Jannis Rettig: Risiko und Rendite ins richtige Verhältnis setzen

Interview mit Jannis Rettig
Jannis Rettig ist Gründer und Geschäftsführer von Rettig & Partner Investment Consulting. Mit ihm sprechen wir über gestiegene Rohstoffpreise, erhöhte Inflation sowie Schutz vor Geldentwertung.

Stark gestiegene Energiekosten haben das Leben in Deutschland verteuert. Die Verbraucherpreise lagen im Juli 3,8 Prozent über dem Level des Vorjahres.

Was sind die Gründe für die anziehende Inflation und welche Produkte werden besonders teuer?

Jannis Rettig: Rein volkswirtschaftlich betrachtet, ist es die logische Konsequenz der Geldmengenerhöhung, welche letztes Jahr und auch dieses Jahr stattgefunden hat. Kreditvergaben, Soforthilfen, Überbrückungshilfen etc. haben ungebremst den Markt mit Liquidität geflutet. Um einer Währungskrise proaktiv entgegenzuwirken, muss die Inflation anziehen, um das volkswirtschaftliche Gleichgewicht wieder herzustellen.

Zudem haben wir in vielen Fällen eine enorme Ressourcenknappheit. Rohstoffpreise sind in der Vergangenheit enorm gestiegen. Unter anderem aufgrund eines Anstiegs des Exporthandels primär in asiatische Länder. Man fürchtet einen Rückgang verschiedener Rohstoffe und fängt an zu „bunkern“. Viele Branchen befinden sich im Wandel und so auch deren Produkte. Angebot und Nachfrage gilt es zu beobachten, denn so lässt sich aktuell gut erkennen, wo Knappheit herrscht und entsprechend die Preise steigen werden.

Handelt es sich um eine temporäre Steigerung der Inflation oder werden wir uns an schnell steigende Preise gewöhnen müssen?

Jannis Rettig: Konjunkturell bedingt müssen wir uns meiner Meinung nach in nächster Zeit an eine erhöhte Inflation gewöhnen. Diese wird auf kurz oder lang auch wieder zurück gehen, da das ganz normale marktwirtschaftliche Entwicklungen sind. Da wir die Situation aber aktuell nicht ändern können, ist es essenziell die Wirtschaft zu analysieren und entsprechend für sich zu nutzen. Krise bedeutet auch gleichzeitig Chance und auch wenn es paradox erscheint, macht eine Anlage zur Altersvorsorge in eine vermeintlich sichere Anlage wie Sparbücher keinen Sinn, sondern eine Partizipation am Produktivkapital der Wirtschaft in Form von Aktien, ETFs und vieles mehr. Auch wenn das im ersten Moment als unsicher erscheint, aber Investition bedeutet den Blick nach vorne zu haben und sich nicht mit der Vergangenheit aufzuhalten.

Experten betonten oft, dass eine erhöhte Inflation ein Luxusproblem für Deutschland sei. Inwiefern wäre eine zu geringe Inflation ein größeres Problem als eine steigende Inflation?

Jannis Rettig: Die „Wunsch-Inflation“ liegt laut Angaben der Europäischen Zentralbank bei 2%. Ein Verlust der Kaufkraft ist nicht wünschenswert, aber kein Beinbruch, da die Wirtschaft florieren kann und sich regeneriert, um zu weiterem Wachstum zu gelangen. Eine Deflation hingegen, also eine zu geringe Inflation bzw. gar eine negative Inflation ist hingegen ein schwerwiegendes Problem. Man vermutet einen Preissturz in den Märkten, hält Investitionen zurück und die Wirtschaftsmaschine wird enorm ausgebremst und sogar gefährdet. Solche Szenarien gab es in der Vergangenheit eher selten, aber sind nichtsdestotrotz möglich.

Für Sparer ist Inflation quasi eine schleichende Enteignung. Was können Anleger tun, um sich vor der Geldentwertung zu schützen?

Jannis Rettig: Die Fülle an Optionen ist hier definitiv eingeschränkt. Pauschale Empfehlungen sind fast nicht auszusprechen, da es ganz auf die Situation des Sparers ankommt. Ich bin ein Freund von einer gewissen Fremdkapitalquote, sprich einer Investition in Kapitalanlageimmobilien. Hier muss aber ganz klar vorab der Immobilienmarkt bewertet werden und kein blinder Aktionismus stattfinden. Zudem habe ich volles Vertrauen in die weltweite Wirtschaft, an welcher ich zu jedem Zeitpunkt beteiligt sein möchte. Vermögen = Geld x Zeit, daher benötigen wir Geduld. Kurzfristige Anlagen sind Spekulationen und meistens nicht nachhaltig. Ruhe, Geduld und eine saubere Planung sind notwendig, um das Geld richtig zu investieren und langfristig Vermögenswerte zu generieren. Emotionale Handlungen sind die größten Gegner der nachhaltigen Geldanlage und können einem im Alter erhebliche Probleme bereiten.

Höhere Renditen bedeuten in der Regel höhere Risiken. Wie lässt sich eine geeignete Strategie finden, um Risiko und Rendite in ein gutes Verhältnis zu bekommen?

Jannis Rettig: Hier eine konkrete Empfehlung auszusprechen wäre fatal, da jeder Mensch ein individuelles Risiko-Rendite-Verhältnis hat. Es gibt wissenschaftliche Methoden um anhand von simplen Fragen herauszufinden, womit sich ein Mensch noch wohl fühlt, welche Erwartungshaltung er hat und was schließlich die beste Portfolio Zusammenstellung für ihn ist. Einer solchen Methode würde ich mich zwingend bedienen und dann diversifizieren. Alle Eier in einen Korb legen war noch nie gut, daher würde ich auch hier eine Streuung der Branchen und auch der Assets empfehlen. Es mag sein, dass man in einem gewissen Bereich eine größere Expertise hat, was nicht bedeutet, dass andere Bereiche keine sinnvolle Investition sein können. Offenes Visier, breit gestreutes Portfolio und persönliches Anlegerpofil sind die Basis, um Risiko und Rendite ins richtige Verhältnis zu bekommen.

Herr Rettig, vielen Dank für das Gespräch!

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