„Factoring ist kein Ponyhof“ – Alexander Hoffmann (Rhein-Main-Factoring AG)

Interview mit Alexander Hoffmann
Alexander Hoffmann ist Vorstand der Rhein-Main-Factoring AG. Im Interview spricht der Factoringexperte über Liquiditätsbeschaffung in Krisenzeiten.

Durch die Corona-Krise hat das Thema Liquiditätsmanagement für viele Unternehmen an Bedeutung gewonnen. Spüren Sie eine erhöhte Nachfrage nach Factoring-Lösungen?

Alexander Hoffmann: Ja, dem ist so. Allerdings ist der Factoring-Markt in Deutschland auch vor Corona in den letzten Jahren stetig gewachsen. Corona hat allerdings dazu geführt, dass für bestimmte Unternehmen oder Branchen die Dringlichkeit nach Liquidität signifikant zugenommen hat. Und dann ist Factoring natürlich eine sehr interessante Alternative und Ergänzung zu z. B. den staatlichen Soforthilfen oder den KfW-Krediten.

Für welche Unternehmen und Branchen ist Factoring geeignet?

Alexander Hoffmann: Lassen Sie mich die Frage zunächst ein bisschen „quer“ beantworten: bei genauerer Betrachtung findet man kaum Branchen und nur wenige Unternehmen, bei denen Factoring nicht geeignet ist. Aber natürlich gibt es Branchen, bei denen die Eignung offensichtlich und augenfälliger ist als bei anderen. Und zwar sowohl in Produkt- als auch Dienstleistungssegmenten. Grundsätzlich ist Factoring dann ein Thema, wenn:

a) die Kunden eines Unternehmens die beim Kauf einer Leistung entstehende Forderung nicht sofort und/oder auf einmal bezahlen können und/oder wollen,

b) das Unternehmen diese Zahlungsflexibilität seinen Kunden gewähren möchte oder gewähren muss, um wettbewerbsfähig zu sein, und wenn

c) das Unternehmen dennoch einen sofortigen Liquiditätszufluss benötigt oder wünscht.

Welches der Merkmale das entscheidende ist, wenn sich ein Unternehmen für Factoring entscheidet, ist natürlich recht unterschiedlich.

Es gibt kundengetriebenes Factoring bei dem die Möglichkeit, den Kunden ein späteres Zahlungsziel oder eine Ratenzahlung anbieten zu können, darüber entscheidet, ob der Kunde hier oder bei einem Konkurrenten kauft.

Es gibt aber auch vertriebsgetriebenes Factoring insbesondere in Branchen, bei denen die Zahlungsflexibilität gegenüber dem Kunden Alltag ist, die Vertriebspartner eines Unternehmens aber über die sofortige Auskehrung höherer Abschlussvergütungen besser motiviert werden können. Versicherungs- und Finanzdienstleistungen wären hier typischerweise zu nennen.

Schließlich gibt es auch geschäftsgetriebenes Factoring. Das entsteht, wenn ein Unternehmen einerseits zahlungsflexibel mit seinen Kunden umgehen muss, andererseits aber gewisse Anschaffungskosten hat und dafür Liquidität benötigt, ohne die das Geschäft überhaupt nicht zustande kommen kann.

Da Factoring neben der reinen Liquiditätsfunktion aber auch eine Forderungsmanagementfunktion (das Unternehmen kümmert sich nicht mehr um die Beitreibung der Forderungen) und eine Delkrederefunktion (das Factoring-Institut übernimmt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Kunden) haben kann, können auch interne Abläufe beim Unternehmen und mit Factoring verbundene Vorteile ausschlaggebend sein.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Forderungen für Factoring in Frage kommen?

Alexander Hoffmann: Eine pauschale Antwort ist auch hier schwer. Es ist wie so oft eine Frage der Situation, also der der Forderung zugrunde liegenden Geschäftstätigkeit. Daraus leiten wir im Rahmen interner Prüfungen das Risiko des Ankaufs dieser Forderungen ab und ermitteln hieraus wiederum (sofern wir uns grundsätzlich dafür entscheiden können) den Preis, d. h. die Factoring-Gebühr.

