Die Kunst des Bauens

Interview mit Christine Weinmann
„Die Kunst des Bauens“ mag nicht jeder zu beherrschen. Doch diejenigen, die es sich zur Leidenschaft gemacht haben, nicht nur „einfache“ Häuser, sondern überdimensionale Kunstwerke zu schaffen, indem sie z.B. Natur, Physik und modernste Technologien mit einfließen und für sich Hand in Hand arbeiten lassen, erschaffen somit Gebäude, die nicht nur zur Obdach dienen, sondern auch funktional und nachhaltig sind. Christine Weinmann, Mitinhaberin vom Architekturbüro in_design in Frankfurt, spricht mit uns über die moderne Architektur. Wie sie unter anderem das Thema „Nachhaltigkeit“ in ihre Arbeit mit einfließen lässt, erläutert sie uns im Folgenden.

Nachhaltigkeit ist heutzutage DAS Thema weltweit. Wie setzen Sie sich im Zusammenhang mit Ihrer Arbeit mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen auseinander?

Als Innenarchitektin weiß ich – dank meiner vorangegangenen Ausbildung und Tätigkeit als Möbelrestauratorin und Schreinerin – um den Wert von bestehenden Kulturgütern und Materialien. Daher habe ich ohnehin weitgehende Erfahrungen mit Naturmaterialien, die historisch den Großteil der verwendeten Baustoffe ausgemacht haben. Aus meiner Sicht erleben wir dahingehend eine Renaissance, wenn nun vom Wert des Erhaltens und der Qualität des Bestands geredet wird. 

Als Büro haben wir jedenfalls ohnehin in den Jahrzehnten unseres Bestehens eine hohe Affinität nicht nur zum Bauen mit Holz als nachwachsendem Baustoff, sondern einen Blick darauf, dass unser Handeln Auswirkungen über Jahrzehnte hat. Unsere Gebäude sollen nicht nach ein paar Jahren auf der Deponie landen, sondern 50 bis 100 Jahre oder länger bestehen. Daher haben wir uns schon lange mit Passiv- und Plusenergiehäusern auseinandergesetzt und damit, wie der Energie- und Ressourcenverbrauch sowohl beim Bau als auch beim Betrieb von Gebäuden minimiert werden kann. Wenn dann aktuell jemand mit einer Aufgabe zu hoher Nachhaltigkeit auf uns zukommt, denken wir manchmal im Stillen „Ah!? Schön, dass Ihr jetzt auch so weit seid“.

Neue Fortschritte und Technologien machen auch in der Baubranche keinen Halt. Wie setzen Sie sich mit Baumaterialien und -technologien auseinander?

Innovation ist wesentlich, um heutige Komfort- oder Sicherheitsansprüche zu erfüllen und auch die Effizienz zu steigern. Wir versuchen also auch in der bekanntermaßen eher trägen und konservativen Baubranche dazu beizutragen, dass innovative Baustoffe und Produkte zielführend zum Einsatz kommen und halten ständig die Augen nach Neuentwicklungen offen.

Interessant ist allerdings, dass aktuell einige Innovationen „traditionellen Wahrheiten“ zu folgen scheinen, mehr Naturmaterialien und weniger kurzlebige Komposit-Baustoffe ins Rampenlicht gerückt werden. Wie gesagt sind wir schon lange im Holzbau aktiv, so dass wir auch dort sehr froh über materialeffiziente oder brandschutztechnisch erleichternde Innovationen wären.

Welche neuen digitalen Tools und Software gibt es im Architekturbereich und inwieweit nutzen Sie diese?

Ich hatte das Glück, dass mein Studium etwa bis zur Hälfte vollkommen „analog“ geprägt war und ich dann Teil der voranschreitenden Digitalisierung im Planen und Bauen wurde. So konnten wir uns fast schon spielerisch mitentwickeln, uns zum Beispiel im CAD über den Schritt von 2D zu 3D freuen, mal die Möglichkeiten des 3D-Druckens von Modellen probieren oder jetzt Mobiltelefon-Apps für Raumerfassung testen. Auch da treffen tradierte „Skills“ auf Digitales, wenn wir Freihandzeichnungen am Tablet machen. 

So ist es dann fast schon selbstverständlich, dass wir mit BIM arbeiten, also die qualitativen Bauwerksinformationen im digitalen Gebäudemodell hinterlegen, nach mehreren Pilotprojekten mit Bauaufsicht digitale Bauanträge stellen oder einen integrierten ‚Carbon Calculator‘ zur Ermittlung der von der Konstruktion im Lebenszyklus verursachten CO2-Emmission nutzen. Digitale Bauwerkspässe werden dabei helfen, die Materialkreisläufe im Bauwesen in den nächsten Jahrzehnten zu fördern – bald sicher genauso selbstverständlich wie wir heute digitale Terminpläne oder GAEB-Ausschreibungsdaten verwenden.

