Dirk Grafschmidt: Es gibt keine „Pandemieversicherung“

Interview mit Dirk Grafschmidt
Wir sprechen mit Versicherungsmakler Dirk Grafschmidt von der Firma Grafschmidt & Team über Risikoabsicherung von Unternehmen.

Die tiefgreifenden Folgen von Corona beeinflussen den Versicherungsmarkt nachhaltig. So wird der Ruf nach Absicherungen gegen die Folgen der Pandemie – Schließungen, Ausfälle, Umsatzrückgänge – immer lauter. Welches Versicherungsmodell könnte die Auswirkungen am besten abdecken?

Dirk Grafschmidt: Eine Betriebsschließungsversicherung. Diese leistet Ersatz, wenn der versicherte Betrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung geschlossen wurde. Die zugrunde gelegte Versicherungssumme muss dem Rohertrag (Betriebsgewinn und Kosten) entsprechen. Ausdrücklich ausgeschlossen ist jedoch der sog. Lock- oder Shutdown, d.h. wenn die behördliche Anordnung nicht den versicherten Betrieb selbst betrifft, sondern flächendeckend, allgemein erfolgt. Derzeit gibt es somit keine „Pandemieversicherung“, da das Risiko unkalkulierbar ist. Politik und Versicherungswirtschaft arbeiten zurzeit an einer entsprechenden Lösung. Wann und ob überhaupt diese jedoch vorliegt steht in Frage. In den jeweiligen Bedingungswerken zur Betriebsschließungsversicherung gibt es allerdings große Unterschiede bei den verschiedenen Versicherern und bei einzelnen Anbietern z.T. nicht unerhebliche Deckungslücken bzw. Leistungsausschlüsse in Bezug auf COVID-19. Insofern ist es hier besonders wichtig, sich vor Abschluss eines solchen Vertrages von einem versierten Versicherungsmakler diesbezüglich eingehend beraten zu lassen!

Der aktuelle „Markt Report 2020“ des internationalen Versicherungsmaklers Aon warnt vor steigenden Beiträgen und Prämien bei Sachversicherungen, weil z.B. Rückversicherer Probleme bekommen könnten, die Versicherten zu entschädigen. Ist die Situation so schlimm?

Dirk Grafschmidt: Ganz so schlimm sehe ich persönlich die Lage nicht. Ganz im Gegenteil. Die Allianz z.B. steuert in diesem Jahr auf einen Rekordgewinn von 10 Milliarden Euro zu. Die Schäden für den Versicherungskonzern halten sich im Rahmen, der Nettogewinn fließt sogar schneller als zuvor. Die tatsächlichen, mittel- und langfristigen Folgen sind jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar.

Aon fordert, dass Unternehmen neben der technischen Expertise besonders auf die Qualifikationen der Vermittler im Bereich der Risikoermittlung und -bewertung sowie die Schadenexpertise achten sollten. Sind Sie dahingehend geschult worden oder gibt es ein Angebot für Weiterbildung?

Dirk Grafschmidt: Selbstverständlich bin ich, sowie auch meine Mitarbeiter, dahingehend weitreichend geschult und sind dementsprechend qualifiziert und ich/wir bilde(n) mich/uns diesbezüglich laufend fort. Entsprechende Weiterbildungsangebote sind vielseitig vorhanden.

Für 2020 besagt der Report, dass die Schaden-Kostenquote in der industriellen und gewerblichen Sachversicherung von 98 Prozent auf 115 Prozent steigt. Die Schadenquote soll sich von 76 Prozent auf 93 Prozent erhöhen. Können Sie uns das ein bisschen erläutern?

Dirk Grafschmidt: Die Gesamt-Schadenquote oder Brutto-Schadenquote gibt das Verhältnis von den Kosten für eingetretene Schäden zu den Prämieneinnahmen an. Die Schaden-Kosten-Quote gibt das Verhältnis von den Kosten für eingetretene Schäden und die Ausgaben für Verwaltung und Abschluss der Versicherungsverträge zu den Prämieneinnahmen an. Je geringer die Schaden-Kosten-Quote, desto profitabler arbeitet das Unternehmen. Ist die Schaden-Kosten-Quote größer als 100 %, bzw. die Brutto-Schadenquote größer als 60%-70% (je nach Verwaltungskostenquote des Versicherers), so wird im eigentlichen Versicherungsgeschäft Verlust gemacht. Da sich das Prämienniveau seit den 1990er-Jahren i.d.R. stetig verringert hat sind die vereinnahmten Prämien für die Versicherungswirtschaft oftmals nicht mehr auskömmlich, was allerdings nicht an der Pandemie, sondern vielmehr an der vergangenen Wettbewerbspolitik der Versicherer liegt!

Wie kann sich ein Klein- oder mittleres Unternehmen gegen Umsatzeinbrüche oder Auftragsrückgänge wegen der Pandemie absichern?

Dirk Grafschmidt: Lediglich bedingt gegen eine Betriebsschließung. Gegen reine Umsatzeinbrüche oder Auftragsrückgänge hingegen leider zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt nicht.

Dadurch, dass viele Arbeitnehmer „Homeoffice“ machen und online unterwegs sind, soll angeblich die Cyber-Kriminalität durch vermehrte Fake-Angebote (z.B. Corona-Risikoabsicherung) steigen. Wie kann sich der Einzelne schützen?

Dirk Grafschmidt: Die Cyber-Kriminalität ist in den letzten Jahren stark gestiegen, d.h. auch bereits vor „Corona“, und wird auch weiterhin expansiv steigen. Deutsche Unternehmen werden immer häufiger Opfer von Hackern oder Schadsoftware. Allein in den letzten Jahren verursachten solche Angriffe mehrere Milliarden Euro an Schäden. Selbst bei kleinen und mittleren Unternehmen sind die Geschäftsprozesse häufig komplett IT-basiert, das Internet wird genutzt und die Kommunikation findet über moderne Telekommunikationssysteme statt. Egal ob durch Fehler der eigenen Mitarbeiter oder durch externen Zugriff – Datenverluste bergen existenzielle Risiken für Unternehmer. Gegen die daraus resultierenden Folgen kann man sich durch eine CyberRisk-Versicherung schützen. Mit der CyberRisk-Versicherung sind kleine und mittelständische Unternehmen gegen die Verluste abgesichert, die aus der Nutzung von elektronischen Daten auf Informations- und Telekommunikationsgeräten entstehen. Die Highlights der CyberRisk-Versicherung sind:

■ Allgefahrendeckung

■ Einheitlicher Versicherungsfall für Eigen- und Drittschaden

■ Rechtsschutzversicherung

■ Ersatz von IT-Hardware

■ Versicherung von Daten auf dienstlich genutzten Privatgeräten (BYOD = Bring your own device)

■ Versicherbarkeit von Personenschäden

 Auch die Privatperson kann sich über ähnliche Produkte entsprechend absichern.

Herr Grafschmidt, vielen Dank für das Gespräch.

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