20.000 Verfahren gegen Manager – Dr. Dietmar Buchholz

Interview mit Dr. Dietmar Buchholz
Dr. Dietmar Buchholz ist Rechtsanwalt und Volkswirt mit Kanzlei in Hamburg. Im Interview spricht er über Managementhaftung und den Fokus der Öffentlichkeit auf die spektakulären Fälle.

Manager stehen mit einem Bein im Gefängnis“, heißt es oft. Wie viel Wahrheit beinhaltet diese Aussage?

Dr. Dietmar Buchholz: Die Haftung des Managements ist nicht nur rein theoretischer Natur, sondern ein in meiner tägli­chen Praxis äußerst relevantes zivil-, straf- und steuerrechtliches Haftungsproblem. Immer häufiger sieht sich das Management mit Schadensersatzforderungen wegen tatsächlicher oder angeblicher Fehlentscheidungen konfrontiert. Auch die Strafverfolgungsbehörden sind zunehmend bereit, das als strafrechtlich beurteilte Verhalten mit allen persönlichen und vermögensrechtlichen Konsequen­zen für das Management zu verfolgen. Die zivilrechtliche Haftung ist für die Betroffenen und damit auch ihren Angehörigen oft mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz verbunden. Eine grobe Schätzung geht von 20.000 Verfahren gegen Manager aus, über die jedoch niemand spricht oder schreibt. Im Fokus der Öffentlichkeit stehen sicherlich die spektakulären Fälle, wie die Verurteilung des ehemaligen Bayernchefs Uli Hoeneß, des ehemaligen Vorstandschefs von Arcandor Middelhoff, der wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt wurde. Der ehe­malige Vorstandchef von Siemens, von Pierer, der in Griechenland zu 15 Jahren Haft verurteilt und der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Telecom Zumwinkel, der zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Aktuell wird über die Einleitung eines Verfahrens gegen ehemalige Manager des VW Konzerns berichtet.

Welche strafrechtlichen Folgen kann die Managementhaftung haben?

Dr. Dietmar Buchholz: Bei Wirtschaftsstraftaten stehen in der Häufigkeit der Fälle – neben der persönlichen zivilrechtlichen Haftung – die Verurteilung wegen Untreue, Betrug, Steuerhinterziehung und die Haftung wegen In­solvenzverschleppung und den damit verbunden Bankrottdelikten. Die Folgen sind der Erlass eines Strafbefehls, Bewährungsstrafen, Haftstrafen aber auch die Gewerbeuntersagung als vertretungsbe­rechtigtes Organ ein Gewerbe zu führen. Durch die infolge der Corona-Krise zeitliche Verlagerung der Insolvenzantragspflicht für Kapitalgesellschaften wird in der Praxis mit zahlreichen Strafverfahren gerechnet.

Unter welchen Umständen sind Führungskräfte und Manager Schadenersatzpflichtig?

Dr. Dietmar Buchholz: Zu den Kardinalpflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers gehören zwingend die Beachtung von Recht und Gesetz sowie die Satzung, der unternehmensinternen Richtlinien bzw. Beschlüsse. Darüber hinaus ist er verpflichtet auf ihre Einhaltung hinzuwirken. Er muss organisato­rische Maßnahmen zur Vermeidung von Pflichtverletzungen und Verstößen gegen geltendes Recht treffen. Unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens kann bei Unterlassen eine Pflicht­verletzung mit der Folge der persönlichen Haftung begründet sein. Manager, die das Recht- und Gesetz, die Satzung des Unternehmens und/oder Beschlüsse der Gesellschafter nicht beachten, sei es vorsätzlich oder fahrlässig, leichte Fahrlässigkeit genügt, sitzen in der Haftungsfalle. Auch Unwissen­heit schützt nicht.

Wie häufig kommt es in der Realität zu Klagen auf Managementhaftung?

Dr. Dietmar Buchholz: Leider wird nur über die spektakulären Fälle berichtet. Es werden keine Statistiken geführt. Wie oben ausgeführt, wird die Zahl auf 20 000 Verfahren geschätzt. Dies dürfte aber untertrieben sein. Aus langjähriger anwaltlicher Praxis ist festzustellen, dass die Staatsanwaltschaften die Zügel angezogen haben. In der Praxis werden sehr viele Fälle – statt mit einer Verurteilung – mit einem Strafbefehl abgeschlossen. Neben der strafrechtlichen Seite, die glimpflich ausgehen kann, darf die – existenz­bedrohende – zivilrechtliche Haftung jedoch nicht übersehen werden.

Wie können sich Manager am besten absichern?

Dr. Dietmar Buchholz: Der Manager muss jede Handlung bzw. Entscheidung sorgfältig prüfen und sich vor der Entschei­dung im Rahmen der Möglich­keiten in ausrei­chender Weise infor­mieren. Im Zweifel fachlichen Rat (Rechtsanwalt/Steuerberater) einholen. Auch die regelmäßige Schulung ist aufgrund der hohen An­forderungen, die heute an das Management gestellt werden, zwingend notwendig. Die Begrenzung der Haftung kann durch Horizontale/ Vertikale Verantwortungsverlagerung erreicht werden, z.B. Aufteilung der Geschäftsführung, Outsourcing. Vertraglich kommen zeitlich, betragsmäßig be­schränkte Haftungsregelungen sowie die Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in Be­tracht. Daneben ist die Einführung Risikomanagementsystem-Controlling zu empfehlen. Gesell­schaftsrechtlich sollten im Innenverhältnis regelmäßig Entlastungsbeschlüsse der Gesellschafter ein­geholt werden. In Betracht kommt auch eine Freistellungserklärung des Unternehmens und im Haf­tungsfall der Verzicht auf Regress möglich. Als Notmaßnahme kann unter bestimmten Umständen die Niederlegung des Amtes geboten sein. Der Abschluss einer D&O mit Strafrechtsschutz kann nicht schaden.

Wie gut schützen Versicherungslösungen?

Dr. Dietmar Buchholz: Vorüberlegung: Im Vordergrund muss die Auswahl des richtigen Versicherers stehen. Die Vertrags­bedingungen der Versicherer sind recht unterschiedlich. Der Versicherungsumfang hängt nicht zu­letzt von der Höhe der Prämie ab. Leistung und Kosten sollten in einer synoptischen Darstellung ge­genübergestellt und bewertet werden. Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund: Umfasst der Umfang der D&O auch den Zivil- und Strafrechtsschutz einschließlich der Haftungstatbestände im Falle der Insolvenz, hier § 64 GmbHG? Ist die vorgerichtliche Beratung, die Freie Auswahl des Rechtsanwalts auf Abrechnung nach Stundensätzen eingeschlossen? Der Beginn (Schutz auch für „Altfälle“) und Ende des Eintritts der D & O sowie die Ausschlusstatbestände sind zu vergleichen. Wichtig ist auch der Ausschluss der rückwirkenden Kündigungsmöglichkeit der D&O seitens des Versicherers in Abstimmung mit dem Unternehmen. Hier sollte im Anstellungsvertrag mit dem Un­ternehmen ein entsprechender Ausschluss durch eine D&O Verschaffungsklausel vereinbart wer­den.

Herr Dr. Buchholz, vielen Dank für das Gespräch.

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