Carolin Tsalkas: Die ultraleichte Geldpolitik der Notenbanken

Interview mit Carolin Tsalkas
Wir sprechen mit Frau Carolin Tsalkas, Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der HONESTAS Finanzmanagement GmbH aus Hamburg, über Entwicklungen auf den Finanzmärkten.

Die großen Indizes Dow Jones, DAX oder Nikkei verzeichnen regelmäßig neue Höchststände. In deren Fahrwasser starten Tech-Aktien voll durch. Wo gibt es noch Einstiegs-Potenzial?

Carolin Tsalkas: In der Tat werden die amerikanischen Börsen sehr stark von den großen Technologie-Werten dominiert. Die US-Indizes bewegen sich dabei auf historisch hohem Niveau. Der japanische Aktienmarkt ist dagegen noch weit von seinen Rekordwerten aus dem Jahr 1989 entfernt, hat die diesjährigen Spitzenniveaus aus Vor-Corona-Zeiten aber auch schon wieder erreicht. Ganz anders sieht es hingegen in Europa aus. Die Leitindizes Euro Stoxx 50 oder Dax haben die Kurseinbrüche im Frühjahr zwar weitgehend wieder aufgeholt, zu den einstigen Höchstständen besteht aber weiterhin Kurspotenzial. Die wesentliche Triebfeder für die Aktienmärkte ist seit einigen Jahren die ultraleichte Geldpolitik der Notenbanken. Wegen der Pandemie ist dieser Einflussfaktor momentan jedoch in den Hintergrund getreten. Da wir aber davon ausgehen müssen, dass uns das niedrige bzw. negative Zinsniveau noch längere Zeit begleiten wird, sollte die Frage nach der Substanz bei der Einzeltitelauswahl im Fokus stehen. Internationale Qualitätstitel mit zukunftsweisenden Geschäftskonzepten und stabilem Wachstum bieten erfahrungsgemäß interessante Renditechancen. Darüber hinaus stellen technologieorientierte Fonds eine interessante Einstiegsoption dar, durch die sich der Anleger an innovativen Unternehmen beteiligen kann, die vom allgemeinen Strukturwandel profitieren.

Kann man den Anstieg der Tech-Werte Amazon, Apple, Netflix und Tesla fundamental erklären?

Carolin Tsalkas: Eine gute Frage. Tatsächlich scheint eine Erklärung bei einer fundamentalen Betrachtung der Aktien auf Basis der gegenwärtigen Unternehmensgewinne und -umsätze schwierig. Die aktuell hohen Bewertungen könnten gerechtfertigt sein, wenn die erwarteten hohen Wachstumsraten in den nächsten Jahren tatsächlich realisiert würden. Da die renommierten Technologiekonzerne in der Vergangenheit bereits überdurchschnittliches Wachstumspotenzial nachgewiesen haben, räumen Investoren diesen Aktien daher ebenfalls entsprechende Bewertungsaufschläge ein.

Alle Welt spricht von Gold als sicheren Anlage-Hafen. Soll man trotzdem dem Trend der Tech-Werte folgen und Aktien kaufen?

Carolin Tsalkas: Gold sollte vor allem der Diversifikation des Vermögens dienen. Meist ist es die Sorge vor Inflation, expansiver Geldpolitik oder Unsicherheiten an den Märkten, die Anleger zu entsprechenden Investments bewegt. Gold- und Aktieninvestments stehen für uns keinesfalls in Konkurrenz zueinander. Im Gegenteil, beide Anlageklassen können sich ergänzen und zur Optimierung des Gesamtportfolios beitragen. Angesichts der langfristigen Wachstumsaussichten von Technologieunternehmen bleiben entsprechende Aktien unter strategischen Gesichtspunkten natürlich vielversprechend.

Wo sehen Sie das größte Wertsteigerungspotenzial bei den nicht etablierten Werten?

Carolin Tsalkas: Neben den Standardwerten, die sich durch erprobte Geschäftsmodelle und Marktführerschaft auszeichnen, identifizieren wir regelmäßig interessante Chancen bei noch weniger bekannten Unternehmen aus zukunftsorientierten Branchen. Die Bedingungen für aussichtsreiche Kurssteigerungen sehen wir überwiegend bei Aktien aus den Bereichen Automatisierung, Digitalisierung und künstliche Intelligenz erfüllt. Da die Einzelwertrisiken bei diesen Titeln jedoch deutlich höher einzuschätzen sind, empfehlen wir nicht versierten Anlegern aus Gründen der Risikostreuung den Erwerb von entsprechenden Themen-ETFs.

Ist es ratsam, jetzt Gewinnmitnahmen zu machen und zu verkaufen, wenn man bereits an den Kursanstiegen gut verdient hat?

Carolin Tsalkas: Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern erfordert eine differenziertere Betrachtung. Die Entscheidung für oder gegen einen Verkauf zu einem Zeitpunkt X hängt maßgeblich vom Anlagehorizont des Investors ab. Für einen kurzfristig orientierten Anleger kann es lukrativ sein, Gewinnmitnahmen in Erwägung zu ziehen. Langfristig denkende Investoren lassen sich weniger von temporären Kurskorrekturen irritieren. Solange das ursprüngliche Investmentszenario Bestand hat, ist ein Verkauf unter strategischen Gesichtspunkten daher für sie nicht nötig. Auf erhöhtem Kursniveau sind hingegen teilweise Gewinnmitnahmen opportun. Gerade dann, wenn die Gewichtungen der jeweiligen Titel überdurchschnittlich hoch sind.

Wie robust wird sich z.B. der TecDax im Zuge der Corona-Krise Ihrer Meinung nach zeigen?

Carolin Tsalkas: Im Hinblick auf die mittelfristigen Auswirkungen der Pandemie-Maßnahmen fehlen die historischen Vergleichsmöglichkeiten. Rückschlüsse können aber aus der Entwicklung der vergangenen Monate abgeleitet werden. Der TecDax konnte sich den Markteinbrüchen im Frühjahr ebenfalls nicht entziehen und entwickelte sich ähnlich schwach wie beispielsweise der DAX. Dementsprechend kann man ihm schwerlich eine besondere Robustheit zuschreiben. Jedoch, und hierin liegt der Unterscheid, war die einsetzende Erholung des TecDax um einiges dynamischer als der Aufschwung des deutschen Leitindizes. Langer Atem zahlt sich aus.

Frau Tsalkas, vielen Dank für das Gespräch.

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