Dipl.-Ing. Bernhard Röhrle: Deutschland ist ein wasserreiches Land

Interview mit Bernhard Röhrle
Dipl.-Ing. Bernhard Röhrle ist Pressesprecher und Abteilungsleiter Öffentlichkeitsarbeit Zweckverband Landeswasserversorgung in Stuttgart. Mit ihm sprechen wir über mögliches Wasserproblem in Deutschland, sinkende Grundwasserspiegel sowie Entsalzung von Meerwasser.

Immer mehr Experten warnen vor sinkenden Grundwasserspiegeln. Stehen wir in Deutschland vor einem Wasserproblem?

Bernhard Röhrle: Der Klimawandel hinterlässt nicht nur in Bächen, Flüssen und Seen, sondern auch in den Grundwasservorkommen sicht- und messbare Spuren. So sanken im Verlauf der vergangenen Jahre die Grundwasserstände aufgrund der geringeren Niederschläge und der hohen Temperaturen an vielen Stellen in Deutschland, Quellen versiegten. Der hohe Trinkwasserbedarf hat diesen Effekt im Umfeld der Wassergewinnungsanlagen verstärkt. Umgekehrt kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zur Grundwasserneubildung in den Sommermonaten. Ein ungewöhnlicher Effekt, da diese normalerweise im Winterhalbjahr stattfindet, wenn es viel regnet, kalt ist und weniger Wasser verdunstet. In den vergangenen Wochen war dieses Phänomen infolge der heftigen Niederschläge besonders deutlich zu beobachten. Es ist also festzustellen, dass sich die Trinkwasserversorgung auf neue Randbedingungen einstellen muss, um die Versorgungssicherheit auch zukünftig zu jeder Zeit und an jedem Ort gewährleisten zu können. Nun muss geprüft werden, ob abhängig von der jeweiligen Situation Anlagen erneuert, ausgebaut oder besser vernetzt werden. Da Deutschland ein wasserreiches Land ist, können Probleme durch entsprechende Maßnahmen gering gehalten oder ganz vermieden werden.

Gefährden Pestizide im Grundwasser unsere Gesundheit?

Bernhard Röhrle: Pestizide gefährden immer unsere Gesundheit. Daher haben sie in den Gewässern und insbesondere im Grundwasser nichts verloren. Aufgrund der schützenden Funktion der Bodenschichten gibt es glücklicherweise nur vereinzelte Nachweise von Pestiziden im Grundwasser. In Deutschland wird das Trinkwasser zumeist aus Grundwasser gewonnen. Es unterliegt den strengen Qualitätskriterien der Trinkwasserverordnung. Diese sieht vor, dass Pestizide höchstens im Bereich der Nachweisgrenze enthalten sein dürfen. Insofern ist gewährleistet, dass das Trinkwasser zu jeder Zeit einwandfrei ist und keine gesundheitlichen Gefahren birgt. Dafür garantieren die Wasserversorgungsunternehmen. Es liegt in der Verantwortung der Anwender von Pestiziden und der Unternehmen, die Grundwasserressourcen so zu schützen, dass es zu keinen Pestizideinträgen kommt. Regelmäßige Wasseruntersuchungen an Grundwassermessstellen und an den Wassergewinnungsanlagen geben einen Hinweis auf mögliche Belastungen. Nach entsprechenden Funden hat die Landeswasserversorgung Stuttgart Klage gegen das Land zur Herausgabe von Spritzmitteldaten in den Wasserschutzgebieten eingereicht und vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim recht bekommen. Mit den vorliegenden Daten wird es möglich sein, gezielter und effizienter als bisher unerwünschte Stoffeinträge zu ermitteln und zu vermeiden. Diese Möglichkeit steht nun allen Wasserversorgungsunternehmen in Deutschland zur Verfügung.

Wasser ist essenziell zum Leben. Aber was ist Wasser aus finanzieller Sicht eigentlich wert?

Bernhard Röhrle: Die Kosten der öffentlichen Trinkwasserversorgung sind von den Kommunen und Unternehmen in der Regel so kalkuliert, dass keine oder nur geringe Gewinne erzielt werden. Daher ist Trinkwasser im Vergleich zu anderen Dingen des täglichen Lebens eher günstig. Der Aufwand pro Person für die tägliche Menge an Trink- und Abwasser von rund 120 Litern liegt bei ca. 50 Cent. Müssen die Wasserversorgungsunternehmen zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um die Wasserqualität zu sichern, indem sie Wasseraufbereitungsanlagen bauen, oder um die vorhandenen Anlagen zu erhalten und neue Anlagen zu bauen, wird sich der Wasserpreis erhöhen. Da Wasser elementar wichtig ist, sollte es uns allen etwas wert sein – vielleicht mehr wert als heute schon. In Zeiten des Klimawandels wird die Wertschätzung voraussichtlich weiter zunehmen. Wir sollten also noch sorgsamer als bisher schon damit umgehen.

Weltweit steigen die Temperaturen. Wird die Welt zur Wüste?

Bernhard Röhrle: Nach allem was wir wissen, wird sich der Klimawandel in einzelnen Regionen der Erde deutlich bemerkbar machen – wahrscheinlich noch deutlicher als bisher schon. Es wird spürbar wärmer, die Gletscher schmelzen, Wind- und Wasserströmungen verändern sich, Wetterextreme nehmen zu und zeigen sich immer deutlicher, wie zuletzt bei den Hochwasserereignissen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Die Welt wird wohl nicht zur Wüste werden, einzelne Regionen dagegen wahrscheinlich schon. Entscheidend ist aber die Frage, was passiert in den anderen Regionen der Erde und wie gehen wir mit den Folgen um. Deutschland ist bereits jetzt stärkeren Veränderungen ausgesetzt als in den Klimamodellen ursprünglich vorhergesagt. Die Frage ist, welche Konsequenzen und Maßnahmen ergreifen wir, um uns darauf einzustellen. Wir sind gut beraten, uns rasch und vor allem rechtzeitig Gedanken zu machen, unser Verhalten zu verändern und die Ursachen zu minimieren oder gar ganz zu vermeiden. Auf jeden Fall müssen wir schneller sein als der Klimawandel. Nur so haben wir eine Chance, die negativen Auswirkungen in Grenzen zu halten.

Es gibt ja auch technische Lösungen, Trinkwasser herzustellen. Ist die Entsalzung von Meerwasser eine Lösung?

Bernhard Röhrle: Die Entsalzung von Meerwasser ist eine Möglichkeit, Trinkwasser herzustellen. Sie ist technisch aufwändig und aufgrund des hohen Energiebedarfs sehr kostenintensiv. Deswegen kommt diese Technologie vor allem in wasserarmen und energiereichen Regionen der Erde zum Einsatz. Von Einzelfällen abgesehen findet diese Technologie in Deutschland kaum eine Anwendung. Wird die vorhandene Infrastruktur der Trinkwasserversorgung in Deutschland erhalten und den jeweiligen Anforderungen entsprechend angepasst und ausgebaut, ist mit der Gewinnung von Fluss- und Seewasser, das in der Regel aufbereitet wird, und von Grund- und Quellwasser die Versorgungssicherheit auf lange Sicht gewährleistet.

Herr Röhrle, vielen Dank für das Gespräch!

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