Nachhaltige Mobilität spart volkswirtschaftliche Kosten – Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies

Interview mit Olaf Lies
Olaf Lies ist niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. Wir sprechen mit ihm über die zukünftige Bedeutung von Wasserstoff im Verkehrswesen.

Wasserstoff soll zukünftig eine wichtige Rolle einnehmen. Wie kann Wasserstoff im Verkehr eingesetzt werden und wie energieeffizient sind Wasserstoff betriebene Autos?

Olaf Lies: Ich sehe Wasserstoff, insbesondere grünen – also mit erneuerbarem Strom mittels Elektrolyse erzeugter Wasserstoff – im Verkehr vor allem dort, wo wir mit der batterieelektrischen Mobilität nicht weiterkommen, weil die Batterien sonst zu groß und schwer werden würden. Das kann auf der Straße zum Beispiel der Fernlastverkehr sein, Fernbusse oder Spezialfahrzeuge, etwa für Straßenreinigung oder für die Abfallsammlung. Im Schienenregionalverkehr gibt es auch gute Einsatzmöglichkeiten für wasserstoffbetriebene Züge und zwar auf denjenigen Strecken, die heute nicht elektrifiziert sind und von denen wir wissen, dass sie auch künftig nicht elektrifiziert werden, weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt.

Und wir werden Wasserstoff mittel- und langfristig auch im Schiffs- und Flugverkehr einsetzen. Dass kann direkt sein oder in Form synthetischer Kraftstoffe, wie grünem Methanol oder grünem Kerosin. Tendenziell können wir also sagen, dass wir grünen Wasserstoff und daraus hergestellte Folgeprodukte  für diejenigen Mobilitätsanwendungen vordringlich einsetzen werden, bei denen wir größere Lasten über größere Entfernungen bewegen müssen. Das bedeutet natürlich im Umkehrschluss, dass der PKW-Bereich nicht zu den priorisierten Einsatzfeldern gehören wird. Hier steht uns mit den batterieelektrischen Fahrzeugen eine deutlich effizientere Technologie zur Verfügung. Und das ist entscheidend, denn am Ende zählt es doch, wie weit ich mit einer Kilowattstunde Wind- oder Sonnenstrom in meinem Auto komme. Bei Mittelklassewagen ist heute von einem durchschnittlich dreimal höheren Stromverbrauch bei Brennstoffzellen-Autos im Vergleich mit batterieelektrischen Autos auszugehen.

Wenn wir also darüber sprechen, dass wir mit begrenzt verfügbarem, erneuerbarem Strom nachhaltige Mobilität umsetzen wollen, dann geht das meiner Meinung nach nur, wenn wir jeweils die effizienteste Technologie einsetzen. Nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern am Ende auch aus Platz- und Kostengründen.

Fahrzeuge können auf zwei Arten Wasserstoff nutzen. Können Sie uns die beiden Arten einmal erklären?

Olaf Lies: Der direkte Einsatz von Wasserstoff im Verkehr kann einerseits über eine Brennstoffzelle und einen Elektromotor erfolgen. Die Brennstoffzelle setzt dabei die im Wasserstoff gespeicherte Energie elektrochemisch in elektrische Energie um, die vom Elektromotor in mechanische Energie zum Antrieb des Fahrzeugs umgewandelt wird. Andererseits ist es aber auch möglich, den Wasserstoff direkt in einem Verbrennungsmotor zu nutzen. Allerdings ist dies deutlich weniger effizient, außerdem entstehen bei der Verbrennung auch schädliche Stickstoffoxide. Diese Nutzungsart ist daher ineffizient und ökologisch wenig sinnvoll.

Beim Bau der Motoren unterscheidet sich der Wasserstoffmotor stark vom klassischen Verbrennungsmotor. Er benötigt andere Ressourcen, die bei einem Verbrennungsmotor nicht notwendig sind. Welcher Bedarf ergibt sich jetzt bei Rohstoffen und welche weiteren Umweltwirkungen gibt es?