Relativ einfach ist es grundsätzlich, wenn a) die Leistung, die der Forderung zugrunde liegt, vollständig erbracht wurde, b) die Leistung einredefrei ist, und c) der Schuldner seine Zahlungspflicht dankbar anerkennt.

Aber: Factoring ist kein Ponyhof. Es steckt immer irgendwo ein Risiko unabhängig von seiner Eintrittswahrscheinlichkeit und seinen Auswirkungen. Nicht umsonst unterliegen Factoring-Institute bzgl. ihres Risikomanagements denselben Marktrisiken wie Banken und Versicherungen.

Haben sich die Konditionen für Factoring seit der Corona-Krise verändert?

Alexander Hoffmann: Ich kann hier nur für uns, die Rhein-Main-Factoring AG, sprechen. Unsere Konditionen haben sich seit Corona nicht verändert. Allerdings ist anzumerken, dass wir uns mit unseren Leistungen ohnehin etwas abseits vom üblichen Geschäft bewegen. Unsere USP: der Ankauf von a) Raten-/Teilzahlungsforderungen auch gegen b) private Debitoren, sind für die meisten „normalen“ Factoring-Institute rote Tücher.

Mit welchen Kosten müssen Unternehmen beim Factoring rechnen, wie schnell erhalten Sie ihr Geld nach Rechnungsversand?

Alexander Hoffmann: Wie bereits zuvor beschrieben, hängen die Kosten des Factorings (die sich wiederum aus unterschiedlichen Kostenblöcken zusammensetzen können und je Institut auch durchaus unterschiedlich ausgestaltet werden) von verschiedenen Faktoren ab, die eigentlich alle etwas mit Risiko zu tun haben.

Wir arbeiten z. B. mit einem Up-front-Modell. D. h. unsere Factoring-Gebühr ist ein prozentualer Abschlag von der eingereichten Forderung und wird vor der Auszahlung von der Forderung abgezogen. Abgesehen von den Kosten der Bonitätsprüfung des Kunden/Debitors entstehen unseren Partnern dann keine weiteren z. B. laufenden Zinskosten oder Kosten des Forderungsmanagements. Dieses Modell hat sich bei uns bewährt, weil es unseren Partnern die Möglichkeit gibt, die entstehenden Factoring-Kosten auf den Cent genau vorab zu berechnen und in die eigene Leistung einzupreisen.

Unsere Gebühren steigen je länger die Laufzeit einer angekauften Forderung ist, und beginnen bei 3% für eine Forderungslaufzeit bis zu 3 Monaten.

Welche Voraussetzung sollte ein seriöser Factoring-Anbieter erfüllen?

Alexander Hoffmann: Grundsätzlich ist Factoring ein erlaubnispflichtiges Geschäft gemäß KWG (Kreditwesengesetz). Wer also seriös Factoring-Leistungen anbietet benötigt eine Erlaubnis von der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht). Die BaFin veröffentlicht auf ihrer Webseite laufend eine Liste der zugelassenen Factoring-Institute, so dass ein Unternehmen immer prüfen kann, ob ein zukünftiger Partner über die entsprechende Erlaubnis verfügt.

Ein Vorteil dieser Erlaubnispflicht für Unternehmen ist (ungeachtet des Wirecard-Wirbels der letzten Wochen), dass der Jahresabschluss von Factoring-Instituten von einem Wirtschaftsprüfer geprüft werden muss, und dass dieser testierte Prüfbericht jährlich der BaFin sowie der Bundesbank vorgelegt wird.

Weitere Voraussetzungen, die ein Factoring-Institut in der Zusammenarbeit mit seinen Kunden (den Unternehmen) erfüllen sollte, unterscheiden sich nicht wirklich von den Voraussetzungen guter „normaler“ Geschäftsbeziehungen, also: Augenhöhe, Vertrauen, klare Leistungsversprechen, Transparenz und Fairness im Umgang miteinander und im Umgang mit den Kunden des Unternehmens, etc.

Herr Hoffmann, vielen Dank für das Gespräch.

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