Klassische Push-Strategie ist überholt, ineffektiv und ineffizient – Markus Milz (Milz & Comp. GmbH)

Interview mit Markus Milz
Markus Milz ist Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Milz & Comp. GmbH. Der Mittelstandsexperte und sein Consultant-Team bieten Beratung, Konzeption, Umsetzung und Schulung aus einer Hand und sind hierbei spezialisiert auf die Themen Strategie, Vertrieb und Führung. Im Interview spricht er über seine Passion für Vertrieb sowie Lösungen, um versteckte Bremsen im Unternehmen zu entdecken und an den richtigen Stellschrauben zu drehen. 

Neukundengewinnung ist die größte Herausforderung für viele Unternehmen. Was sind die wichtigsten Basics für einen erfolgreichen Vertrieb?

Markus Milz:Peter Drucker hat einmal gesagt: „Es gibt nichts Sinnloseres, als mit großer Effizienz etwas zu tun, was gar nicht hätte getan werden sollen.“
Nach diesem Ansatz verfolgen wir alle unsere Strategien – nicht nur im Vertrieb. Erstens ist es wichtig, effektiv zu sein, d.h. die richtigen Dinge zu tun. Erst anschließend gilt es diese richtigen Dinge richtig zu tun, d.h. effizient zu sein. Das geht vor allem dann, wenn das Unternehmen inklusive aller Mitarbeiter an einem Strang ziehen und auf eine einheitliche Vision hinarbeiten. „Für den Kapitän, der seinen Zielhafen nicht kennt, weht kein Wind günstig.“ Darum: Das Ziel sollte zuerst stehen – erst auf dieser Basis gibt es eine Grundlage zu prüfen, ob die definierten Maßnahmen überhaupt die richtigen sind. Und dies gilt unabhängig davon, ob man über Neukundenakquise, Bestandskundenbetreuung, Anfragemanagement oder einen der zahllosen anderen Vertriebsprozesse spricht.

Welche sind die wichtigsten Vertriebskanäle?

Markus Milz:Das ist pauschal tatsächlich schwer zu beantworten, weil es zahlreiche Kanäle zur Kundenakquise gibt – ich alleine kenne etwa 80 Wege zu neuen Kunden und Projekten und ich bin mir sicher, dass es noch mehr viel gibt, von denen ich nicht weiß. Das Wesentliche ist hier – so machen wir es in unsere eigenen Strategie als auch in unseren Kundenprojekten – dass man wie bei Frage 1 erläutert nicht alle bedienen muss, sondern die  5 oder 6 aussucht, die auf die Kundengruppe, die Branche, die vorhandenen Mitarbeiter und zum Unternehmen passen, sprich: effektiv sind.

Auf jeden Fall halte ich persönlich die klassischen alten Push-Strategie wie Kaltakquise durch den Außendienst, Telefonakquise oder gar das Ausstellen auf Messen für überholt und vor allem sowohl ineffektiv als auch ineffizient.

Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass vor allem Multiplikatoren eine große Rolle bei der Neukundengewinnung spielen und dieser Ansatz zu wenig betrachtet wird. Was das Anbahnen von Kundenbeziehungen angeht, so sind hier viele Pull-Strategien (Online-Marketing wie SEO, SEA, Funnel-Marketing u.v.a.m.) zu nennen, die alle darauf abzielen, dass der Kunde mich findet, anstatt dass ich den Kunden finde. Social Media Marketing bzw. Social Selling gewinnt – zu Recht – immer mehr an Bedeutung, ebenso wird nach wie vor auf ein systematisches aktives Empfehlungsmanagement, z.B. mit Hilfe des Net Promotor Scores sowie auf ein dezidiertes Kampagnenmanagement viel zu wenig Wert gelegt.

Wie kann man die relevanten Vertriebskanäle für das eigene Unternehmen identifizieren?

