Dr. Alexander Nichau und Dr. Siamak Akbarzadeh: Smart Factory

Interview mit Dr. Alexander Nichau
Dr. Alexander Nichau ist Managing Partner bei niologic. Dr. Siamak Akbarzadeh ist Head of Smart Manufacturing, ebenfalls bei niologic. Mit ihnen sprechen wir über Smart Factory, KMU sowie Digitalisierung.

Viele denken an Fließbänder, große Maschinen und Roboter, wenn sie den Begriff Smart Factory hören. Aber was genau ist eigentlich eine Smart Factory?

Dr. Alexander Nichau: Es gibt einige Unterschiede in der Definition von Industrie 4.0, Smart Manufacturing, Digital Factory, Intelligent Factory und Smart Factory. In den Medien und in der öffentlichen Diskussion werden sie jedoch häufig synonym verwendet. Der Begriff Industrie 4.0 wurde erstmals auf der Hannover Messe im Jahr 2011 geprägt. Die Kernelemente der Industrie 4.0 sind Digitalisierung, industrielle Automatisierung und cyber-physische Systeme, bei denen eingebettete Computer und Netzwerke die physischen Anlagen wie Roboter und Prozesse mit Feedbackschleifen überwachen und steuern.

Dr. Siamak Akbarzadeh: Dies wurde jedoch durch die rasante Entwicklung von Technologien wie 5G-Konnektivität, Internet of Things (IoT), Cloud Computing, Künstliche Intelligenz (KI), Maschinelles Lernen (ML), Big Data und moderne Produktionstechniken wie additive Fertigung (z.B. 3D- und 4D-Druck) weiter vorangetrieben. Infolgedessen hat das Konzept die Industrie weltweit revolutioniert. Im Prinzip bedeutet Smart Factory den Einsatz von Computersteuerung, Modellierung, Big Data und anderen Automatisierungssystemen zur Verbesserung der Fertigungsautomatisierung und -effizienz. Allerdings bedeutet Smart Factory nicht, dass alle Aufgaben und Vorgänge ohne menschliche Arbeitskräfte erledigt werden können. Die Hersteller können ihre vorhandenen Arbeitskräfte nutzen und sie erfolgreich für die neuen Technologien aus- oder weiterbilden.

Warum betreiben KMU häufig keine professionelle und systematische Prozessoptimierung?

Dr. Siamak Akbarzadeh: Eine echte Prozessoptimierung ist nur dann möglich, wenn Sie über Daten und Kenntnisse aus allen Bereichen Ihres Betriebs verfügen. Vom Anfang bis Ende. Viele KMU erheben diese Daten entweder nicht oder nur unvollständig. Viele Abteilungen kommunizieren zum Beispiel nicht miteinander. Infolgedessen sind ihre Daten vom Rest des Unternehmens isoliert. Wir nennen dieses Phänomen Datensilos. Infolgedessen ist ihre Optimierung immer bestenfalls unvollständig und liefert nicht das erwartete Ergebnis.

Experten betonen, dass Prozesse durch Smart Factory hauptsächlich beherrschbarer werden. Welche Vorteile hat die Smart Factory noch und wie profitieren vor allem KMU von der Optimierung?

Dr. Alexander Nichau: Manager können die Informationen von Maschinen und Fertigungsprozessen für eine bessere Kontrolle nutzen. Alle Ergebnisse fließen dabei in ein zentrales System. Wir haben z.B. mit Google Cloud gemeinsam ein Smart Factory Framework erstellt, in dem wir 250 verschiedene Maschinenprotokolle und Hersteller innerhalb weniger Tage anbinden können. Wir glauben, dass das für den Energie- und Rohstoffeinsatz eine sinnvolle Erweiterung für Adhoc-Verbesserungen jenseits langwieriger MES-Einführungen sein wird.

Dr. Siamak Akbarzadeh: Es gibt jedoch noch weitere Vorteile, die die Smart Factory bietet. Zum Beispiel können sie die Daten nutzen, um die Prozesse in Durchsatz und Ausbeute (Yield) zu optimieren. Oder sie können ihre Wartungskosten und ihren Aufwand mit fortschrittlichen Techniken des maschinellen Lernens reduzieren. Diese Lösungen ermöglichen es den Herstellern, Kosten zu senken und ihre Anforderungen zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks zu erfüllen.

Dr. Alexander Nichau: Darüber hinaus erhöhen sie ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit (Resilienz) an Marktanforderungen und Katastrophen wie die Corona-Pandemie und den aktuellen Krieg in der Ukraine. Wir wissen, dass sich diese Ereignisse auf die Lieferketten fast aller Hersteller ausgewirkt haben.

Für viele Unternehmen ist die Digitalisierung inzwischen Thema Nummer eins. Doch ist es wirklich notwendig sich als Unternehmen von klassischen, funktionierenden Prozessen zu trennen?

Dr. Siamak Akbarzadeh: Vielleicht sollten wir statt einer Revolution eher eine industrielle Evolution anstreben. Der Wandel muss nicht auf abrupt stattfinden. Es ist ein Prozess. Man kann auf den vorhandenen Anlagen und Prozessen aufbauen. Und die Umstellung kann mit einer minimalen Unterbrechung der laufenden Produktion erfolgen. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass die Hersteller die neuen Technologien annehmen sollten. Andernfalls würden sie den Markt an ihre effizienteren, digitalisierten Konkurrenten verlieren. Im Zeitalter von Information, Internet und Big Data sind die Marktführer diejenigen, die die Anforderungen ihrer Kunden verstehen und neue Technologien für eine effiziente Produktion nutzen.

KMU haben zunehmend Probleme aufgrund von limitierten Ressourcen. Was glauben Sie, wie sich das Konzept einer Smart Factory in den KMU umsetzen lässt?

Dr. Alexander Nichau: Unserer Erfahrung nach haben viele KMU Angst vor dieser Umstellung, weil sie keine richtige Strategie für diesen großen Umbruch und große Bedenken bezgl. Informationssicherheit haben. Wenn wir solche Projekte mit unseren Kunden beginnen, ermutigen wir sie, gemeinsam mit uns eine Roadmap und einen Strategieplan zu erarbeiten. Zunächst bewerten wir gemeinsam den aktuellen Status des Unternehmens, seine Tätigkeiten, Ressourcen und operativen Fähigkeiten. Dann klären wir in einem integrierten Team mit dem Kunden alle Fragen nach IT- und Informationssicherheit, um sicher und mit Zuversicht in dieses Projekt zu starten.

Dr. Siamak Akbarzadeh: Auf dieser Basis entwickeln wir dann einen strategischen Fahrplan für die Umgestaltung, der ein Coaching und den Aufbau qualifizierter Teams umfasst. Und mit der agilen Managementmethodik erfolgt die Konzeption, Umsetzung und Bewertung von Projekten in iterativen und kleinen, kosteneffizienten Schritten.

Herr Dr. Nichau und Herr Dr. Akbarzadeh, vielen Dank für das Gespräch!

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