Erbschaft: Ein Testament ist nicht alles

Interview mit Konstanze Gerdien
Ein Erbfall ist meist mit viel Bürokratie verbunden und nimmt teilweise sehr viel Zeit in Anspruch. Selten läuft die Erbschaftsklärung glatt, und selbst dann kann es mehrere Monate dauern, bis man auf das Erbe zugreifen kann. Konstanze Gerdien ist Fachanwältin für Erbrecht und Inhaber der gleichnamigen Kanzlei in Frankfurt. Sie zeigt uns auf, worauf man als möglicher Erbe achten sollte, welche Schritte notwendig sein könnten, um sich möglichen Zeit-, Kosten- sowie bürokratischen Aufwand zu ersparen und beschreibt uns die Abläufe Bei Gerichten, Banken usw. sind.

Im Todesfall geht das gesamte Vermögen des Verstorbenen auf den oder die Erben/-in über. Wieso dauert es trotz der gesetzlichen Regelungen mitunter sehr lange, bis die Erben auf die Konten des Erblassers zugreifen können?

Der Erbschein wird beim Nachlassgericht in dem Bezirk beantragt, in dem der Verstorbene vor seinem Tod gelebt hat.

Das Erbscheinverfahren dauert lang. Wenn es kein Testament gibt, geht es noch relativ schnell, denn dann sind die Erben im Gesetz geregelt – also Kinder und Ehegatten – wenn es keine gibt, dann geht man eine Generation nach oben – also Eltern – und wenn die nicht mehr da sind, deren Abkömmlinge. Aber selbst wenn alles klar ist, werden alle Abstammungsurkunden verlangt, die die Erben teils nicht haben und bei den Standesämtern besorgen müssen. Danach kann man entweder beim Nachlassgericht oder beim Notar einen Antrag stellen. Beim Gericht wartet man, wegen der Überlastung, teils Monate auf einen Termin. Danach wird der Antrag den Miterben zur Stellungnahme zugeschickt. So ziehen die Wochen ins Land und selbst bei klarer Erbfolge kann es ein paar Monate dauern, bis man den Erbschein hat.

Richtig lange dauert es, wenn es Streit um die Erbfolge gibt, weil beispielsweise mehre Testamente vorliegen oder ein Testament laienhaft abgefasst oder gar unwirksam ist. Handschriftliche Testamente sind oft ohne jegliche Rechtskenntnisse geschrieben. Dann muss das Testament ausgelegt werden. Es muss herausgefunden werden, was der Erblasser eigentlich wollte. Zum Beispiel: Der Erblasser hatte Geldvermögen von 600.000 Euro und zwei erbberechtigte Kinder. Diese würden je 300.000 Euro erben. Er schreibt im Testament, dass Kind A 500.000 Euro bekommt und Kind B 100.000 Euro. Damit hat er Kind A als Erbin eingesetzt und Kind B enterbt. Das Testament muss nun anhand von Wortlaut und Inhalt ausgelegt werden und dann fängt oft umfangreicher Schriftverkehr unter Anwälten und Gericht an, was gemeint ist. Wenn es kompliziert wird, geht der Antrag dann vom Rechtspfleger zum Richter. So kann es sich über Monate hinziehen. Und damit fangen oft Streitereien unter den Erben an und Familien brechen auseinander.

Besonders lange könnte es dann dauern, wenn die Bank einen Erbschein verlangt. Wo genau lässt sich dieser Schein beantragen und was bescheinigt er genau?

Es dauert nicht länger, wenn die Banken einen Erbschein fordern, aber die Banken fordern immer einen Erbschein, wenn es kein notarielles Testament gibt. Manche Banken verzichten bei klarer Rechtslage und notariellem Testament auf einen Erbschein. Das wird aber immer weniger. Die Banken wollen sicher sein, dass sie die Gelder an die richtigen Personen auszahlen, denn wenn sie an die falsche Person zahlen, müssen sie an die richtige Person nochmals zahlen, denn deren Anspruch bleibt ja bestehen. Von der falschen Person können Sie dann das Geld zurückfordern, aber, wenn das weg ist, also nichts mehr zu holen ist, weil es verbraucht ist, hat die Bank einen Verlust. Ganz interessant ist hier, dass es immer öfter vorkommt, dass ein Mitglied einer Erbengemeinschaft im Ausland lebt. Dann muss zuerst die Erbschaftssteuer gezahlt werden. Also muss man eine Erbschaftssteuererklärung bei zuständigen Nachlassfinanzamt machen, in Hessen ist dies zentral in Fulda. Erst wenn man der Bank die Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegt oder das Finanzamt einen Teil der Gelder für die Bezahlung der Steuern freigibt, können die Erben über das Geld verfügen. Die Nachlassfinanzämter arbeiten allerdings sehr zügig und recht unkompliziert.