Markus Milz:Das kommt ganz auf das Unternehmen und sein Umfeld an. Beispielsweise wäre es bei Startups recht mühsam, bestimmte Zielgruppen individuell und einzeln anzusprechen, wenn die Ressourcen noch recht knapp sind – „Push“-Maßnahmen sind hier also nicht besonders effizient. In solchen Fällen sollte man eher von der Globalisierung und Digitalisierung profitieren – d.h. die „Pull“-Maßnahmen weltweit erweitern und das meiste hier rausholen. Man kann also die ganze Welt auf sich aufmerksam machen.

Wir gehen in unseren Projekten so vor, dass wir in einem zweitägigen Workshop alle möglichen Vertriebskanäle – geclustert in die drei Äste „Muliplikatorenvertrieb“, „Pull-Strategien“ und „Push-Strategien“ – einer Kurz- oder Grobbewertung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit unterziehen, um dann anschließend die wenigen als effektiv bewerteten Kanäle in einem detaillieren Prozess abzubilden, um das Vertriebsteam anschließend darauf zu trainieren, zu coachen.

Vertrieb ist eine herausfordernde Tätigkeit. Welche Eigenschaften sollte ein guter Verkäufer mitbringen?

Markus Milz:Mittlerweile muss jeder Verkäufer anpassungsfähig sein – die Welt ändert sich, Kunden ändern sich und daher muss sich der Vertrieb auch ändern. Wenn die Kunden immer anspruchsvoller werden, und immer besser informiert sind, hilft „Überreden und Aufschwatzen“ (oder „anhauen, umhauen, abhauen“) nicht – abgesehen davon, dass es schon immer unethisch gewesen ist. Der Vertriebler muss nicht mehr nur das Produkt „an den Mann“ bringen, sondern dem Kunden bei (mehr und mehr strategischen) Entscheidungen helfen. Er sollte ein Challenger-Mindset haben – das heißt, er verkauft dem Kunden keine Produkte oder Lösungen mehr, sondern betreibt Knowhow-Selling. Er verkauft dem Kunden Erkenntnisgewinne, überrascht den Kunden, provoziert mit seinem Wissen und stellt unbequeme Fragen – weil er kein Produkt verkaufen will, sondern den Kunden vorantreiben.

Wenn ich Unternehmen berate, welchen Skillset Leistungsträger generell mitbringen sollte, so haben wir hier ein bestimmtes Abprüfen von Kriterien entwickelt, der sich grob wie folgt darstellt – und zwar in der Reihenfolge:

1. „Leidenschaft“: Kommt jemand der Aufgabe wegen, sehe ich „das Funkeln in seinen / ihren Augen“, hat er oder sie „richtig Bock auf die Aufgabe“ – oder aus monetären Gründen? Jemand, der für Geld kommt geht auch für Geld wieder.

2. Erfüllt er/sie bestimmte „k.o.-Kriterien“: Besitzt jemand die nötige Grundintelligenz, Motivation, Integrität, Loyalität?

3. Passt er/sie ins Team, zur Kultur, stimmt die Chemie? Hätte ich Lust, nach einem gemeinsamen verbachten Tag im Auto oder Zug mit dem Kollegen / der Kollegin an der Hotelbar noch etwas trinken zu gehen?

Können alle drei Fragen mit „ja“ beantwortet werden, so passt der Kollege. Und zwar unabhängig davon, ob er/sie die fachlichen Voraussetzungen erfüllt. Denn, wie Josef Ackermann einmal sagte: „Eine Persönlichkeit kann alles lernen. Aber Persönlichkeit kann man nicht lernen.“ Ist jemand intelligent und motiviert genug zu lernen, kann ich ihm alle notwendigen Skills beibringen. Umgekehrt funktioniert dies nicht.

Wie können Unternehmen ihren Vertrieb optimal unterstützen und ausbilden?

