Deutschland hat die Chance eine zukünftige Spitzenposition einzunehmen – Wolfgang Gierls (FORAIM)

Interview mit Wolfgang Gierls
Wolfgang Gierls ist Geschäftsführer der FORAIM Finanzmanagement und –service GmbH. Im Interview spricht er über Inflationsrisiken und Generationsunterschiede im Anlageverhalten.

Eine einfache Frage, die vermutlich nur schwer beantwortet werden kann. Welche ist die rentabelste aller Asset-Klassen?

Wolfgang Gierls: Ein Schnellschuss wäre es, Rentabilität mit maximaler Rendite gleichzusetzen. Der Begriff der Rentabilität stammt aus der Betriebswirtschaftslehre und bedeutet sehr vereinfacht, dass ein Unternehmen alle Kosten decken kann und dann noch ein Gewinn verbleibt. Rentabilität bedeutet also nicht automatisch Renditemaximierung. Würde die Frage nur auf Renditemaximierung abstellen, so wäre die Antwort einfach: Aktien oder Aktien-ETFs.

Diese Aussage ist aber nur dann richtig, wenn ein ausreichend langer Zeithorizont für die Anlage gewählt wird, je länger um so höher ist die Wahrscheinlichkeit für maximale Renditen. Allerdings soll schon der berühmte Ökonom Keynes gesagt haben: In the long run we are all dead.

Sorry, aber die Frage ist ungenau formuliert und entspringt wahrscheinlich einem nicht erfüllbaren Wunsch vieler AnlegerInnen.

Aber der Vergleich mit Unternehmen (Rentabilität) und Keynes (Anlagehorizont) hilft weiter. In unserem Unternehmen FORAIM verfolgen wir zunächst den Rentabilitätsansatz und zwar für jedes Jahr, in dem Entnahmen aus dem Kapital für alle privaten Ausgaben benötigt werden. Den Bedarf und Wunsch nach möglich Kapitalentnahmen erarbeiten wir gemeinsam mit dem Kunden. Für Kapitalentnahmen in frühen Jahren empfehlen wir defensiv strukturierte Depots. Für Entnahmen, die erst in vielen Jahren anfallen werden, kann das Geld dagegen in Aktien- und Aktien-ETFs angelegt werden. Können dann tatsächlich in jedem Jahr alle Ausgaben gedeckt werden und bleibt noch darüber hinaus etwas nach, ist das Rentabilitätskriterium erfüllt. Um eine solche Strategie erfolgreich durchzuführen, ist viel Wissen und Erfahrung notwendig. Dies kann man auch als Humankapital bezeichnen.

Auch wenn dies in der Vergangenheit ein Unwort des Jahres war, ist somit Human Capital (im übertragenen Sinn kann dies auch als eine Anlageklasse definiert werden) die rentabelste Asset-Klasse.

Wie lange sind Sie im Geschäft und was waren die prägendensten Ereignisse?

Wolfgang Gierls: In unterschiedliche Funktionen mehr als 30 Jahre. Zeitweise habe ich nach meinem Studium der Volkswirtschaftslehre dabei neben der reinen Privatkundenberatung auch im Produktmanagement Kapitalanlagen eines großen Maklerpools gearbeitet. In dieser Zeit gab es viele prägende Ereignisse durch die persönlichen Gespräche mit Fondsmanagern, sowohl positive als auch negative. Am stärksten geprägt hat mich allerdings die Finanzkrise 2008 und die damalige Reaktion der Kunden. Aber auch die Prognosen etablierter Ökonomen und Fondsmanagern. Leider zielten viele Empfehlungen dabei auf die übertriebene Angst vor Inflationsgefahren ab. Diese Befürchtungen gab es nicht nur bei den Privatanlegern, sondern auch bei den „Profis“. Allerdings hielt ich schon damals die Inflationsgefahren auf absehbare Zeit für gering. Anders als die zu der Zeit vorherrschende Meinung, dass das „Gelddrucken“ der EZB zwangsläufig zur Inflation führen müsse, war 2008/2009 diese Gefahr nicht gegeben. Denn Preissteigerungen, also Inflation, kann es nur dann geben, wenn ein knappes Güterangebot auf hohe Nachfrage trifft. Eine Ausweitung der Geldmenge ist nur eine notwendige Voraussetzung für Inflation, aber keine hinreichende Bedingung. Die Finanzkrise hatte aber dazu geführt, dass die Unternehmen nicht ausgelastete Kapazitäten hatten und die Arbeitnehmer hatten schon seit Jahren keine nennenswerten Lohnerhöhungen erhalten, somit konnte keine Inflation entstehen: Das Angebot an Güter war groß, die Nachfrage war eingeschränkt.

Ich möchte aber darauf hinweisen, dass in Hinblick auf die COVID 19 Krise diese Aussage nicht automatisch für die weitere Zukunft übernommen werden kann.

Sie sind Spezialist für Kapitalanlagen, wie sorgen Sie privat vor?

Wolfgang Gierls: Neben laufendem „Ausbau“ des Human Capital (siehe Frage 1) recht klassisch mit einer Mischung aus Immobilien, Aktienfonds, Mischfonds und alternativen liquiden Anlagen.

Wie schätzen Sie Deutschland als Investitionsstandort ein?

Wolfgang Gierls: Unsere Vorteile, die in einer relativ konfliktfreien Gesellschaft auch aufgrund umfangreicher gesetzlicher Rahmenbedingungen liegen, erschweren leider teilweise Innovationen. Mit Blick auf die Möglichkeiten der Digitalisierungen könnte der bisherige Standortvorteil sinken. Allerdings findet der Klimaschutz eine recht hohe Akzeptanz. Werden hier von Seiten der Politik die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen, hat Deutschland die Chance eine zukünftige Spitzenposition einzunehmen.

Haben Sie nur inländische Investoren oder auch im Ausland?

Wolfgang Gierls: Nur deutsche Investoren und Privatanleger.

Gibt es zwischen gravierende Generations-Unterschiede im Anlageverhalten?

Wolfgang Gierls: Ja, junge Anleger bevorzugen digitale Angebote und legen deutlich mehr Wert auf kostengünstige Anlagemöglichkeiten. Für ältere Anleger steht dagegen zunächst die Finanzplanung im Vordergrund. Zudem bevorzugen ältere Anleger eine umfassende Betreuung im Bereich der gesamten Finanzen. Dafür sind diese Kunden auch bereit eine entsprechende Vergütung zu zahlen.

Herr Gierls, vielen Dank für das Gespräch.

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