Sybille Riepe: Die Elektrifizierung ist unausweichlich

Interview mit Sybille Riepe
Sybille Riepe ist Communication Manager bei H2 MOBILITY Deutschland GmbH & Co. KG in Berlin. Mit ihr sprechen wir über wichtige Rolle von Wasserstoff, Bau von Motoren sowie Förderung für Wasserstoffautos.

Wasserstoff soll zukünftig eine wichtige Rolle einnehmen. Wie kann Wasserstoff im Verkehr eingesetzt werden und wie energieeffizient sind Wasserstoff betriebene Autos?

Sybille Riepe: Die Elektrifizierung ist unausweichlich, um die Emissionen in der Mobilität zu senken. Neben der Batterietechnologie ist aber die Wasserstofftechnologie für die Verkehrswende erfolgskritisch. Denn die beiden Antriebsarten bilden ein Paar: Batterieelektrische Fahrzeuge mit kleineren Batterien bis 50 kWh Speicherkapazität und Reichweiten bis 250 Kilometern liegen in der CO2-Bilanz vor Brennstoffzellenfahrzeugen. Bei höheren Reichweiten ist aber die Treibhausgasbilanz der Wasserstofffahrzeuge besser. Der Grund: je größer die Batterie, desto mehr kritische Rohstoffe werden benötigt und desto mehr Energie bedarf die Produktion. Das gilt v.a. für schwere Fahrzeuge mit der ungünstigen Nebenwirkung, das große Batterien auch schwerer sind mit entsprechenden Auswirkungen auf die mögliche Zuladung. Man kann also mit einem Batterie-Lkw weniger transportieren und braucht entsprechend mehr Lkw! Davon abgesehen, kann keine andere Technologieform, die für die Dekarbonisierung einer Industriegesellschaft benötigte Menge an CO2-freien Strom speichern bzw. transportieren, denn Importe werden auch zukünftig notwendig sein. Der oft vermeintliche Effizienzvorteil von Batterien tritt in den Hintergrund. Denn bereits heute nutzen wir ca. 80% unserer Energie in Form von Molekülen (z.B. Gas, Öl). Wenn wir morgen nur regenerative Energie nutzen wollen, werden wir noch immer das Molekül brauchen, um die Chemie und Industrie zu dekarbonisieren, erneuerbare Energie über lange Strecken zu transportieren und Überschüsse zu speichern, um ausreichend Energie auch für Dunkelflauten vorzuhalten. Strom bzw. das Elektron wird diese nicht lösen können. Wasserstoff (H2) wird deshalb Bestandteil unseres Energiesystems sein müssen. Einen nicht unerheblichen Teil werden wir zurückverstromen müssen. Auch um damit Batterieautos zu laden. Spätestens dann ist der Effizienzvorteil von Batterien im Auto obsolet.

Fahrzeuge können auf zwei Arten Wasserstoff nutzen. Können Sie uns die beiden Arten einmal erklären?

Sybille Riepe: Zu unterscheiden ist der Wasserstoffverbrennungsmotor und die Brennstoffzelle, die aus Wasserstoff und Sauerstoff elektrische Energie erzeugt und dann einen Elektromotor antreibt. Als Nebenprodukte entstehen Wärme, die das Fahrzeug in den kalten Jahreszeiten heizen kann, und als einziges „Abgas“ chemisch reines Wasser. Der Wasserstoffverbrennungsmotor wandelt chemische Energie in mechanische Arbeit und Wärme um. Grundlage ist die Knallgasreaktion (Verbrennung von Wasserstoff) in einem Hubkolben- oder Rotationskolben-Verbrennungsmotor. Der Wirkungsgrad des Wasserstoffmotors ist wesentlich ungünstiger als der einer Brennstoffzelle. Aus dem Grund baut H2 MOBILITY Deutschland ausschließlich Wasserstofftankstellen zur Versorgung von Wasserstoff-Pkw, – Bussen und Nutzfahrzeugen mit Brennstoffzelle und Elektromotor. Bisher setzen nur wenige Hersteller auf den H2-Verbrenner.

Beim Bau der Motoren unterscheidet sich der Wasserstoffmotor stark vom klassischen Verbrennungsmotor. Er benötigt andere Ressourcen, die bei einem Verbrennungsmotor nicht notwendig sind. Welcher Bedarf ergibt sich jetzt bei Rohstoffen und welche weiteren Umweltwirkungen gibt es?

Sybille Riepe: s.o.

Wasserstoffmobilität ähnelt der Elektromobilität mit Batterien. Die Batterie speichert elektronische Energie, mit dem Energieträger Wasserstoff wird in der Brennstoffzelle Energie erzeugt. Beide treiben einen Elektromotor an. Wenn es um Ressourcen geht, wäre der Vergleich H2 – Batterie sinnvoller. Entsprechend meine Antwort. Batterien sind Material intensiv. Das Material stammt v.a. nicht aus Deutschland. Einige Rohstoffe sind selten, begrenzt, können nur mit erheblichen Eingriffen in die Umwelt abgebaut werden, sind nur in unsicheren Regionen vorhanden oder werden nicht sozial verträglich gehoben. Für Wasserstoff brauchen wir „nur“ weiterhin Platin – in etwa der gleichen Menge, wie wir Platin auch heute für Katalysatoren benötigen. Volkswirtschaftlich betrachtet, bietet die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie darüber hinaus auch einen erheblichen Vorteil, weil der Materialanteil bei den Batteriekosten ca. 60% ausmachen, die v.a. ins Ausland wandern, bei der Brennstoffzelle sind nur 30%. Der Rest ist Ingenieursleistung – etwas, das wir in Deutschland gut können.