Ist bei Ihnen auch die Integration von Technologien und Smart-Home-Systemen möglich?

Als wir vor zehn Jahren unser erstes Smart Home planten, war das schon eine Herausforderung – alleine die Menge an Kabeln und den Raumbedarf dafür hatten wir damals etwas unterschätzt. Aber es ist tatsächlich gut, dass heute nicht nur bei größeren Gebäuden eine Gebäudeautomation möglich ist, die man mit einem eigenen Fachplaner bewältigen muss, sondern dass es nun auch für private Wohnhäuser die Möglichkeit gibt, die Gebäudetechnik zu vernetzen und in der Nutzung komfortabler zu machen. Es ist doch interessant, wie selbstverständlich die Menschen im Auto einen elektrischen Fensterheber erwarten und sich daran gewöhnen, dass bei einem Telefonat die Musik leise wird – während man zu Hause Licht an / Rollladen hoch / Fenster auf / Heizung aus jeweils manuell macht, ohne das zu hinterfragen. Ich sehe die Technologie hier aber auch nicht zum Selbstzweck, sondern versuche, die Schnittstelle zwischen Gebäude und Nutzer dadurch möglichst selbsterklärend und menschenfreundlich zu gestalten.

Aufgrund des Klimawandels treten stets neue Energiesparvorschriften in Kraft? Sind diese bei der Planung und Ausführung gut umsetzbar?

Na ja „gut“ trifft es vielleicht nicht gerade – aber was wäre die Alternative? Also: klar ist es mühsam, die zahlreichen Vorschriften fortwährend in der Arbeit zu berücksichtigen, gerade wenn diese zeitweise im Zweijahrestakt erneuert wurden und man Novellierungen in laufende Projekte einarbeiten muss. Aber mit dem Ressourcenverbrauch aus den 1980ern wollen wir ja alle nicht weitermachen; auch hier kann man am Verbrauch von Autos ja sehen, wie drastisch die Veränderungen anderswo über die Jahrzehnte sind. Und wenn wir auf die Abfallmenge oder den Energieverbrauch im Bauwesen schauen, müssten wir uns eigentlich eingestehen, dass die Regeln noch gar nicht dahin führen, das 1,5° Ziel einzuhalten und den CO²-Verbrauch zielführend zu senken. Also vielleicht nicht „gut“, aber „mit dem Wissen, dass es ohne Veränderungen vor allem für die nächsten Generationen unerträglich würde“.

Auch der Architekturmarkt ist hart umkämpft. Wodurch zeichnet sich Ihr Unternehmen besonders aus?

Fragen Sie das gerne unsere Bauherren, die ein drittes oder viertes Mal mit uns bauen. 

Aber nein, im Ernst: Ein Alleinstellungsmerkmal ist sicher, dass wir in der Inhaberschaft sowie im Team Innenarchitektur und Architektur gleichberechtigt sehen; unsere Projekte werden von Anfang an gleichermaßen mit Blick auf Qualitäten des Hochbaus und der Innenräume entwickelt. Darüber hinaus arbeiten andere Büros mitunter nicht wie wir in allen Leistungsphasen – also von den ersten Skizzen bis zum Nutzungsbeginn. Zudem haben wir beiden Inhaber einige Jahre mit Projektmanagement verbracht, sodass wir auf Wertstabilität und  Kosten- sowie Termintreue achten. Und schließlich bearbeite ich nun seit fast 30 Jahren Bestandsbauten und kann von Erfahrungswerten sprechen. 

Wir haben uns so über die Jahre eine Arbeitsweise angewöhnt, die für unsere Bauherren zu langfristig sehr nachhaltig nutzbaren Bauwerken führt, unabhängig von der Art der Gebäudenutzung. Mittlerweile hat sich vielleicht ein wenig herumgesprochen, dass man bei komplexeren Aufgaben in Kombination mit Gebäudebestand mal uns anfragen sollte – zumindest häufen sich die Anfragen.

Frau Weinmann, vielen Dank für das Interview.

Interview teilen: 

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp
No related posts found for the provided ACF field.

Zum Expertenprofil von Christine Weinmann

Christine Weinmann

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter diesem Link:

Weitere Interviews

die neusten BTK Videos