Julian Schmeing und Cédric Lüscher: NFTs werden den klassischen Kunstmarkt sicherlich nicht ersetzen

Interview mit Julian Schmeing
Julian Schmeing ist Manager und Cédric Lüscher ist Consultant bei zeb. Mit den beiden reden wir über NFT´s, Einsetzbarkeit sowie Anwendungsmöglichkeiten.

Alle Welt spricht zur Zeit von NFTs, sogenannte „Non-fungible Tokens“. Was sind Non-Fungible Tokens genau?

Julian Schmeing: Ein NFT (Non Fungible Token) ist ein digital repräsentierter Vermögenswert, welcher auf der Blockchain abgebildet wird und im Gegensatz zu einem fungiblen Token (z.B. Bitcoin) aufgrund seiner Einzigartigkeit nicht austauschbar, duplizierbar, zerstörbar oder ersetzbar ist. Der Käufer eines NFTs erwirbt beim Kauf eines NFTs also das Recht auf einen einmaligen, originären digitalen Vermögenswert. Mögliche Dateiformate von NFTs umfassen z.B. .jpg, .png, .mov usw.

Beispiel non-fungibles Gut: z.B. ein Bild – die Mona Lisa. Alternativ im digitalen Raum: digital erschaffenes Kunstwerk, z.B. ein GIF. 

Beispiel für ein fungibles Gut: EUR Bargeld kann getauscht werden, ohne dass eine Person im Leben die gleiche 1 Euro Münze zweimal sieht. Der Person ist es auch egal, da jede 1 EUR Münze den gleichen Wert hat.

Was bringt der Besitz von NFTs und welche Anwendungsbereiche gibt es für diese, wenn jeder doch quasi ein individuelles Sammlerstück ist?

Cédric Lüscher: NFTs können vielseitig eingesetzt werden und bergen überall dort Potenzial, wo ein digitales Echtheitszertifikat von Relevanz ist. Anwendungsmöglichkeiten gibt es darum primär in zwei Bereichen:

– Digitale Kunst wie Musik, Animationen, Videos, Tweets, Comics, Sammleralben, Videospiele

– Behördliche Dokumente & Ausweise, wie Reisepässe, Impfdokumente, Zeugnisse

Im Sportbereich: Erweiterung des Leistungsangebots und Marketinginstrumentariums im Sinne von digitalen Paninikarten. Beispielsweise erstellen etwa der VFL Wolfsburg in Deutschland, PSG in Frankreich oder auch diverse Basketballclubs in den USA NFTs zu einzelnen (animierten) Spielermomenten.

Cédric Lüscher

Im Gaming: Effiziente Art und Weise in Videospielen einzigartige virtuelle Waren zu kaufen, z.B. in virtuellen Welten, wenn man aufgrund des Erreichens eines bestimmten Levels eine neue Rüstung freischaltet, oder wenn man bei der Exploration einer Welt auf seltene Güter stößt. Interessante ist indes auch, dass in-game NFTs bei der Schließung eines Games aufgrund der Speicherung auf der Blockchain relativ einfach auf ein anderes Game übertragen und erneut verwendet werden können. Dies ist bei den meisten heutigen Spielen mit zentralisierten Servern nicht der Fall.

Musikbranche / Kunst: effiziente globale Vermarktung von Werken ohne den kritischen Umweg über Galeristen gehen zu müssen. Über eingebaute Smart Contracts lassen sich zudem gewisse Ereignisse automatisieren, so etwa die Bezahlung von Tantiemen bei einem Weiterverkauf. Beispiele: Kings of Leon oder Fynn Kliemann.

Erklären Sie doch einmal bitte, wie man in den Besitz von NFTs kommt?

Julian Schmeing: Einen NFT kann man entweder 1) selbst erschaffen oder aber 2) entgeltlich auf Primär- oder Sekundärmärkten erwerben. Beide Aktivitäten sind auf dezentralierten Marktplätzen, resp. Plattformen wie z.B. Opensea.com oder Veve.me, möglich. Marvel Studios veröffentlicht z.B. auf Veve.me regelmäßig NFT zu den Marvel Filmen. 

1) Ein Künstler kann ein Musikstück oder auch eine digitale Zeichnung auf der Plattform hochladen und in einigen wenigen Schritten selbstständig ein dazugehöriges NFT erstellen. Dabei wird nicht das Kunstwerk selbst in der Blockchain gespeichert, sondern mittels Hashfunktion lediglich die dazugehörige Signatur.