Olaf Lies: Wasserstoff lässt sich ja auf zwei Arten in Fahrzeugen nutzen. Entweder er wird verbrannt, wie in herkömmlichen Verbrennern. Da unterscheiden sich die Materialien und Rohstoffe wenig. Die andere Möglichkeit ist, aus Wasserstoff mittels Brennstoffzelle Strom zu erzeugen. Solche Elektrofahrzeuge verfügen neben der Brennstoffzelle in aller Regel auch über Batterien. Vorteil dieser Wasserstofftechnologie ist, dass sie weniger Treibhausgase und beim Betrieb keine Schadstoffe ausstößt. Es entsteht Wasser. Bei der Herstellung werden Keramiken und Edelmetalle benötigt, die gewonnen werden müssen. Dafür sparen wir die Ölförderung mit all ihren Folgen. Und natürlich bedarf es für Rohstoffgewinnung weiteren Bergbaus. Umso wichtiger ist, diesen umweltverträglich zu gestalten und wo immer es geht Material effizient einzusetzen und zu recyclen.

Aktuell sind erst zwei Fahrzeugmodelle mit Brennstoffzelle in Deutschland erhältlich. Wo werden die Autos tanken können und welche Förderungen gibt es für Wasserstoffautos bereits heute?

Olaf Lies: Das Tankstellennetz befindet sich im Aufbau – da verpflichtet uns alleine bereits die EU zu. Dem kommt Deutschland nach. Auch bei uns gibt es mehr und mehr Tankstellen. Aktuell fördert der Bund über das BAFA elektrisch betriebene Fahrzeuge, das sind auch Brennstoffzellenfahrzeuge. Die Details finden sich unter www.bafa.de.

Vor allem die Klimaneutralität soll durch Wasserstofffahrzeuge gefördert werden. Doch wie fällt die Klimabilanz tatsächlich aus und wie viel spart die umweltfreundliche Alternative endgültig ein?

Olaf Lies: Die Klimabilanz von Wasserstofffahrzeugen ist im Wesentlichen abhängig von der Erzeugungsart des Wasserstoffs und von der Effizienz der gesamten Umwandlungskette, das heißt, zum Beispiel von Strom zu Wasserstoff und dann wieder zu Strom für den Elektromotor sowie darüber schließlich zur mechanischen Energie für den Fahrzeugantrieb – oder stattdessen über den deutlich ineffizienteren Verbrennungsmotor. Für eine positive Klimabilanz ist es also zum einen entscheidend, dass die für die Erzeugung, Komprimierung und Transport des Wasserstoffs eingesetzte Energie erneuerbar ist. Das würde zumindest den Betrieb eines Wasserstofffahrzeugs klimaneutral machen. Zum anderen ist es aber aufgrund der begrenzten Flächen für die Gewinnung erneuerbarer Energien auch wichtig, besonders effizient damit umzugehen und so möglichst schnell möglichst viel fossile Energieträger zu ersetzen. Das bedeutet, dass wir für eine möglichst positive Gesamtklimabilanz jeweils den effizientesten Nutzungspfad wählen müssen, der im Verkehrsbereich nicht immer zwingend über Wasserstoff geht.

Um Wasserstoff im Verkehr zu etablieren, müssen noch einige Schritte gegangen werden. Wie hoch würden die volkswirtschaftlichen Umstellungskosten auf Wasserstoff im Straßenverkehr ausfallen?

Ich bin davon überzeugt, dass uns die Umstellung auf eine nachhaltige Mobilität in erheblichem Maße volkswirtschaftliche Kosten einspart. Das sind nicht nur ökologische und gesundheitliche Folgekosten – also Kosten, die heute schon auf Grund der Folgen des Klimawandels sowie schlechter Luftqualität in den Städten die Volkswirtschaft jedes Jahr in Höhe von vielen Milliarden Euro belasten.

Spätestens mit Russlands Angriff auf die Ukraine sollte jeder und jedem klar geworden sein, in was für eine gefährliche Abhängigkeit wir uns bei fossilen Energien begeben haben. Die Ereignisse seit dem 24. Februar legen unsere eigene Verwundbarkeit und Erpressbarkeit schonungslos offen. Nicht nur im Straßenverkehr, sondern in allen Wirtschaftssektoren müssen wir möglichst schnell weg von fossilen Energieträgern und das geht nur mit erneuerbaren Energien und Effizienztechnologien. Natürlich erfordert das Investitionen, aber es sind Zukunftsinvestitionen, die unsere Freiheit schützen – und die unserer Kinder und Enkel.

Vielen Dank, Herr Lies.

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