Vorsorge- und Generalvollmacht werden oft synonym genannt, da es sich juristisch eigentlich um das gleiche Dokument handelt. Können Sie uns erklären, wo der Unterschied zwischen Vorsorge- und Generalvollmacht liegt?

Eine Generalvollmacht kann man jeder Person zu jeder Zeit geben, also auch bereits zu Lebzeiten. Das ist nicht ungefährlich. Hier haben manche Klienten bei Personen, denen sie komplett vertraut haben, schon böse Überraschungen erlebt.

Die Vorsorgevollmacht ist de facto dann auch eine Generalvollmacht, aber wird nur unter einer bestimmten Voraussetzung wirksam. Tritt diese Voraussetzung, meist ein Notfall, ein, dann entfaltet die Vollmacht erst ihre Wirksamkeit. Da die Vollmacht so weitreichend ist, empfehle ich hier stets das 4-Augen-Prinzip. D.h., es werden für bestimmte wichtige Angelegenheiten 2 Personen eingesetzt, die gemeinsam vertreten. Denn ich habe schon erlebt, dass mit einer solchen Vollmacht Immobilien verkauft wurden und die Gelder quasi „verschwunden“ sind. Hier erliegt mancher Bevollmächtigte der Versuchung. Da ist es besser, vorsichtig zu sein.

Eine weitere Möglichkeit, die Erbenstellung gegenüber der Bank nachzuweisen, ist die Vorlage eines eröffneten Testaments. Welche Vor- und Nachteile hat das klassische Testament?

Ein eröffnetes Testament allein bringt keine Beschleunigung, allenfalls beim notariellen Testament sind manche Banken, bei einfacher Rechtslage, bereit, Zugriff auf die Gelder zu gewähren. Da der Notar sich mit der Rechtslage auskennt und keine Formfehler macht, genießt er mehr Vertrauen. Aber die Praxis zeigt, dass auch notarielle Testamente ausgelegt werden können und manchmal müssen. Teils sind die Testamente alt und die Dinge, über die verfügt wurde, sind nicht mehr vorhanden. Immobilien sind zwischenzeitlich verkauft oder zu Lebzeiten an Abkömmlinge übertragen worden. 

Das eigenständige Testament ist an Formenstrenge gebunden. D.h. es muss handschriftlich erstellt werden, die Unterschrift muss die Erklärung abschließen. Sie muss Ort und Zeit enthalten. Laien kennen sich nicht mit den Fachbegriffen aus und schreiben es gerade so, wie sie denken, dass das Erbe verteilt wird. Es gibt Erben, Vor-, Nach- und Schlusserben, befreit und unbefreit, Vermächtnisse, Vorausvermächtnisse, Auflagen etc. Unabhängig von den Begriffen, die ein Erblasser verwendet, muss dann geprüft werden, was er will und das Testament wird ausgelegt. Meine Erfahrung ist, dass die klassischen, selbst verfassten Testamente ungeheure Probleme mit sich bringen. Es sind viele Fehler darin, sie sind oft unklar. Damit wird für die Erben eine Lawine von Kosten und Ärger losgetreten. Sie laufen in Anwalts- und Gerichtskosten hinein, die sie erst einmal bezahlen müssen, bevor sie überhaupt an das Geld herankommen.

Wer weiß, dass er Erbe ist, muss einiges regeln. Was sollte man als Erbe unverzüglich tun?

In den Unterlagen des Verstorbenen sollte man nach einem Testament und nach Bankverbindungen, Lebensversicherungen und Unterlagen für Immobilien suchen. Ich rate, bei werthaltigem Nachlass, die Wohnung mit Wertgegenständen einmal komplett zu fotografieren, insbesondere Schmuck, Gold, Münzen und Briefmarken.

Dann sollte man nach einem Testament suchen und weiter nach Ordnern, in denen sich Unterlagen zu Geldanlagen, Immobilien, Lebensversicherungen, Sterbegeldversicherungen und Hinweise auf Vermögen im Ausland befinden. Die Miterben müssen informiert werden, ebenso die Bank. Diese stellt das Konto auf „Nachlasskonto“ um. Das bedeutet, dass nicht über das Konto verfügt werden darf, außer für die Kosten des Erbfalls, wie Beerdigung und noch nachtrudelnde Rechnungen von Krankenhaus, Pflegedienst oder Apotheken. Wenn möglich, also wenn die Zugangsdaten oder die PIN bekannt sind, empfehle ich, eine Übersicht über den Kontostand zu machen. Denn die Bank sagt den Erben noch nicht einmal den Kontostand, solange die Erbschaft nicht nachgewiesen ist. Das kann problematisch sein, wenn die Erbschaft gering oder gar überschuldet ist, denn man hat nur 6 Wochen ab Kenntnis Zeit, die Erbschaft auszuschlagen.

Frau Gerdien, vielen Dank für das Interview.

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