2) Beim Kauf eines NFTs erwirbt man also auch nicht das Kunstwerk an sich, sondern die dazugehörige digitale Signatur. Letztere wird dann in einem Wallet wie Metamask abgespeichert.

Warum treten so viele Experten dem NFT-Hype kritisch entgegen?

Cédric Lüscher: NFTs als digitalisierte Einzelstücke weisen einen hohen Abstraktionslevel auf und haben einen hohen Erklärungsbedarf. Dies insbesondere aufgrund der umständlichen Terminologie, dem Umstand, dass hinter einem NFT kein physisches Gut stecken muss und NFTs auch in x-beliebigen Formen vorkommen können (Videos, Animationen, Bilder, usw.).

Daneben entsteht der Wert von NFTs, ähnlich wie bei physischen Kunstwerken, über die Rarheit, Echtheit und dem subjektiv zugemessenen Wert. Dabei wird aber oftmals kritisiert, dass die Rarheit von NFTs in Tat & Wahrheit nur künstlich aufgebläht wird. Denn es gilt: NFTs sind sehr schnell erstellt. Beispielsweise kann man in der digitalen Welt innerhalb von Sekunden X-Versionen eines Wal-Abbildes erschaffen, während ein Maler in der physischen Welt u.U. Jahre mit dem Malen dergleichen verbringen würden. Hinter dem NFT steht also nicht direkt ein Handwerk und auch nicht unbedingt ein Geschäftsmodell. NFTs repräsentieren wie Kunst also oft einen brachliegenden Vermögenswert.

Zudem ist das Geschäft mit NFTs aktuell nur geringfügig reguliert und es gibt keine überwachten Handelsplätze. Man darf daher davon ausgehen, dass sich Regulatoren künftig schon bald auch diesem Thema widmen müssen.

Kritiker bemängeln daneben den hohen Energieaufwand, welcher bei NFT-Transaktionen zustande kommt. Die meisten NFTs basieren auf der Ethereum-Blockchain. Mit dem Wechsel des Consensus-Algorithmus von Proof of Work auf Prook of Stake sollte sich dies aber schon bald verbessern.

Könnten diese speziellen Token das Kunstsammeln der Zukunft sein?

Julian Schmeing: NFTs werden den klassischen Kunstmarkt sicherlich nicht ersetzen. Das Sammeln und Handeln von digitaler Kunst sind eher als komplementäre Dimension zu verstehen. Sotheby’s hat beispielsweise auch schon Auktionen für NFTs durchgeführt.

Ähnlich wie man das aus der physischen Kunstwelt kennt, leitet sich der Wert eines NFTs dabei nicht nur aus der digitalen Knappheit und Einzigartigkeit ab, sondern insbesondere auch aus dem individuellen Nutzen und dem emotionalen Wert, der mit einem NFT in Verbindung gesetzt wird, ab. Bei der individuellen Wertbemessung eines physischen und digitalen Vermögenswertes gibt es also viele Parallelen.

Was würden Sie sagen: Sind NFTs als rentable Geldanlage oder eher als riskante Spielerei einzuschätzen?

Cédric Lüscher: Als Ergänzung zu einem bestehenden Portfolio und Investment in eine alternative Anlageklasse ist das durchaus möglich. Die Frage lässt sich generisch aber nicht beantworten. Jede Anlageklasse, auch Digital Assets und damit NFTs, sind mit einem bestimmten Risiko-Rendite Profil unterlegt. Wer aufgrund seiner Risikofähigkeit und Risikobereitschaft nicht mit dem entsprechenden Profil umgehen kann, sollte die Anlageklasse auch meiden. Für alle anderen, können NFTs durchaus interessant sein.

Insbesondere wenn es gelingt durch zielführende regulatorische Rahmenbedingungen, die rein technischen Risiken für Investoren zu minimieren, kann durchaus ein interessanter Markt entstehen. Denn in einer zusehends digitalisierten Welt suchen Menschen auch nach Möglichkeiten sich im digitalen Umfeld, z.B. auf Twitter oder Instagram, mit einzigartigen Statussymbolen zu individualisieren. Der Erwerb eines NFTs bietet dazu eine interessante Möglichkeit.

Herr Schmeing und Herr Lüscher, vielen Dank für das Gespräch!

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