Markus Milz:Indem sie den Vertrieb systematisch machen. Mein neues, am 20. August 2020 erscheinendes Buch, handelt genau davon. Oft ist es so, dass Vertrieb „aus dem Bauch“ geschieht und es keine festgelegten Prozesse gibt. Dabei geht sehr viel Vertriebspotenzial verloren. Indem Unternehmen klare Vertriebsprozesse definieren, wie Best-Practice-Prozesse in allen Kernvertriebsprozessen, können Effizienzpotenziale aufgedeckt und optimiert werden. Es reicht bei weitem nicht, nach dem „Gießkannenprinzip“ auszubilden. Es gilt, jeden dort abzuholen wo er sich gerade befindet. Führungskräfte im Vertrieb haben die Aufgabe, ein System sicherzustellen, in dem alle Mitarbeiter exakt wissen, was sie tun SOLLEN, dies auch KÖNNEN, WOLLEN und auch TUN. In meinem aktuellen Buch habe ich diese Form von systematischem Vertrieb „Sales Champions System für Führungskräfte“ genannt.

Welche Methoden können den Erfolg von Vertriebsteams steigern?

Markus Milz:Ein tolles Tool, das wir schon lange einsetzen und auch immer wieder ans Herz legen ist die Buying Center Analyse, um nur eines zu nennen. Wir möchten effizient und effektiv arbeiten – dies setzt voraus, dass wir auch immer mit den richtigen Ansprechpartnern sprechen. Die richtigen Ansprechpartner bilden das Entscheidungsgremium – alle jene, die also die Entscheidung beeinflussen können. Dann gilt es, das Gespräch auf den jeweiligen Ansprechpartner anzupassen und die relevanten Argumente hervorzuheben. Es gibt noch zahlreiche weitere Methoden und Werkzeuge, die den Erfolg im Vertrieb steigern können – nicht umsonst haben wir einen Seminarkatalog mit über 80 Modulen, die man im Vertrieb einsetzen kann. Das Wichtigste ist zu wissen, wann welches Werkzeug/welche Methode eingesetzt werden sollte und sie dann auch zu beherrschen; wir haben hierzu die Idee und den Begriff unserer SALESTOOLBOX geprägt, den mittlerweile viele unserer Kunden einsetzen.

Was hilft gegen Demotivation und der „Angst vor dem Nein“?

Markus Milz:Die „Angst vor dem Nein“ ist oft mit der Preisverhandlung mit dem Kunden verbunden. Besser als Preise verhandeln ist es aber, gar nicht erst dazu kommen zu lassen. Je später der Kontakt zum Kunden ist, desto weniger Einfluss hat man – ein Lieferant nimmt beispielsweise nur eine Bestellung entgegen. Ist man jedoch ganz am Anfang des Beschaffungsprozesses mit dabei, kann man strategischer verkaufen und den Kunden bei Ihrer Lösungssuche begleiten und steuern. Der „härteste Verhandlungsgegner“ ist nur im seltensten Falle mein Kunde oder mein Gesprächspartner – sondern das kleine, mich behindernde Männchen in meinem eigenen Kopf, meine eigene Einstellung. Wie heißt es in dem chinesischen Sprichwort so schön:

„Deine Gefühle werden Gedanken.
Deine Gedanken werden Worte.
Deine Worte werden Handlungen.
Deine Handlungen werden Gewohnheiten.
Deine Gewohnheiten werden Dein Charakter.
Dein Charakter wird Dein Schicksal.“

Welchen Ratschlag würden Sie jedem Vertriebler mit auf dem Weg geben?

Markus Milz:„Intelligenter“ Vertrieb heißt manchmal auch mal Nein zu sagen und seine Ressourcen effizient einzusetzen. Nicht jede Anfrage ist relevant – hier gilt es, die mit großem Potenzial zu selektieren. Grundsätzlich sollte man nicht seine Zeit verschwenden bei jeder Anfrage direkt ein Angebot rauszuschicken – sondern man sollte immer zuerst ein Vorangebotsgespräch führen.

Herr Milz, vielen Dank für das Gespräch.

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