Aktuell sind erst zwei Fahrzeugmodelle mit Brennstoffzelle in Deutschland erhältlich. Wo werden die Autos tanken können und welche Förderungen gibt es für Wasserstoffautos bereits heute?

Sybille Riepe: Ein wenig mehr gibt es schon noch 😊 Siehe hier: https://h2.live/wasserstoffautos/ Außerdem gibt es die ersten Lkw von Toyota und Hyundai, divers Busse und den Müllsammler von FAUN. Wo man tanken kann, können Sie hier sehen: www.h2.live.

Man unterscheidet zwischen 700 bar und 350 bar. E mehr bar, desto mehr H2. Bei einigen Lkw und auch Bussen, die den Speicher auf dem Dach haben, reichen 350 bar. Für Förderung siehe hier: www.now-gmbh.de hier werden alle veröffentlicht.

Vor allem die Klimaneutralität soll durch Wasserstofffahrzeuge gefördert werden. Doch wie fällt die Klimabilanz tatsächlich aus und wie viel spart die umweltfreundliche Alternative endgültig ein?

Sybille Riepe: Siehe meine Antwort zur Frage 1. Für mehr Infos verweise ich auf die Studie https://h2.live/wp-content/uploads/2021/02/ISE_Ergebnisse_Studie_Treibhausgasemissionen.pdf

Um Wasserstoff im Verkehr zu etablieren, müssen noch einige Schritte gegangen werden. Wie hoch würden die volkswirtschaftlichen Umstellungskosten auf Wasserstoff im Straßenverkehr ausfallen?

Sybille Riepe: Und noch eine Studie: https://h2.live/wp-content/uploads/2021/02/Infrastrukturstudie_Julich.pdf

Hier die Zusammenfassung der Autoren des FZJ: „Die Analyse der Szenarien zeigt, dass die Investitionen in den Infrastrukturausbau für beide Technologiepfade bei geringen Fahrzeugbeständen bis hin zu einigen Hunderttausend nahezu gleich sind. In der Übergangsphase erfolgt die Umstellung der Wasserstofferzeugung auf die ausschließliche Nutzung von regenerativem Überschuss-Strom, welche durch den Bau von saisonalen Wasserstoffspeichern zur Überbrückung von 60 Tagen flankiert wird. Das Konzept ermöglicht die Versorgung mit grünem Wasserstoff. In der Anfangsphase sind hierfür höhere Investitionen erforderlich als bei der Ladeinfrastruktur. Für das Laden der Batterie-Fahrzeuge ist in der Studie keine saisonale Stromspeicherung in der Stromversorgung berücksichtigt, die für eine sichere Versorgung mit 100 % erneuerbarem Strom notwendig wäre. Vergleicht man die kumulierten Investitionen beider Konzepte für eine hohe Marktdurchdringung von 20 Mio. Fahrzeugen, liegen die Investitionen für eine Ladeinfrastruktur mit rund 51 Mrd. € deutlich höher im Vergleich zur Wasserstoff-Infrastruktur mit rund 40 Mrd. €. Für den Verkehrsbereich ist zu schließen, dass beide Infrastrukturen wichtige Bausteine sind, um klimaverträgliche, saubere und erneuerbare Verkehrskonzepte zu realisieren. Eine intelligente und komplementäre Kombination aus beiden Infrastrukturen kann die Stärken der Wasserstoff-Infrastruktur mit den Stärken des elektrischen Ladens verbinden und weniger zukunftsfähige Einzellösungen mit geringerer Systemfähigkeit oder Effizienz vermeiden.“ Wasserstoff ist im Umfeld der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) der Bundesrepublik Deutschland und deren europäischem Pendant, dem European Green Deal zu einem zentralen Baustein der Wirtschafts-, Energie- und Verkehrspolitik geworden. H2 ist als Energieträger „gesetzt“. Im Bereich der Mobilität rücken schwere Fahrzeuge, wie Lkw oder Bussen in den Mittelpunkt und hier scheint sich Wasserstoff durchzusetzen. Und wir sind davon überzeugt, dass sich, sobald die Brennstoffzellenproduktion hochläuft und damit günstiger wird, auch der Pkw-Markt anschließt. (Allein Toyota hat für die neue Modellgeneration des neuen Mirai II mit einer Jahresproduktion von 30.000 Exemplaren begonnen. Hyundai strebt einen ähnlich großen Skalierungsschritt an.) Denn immer wenn Entfernung, Tankzeit oder Gewicht eine Rolle spielen ist H2 einfach die bessere, sauberere und volkswirtschaftlich sinnvollere Option.

Frau Riepe, vielen Dank für das Gespräch!

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