerte für Belegschaften sind ebenso Teil des Angebots von Huthmacher & Partner wie die aktive Unterstützung bei Fragen der Arbeitgeberkommunikation und beim Recruiting, zum Beispiel durch beliebte Bausteine wie ein von Reiner Huthmacher entwickeltes Coaching für HR-Abteilungen. Reiner Huthmacher ist seit mehr als 30 Jahren Unternehmer und erfahrener Begleiter kleiner und mittlerer Unternehmen. Als Consultant für Fachkräftemagneten hat er „Das kleine 1×1 der Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergewinnung“ entwickelt, eine Methode, die schon mehrere hundert Mal in KMUs verschiedener Branchen zum Einsatz kam und nahezu immer für messbar mehr Motivation und Mitarbeiterbegeisterung gesorgt hat. Reiner Huthmacher ist gefragter Vortragsredner und als Experte in mehreren renommierten Fachzirkeln und Gremien aktiv.
Weitere Informationen unter www.fachkraeftemagnet.net.