Saskia Drewicke: Abschluss einer klassischen Lebens-/Rentenversicherung lohnt sich nicht mehr

Interview mit Saskia Drewicke
Saskia Drewicke ist Gründerin der Sparheldin. Mit ihr sprechen wir über Senkung des Garantiezins, Konsequenzen für Versicherte sowie private Lebensversicherung.

Das Bundesfinanzministerium (BMF) will den Höchstrechnungszins für Lebensversicherungen zum 01.01.2022 von aktuell noch 0,9 auf dann 0,25 Prozent senken. Warum soll der Garantiezins erneut gesenkt werden?

Saskia Drewicke: Seit der Finanzkrise 2008/2009 befinden wir uns in einem Niedrigzinsumfeld. Dieses andauernde Marktumfeld erschwert es Lebensversicherern, ihr Geld gewinnbringend am Kapitalmarkt anzulegen, da sie strengen Anlagevorschriften unterliegen. Vornehmlich legen Versicherer ihr Geld in bonitätsstarke Anleihen an, die heute kaum noch Renditen abwerfen. Man schaue sich einmal den negativen Zinssatz einer 10-jährigen Bundesanleihe (-0,48%) an, d. h. wer dem Staat für 10 Jahre sein Geld leiht, zahlt obendrauf. Lebensversicherer stehen daher seit Jahren unter enormen Druck, die damaligen Garantieversprechen aus Zeiten mit höheren Leitzinsen um die 4% zu halten und alte Verträge zu bedienen. Den risikolosen Zinssatz (Rendite ohne Risiko) gibt es faktisch nicht mehr und die Zeiten des Garantiezins sind somit vorbei, da das Marktniveau das schlicht und ergreifend nicht mehr hergibt.

Wer ist alles von der Senkung des Garantiezins betroffen?

Saskia Drewicke: Grundsätzlich sind die Verlierer des niedrigen Zinsumfeldes die deutschen Sparer. Von der Senkung des Garantieszins sind jegliche Art von Lebens- und Rentenversicherungen betroffen, wobei die erneute Zinssenkung von derzeit 0,9% auf 0,25% nur Neuverträge, die ab 2022 abgeschlossen werden, betrifft. Bestehende Verträge bleiben von der Zinssenkung unberührt, wobei sich das niedrige Zinsumfeld natürlich auch hier in der Entwicklung des Vertragsguthabens niederschlägt. Die Zinssenkung führt insbesondere bei der Riester-Rente sowie Verträgen der betrieblichen Altersversorgung mit Beitragszusagen mit Mindestleistung zu Problemen. Denn bei Riester-Verträgen ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die eingezahlten Sparbeiträge und staatlichen Zulagen zu 100 Prozent garantiert werden müssen. Wenn die Versicherer nur mit einem Zinssatz von 0,25% kalkulieren dürfen, fällt es ihnen schwer die Zusage der Beitragsgarantie zu halten und gleichzeitig kostendeckend zu arbeiten, da die Kosten bis zu 10 Prozent der Beiträge ausmachen. Aus diesem Grund droht der Riester-Rente das Aus.

Was sind die Konsequenzen für die Versicherten?

Saskia Drewicke: Aufgrund des andauernden Niedrigzinsumfeldes und die wiederholte Senkung der Garantiezinsen sind die Versicherungsunternehmen schon länger dabei, ihre Produktpalette anzupassen und das Lebensversicherungsgeschäft mit Garantiezinsen und Beitragsgarantien bei Altersvorsorgeprodukten einzustampfen. Versicherer haben in den letzten Jahren neuartige Tarife (Neue Klassik oder Indexpolicen) auf den Markt gebracht. Niedrigere oder keine garantierten Mindestrenten sowie ein niedrigerer Rentenfaktor bei fondsgebundenen Lebensversicherungen sowie höherer Beiträge bei Risiko-Lebensversicherungen sind die Folge für die Versicherten bei Neuabschlüssen.

Das andauernde Niedrigzinsumfeld und die wiederholte Senkung der Garantiezinsen in den letzten Jahren macht die klassische Lebens- und Rentenversicherung, die jahrzehntelang bei den Deutschen besonders beliebt war, unrentabel. Um heutzutage Renditen zu erwirtschaften und die Inflation auszugleichen, führt kein Weg am Aktienmarkt vorbei, was ein Umdenken bei den Deutschen erfordert. Bei der Geldanlage sind die deutschen Sparer vor allem auf Sicherheit aus. Wie oben bereits erwähnt gibt es in dieser Zeit jedoch keinen risikolosen Zinssatz mehr, wenn wir uns die 0%-Verzinsung oder gar Negativzinsen bei höheren Sparguthaben auf Sparbüchern und Tagesgeldkonten anschauen. Ein wichtiger Aspekt, der in der Gesellschaft einen höheren Stellenwert finden sollte, ist vor diesem Hintergrund das Thema finanzielle Bildung.

Für wen lohnt sich eine private Renten- oder Lebensversicherung überhaupt noch?

Saskia Drewicke: Ein Abschluss einer klassischen Lebens-/Rentenversicherung lohnt sich heute aus meiner Sicht nicht mehr, sodass Sparer gezwungen sind sich nach Alternativen für die Altersvorsorge umzuschauen. Die klassische Lebensversicherung ist tot. Anders verhält es sich mit fondsgebundenen Rentenversicherungen, die eine Alternative darstellen.

Und was sind die Alternativen?

Saskia Drewicke: Im Rahmen der privaten Altersvorsorge können alternativ fondsgebundene (ETF)-Rentenversicherungen sowie Geldanlagen am Aktienmarkt und Sparpläne in Aktienfonds herangezogen werden. Aufgrund der kostengünstigen Struktur eignen sich für den Laien vor allem ETFs für den Vermögensaufbau. Im Hinblick auf die Altersvorsorge ist es wichtig, dass Sparer vor allem auf die Kosten bei Anlageprodukten bzw. Rentenversicherungen achten. Hohe Abschlusskosten, laufende Provisionszahlungen und Verwaltungsgebühren schmälern die Rendite enorm und führen zu einer deutlich geringeren Ablaufleistung im Rentenalter.

Vor diesem Hintergrund ist ein passiver Investmentansatz mit ETFs gegenüber dem aktiven Management in der Regel zu bevorzugen. Darüber hinaus bieten Versicherer mittlerweile auch sogenannte Netto-Rentenpolicen bzw. Honorartarife an, die keine Abschlusskosten und Provisionszahlungen enthalten und gegen ein Beratungshonorar von Finanz-Honorarberatern vermittelt werden. Sparer sollten deshalb die vermeintlich kostenlose Finanzberatung von Banken, Versicherungsvertretern und Finanzdienstleistern hinterfragen und eine Honorarberatung in Betracht ziehen, um mehr Rente im Alter zu haben.

Frau Drewicke, vielen Dank für das Gespräch!

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