Christiane Karsch: Meistens ist es der Körper, der einem Signale sendet

Interview mit Christiane Karsch
Christiane Karsch ist Inhaberin und Coach bei CK Coaching Köln. Mit ihr sprechen wir über Hinterfragen nach der Sinnhaftigkeit des Jobs, persönlicher Wertewandel sowie neue Herausforderungen.

Es gibt zahlreiche Gründe, warum Beschäftigte unzufrieden mit ihrem Job sind. Für viele ist aber eine berufliche Neuorientierung keine Option. Was sind die häufigsten Gründe, die zu einer Jobunzufriedenheit führen?

Christiane Karsch: Nach meinen Erfahrungen sind die häufigsten Gründe für Unzufriedenheit das Hinterfragen nach der Sinnhaftigkeit des Jobs und ein persönlicher Wertewandel. Bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit geht es nicht unbedingt um die große Frage nach dem Sinn des Lebens, sondern eher um die Frage, ob einen der Job aus- bzw. erfüllt. Um das beantworten zu können, ist es hilfreich zu wissen, was einem im Leben bzw. an der Arbeit wichtig ist und welche Wünsche noch unerfüllt sind. Zudem verändern sich im Lauf des Lebens die Prioritäten. Wer vielleicht früher gerne auf Dienstreise ging, weil er oder sie damit Freiheit und Unabhängigkeit verband, vollzieht mit einer Familiengründung oder anderen bindenden Beziehungen einen Wertewandel. Nun stehen eher Work-Life-Balance oder familienfreundliche Arbeitszeiten im Fokus. Wenn sich Arbeitgeber auf die Veränderung der individuellen Werte und die persönliche Entwicklung der Beschäftigten nicht einstellen, wächst die Unzufriedenheit an der ganzen Organisation. Darüber hinaus können auch sonstige Veränderungen im beruflichen Kontext wie etwa neue Führungskraft, neue Strategie des Unternehmens oder Aufgaben, die einen über- oder unterfordern, zu Unzufriedenheit führen.

Woher weiß man, dass es Zeit ist den Job zu wechseln, um sich neuen Herausforderungen zu stellen?

Christiane Karsch: Die Erkennungsmerkmale können bei jedem unterschiedlich ausfallen. Meistens ist es jedoch der Körper, der einem Signale sendet. Ich erläutere das gerne mit dem Bild eines feinen Kaktusstachels: Wenn man mit einem Kaktus in Berührung kommt und der feine Stachel unter die Haut kommt, schmerzt es kurz, doch der Schmerz vergeht wieder. Dieser Stachel wird im Job häufig durch eine Situation (z.B. bei der Beförderung nicht berücksichtigt worden, neues Aufgabengebiet kommt hinzu, man fühlt sich von Kolleg*innen ausgenutzt) ausgelöst, die auf einmal als „schmerzend“ empfunden wird. Durch den Arbeitsalltag und überlagernde Erlebnisse verschwindet dieser Fokus wieder. Nur wenn man an die Stelle kommt, wo der Stachel sitzt, schmerzt es. Das heißt, im Job stacheln einen eher die Dinge an, die einem missfallen. Das kann wiederum zu körperlichen Symptomen wie etwa Kopf- oder Rückenschmerzen oder Schlaflosigkeit führen. Spätestens jetzt sollte man sich ernsthaft um den Stachel kümmern, d.h. aktiv eine Veränderung herbeiführen und nicht warten bis es zu einem Burn-out, Bandscheibenvorfall oder anderen Krankheiten kommt.

Viele Beschäftigte über 35 haben Hemmungen sich neu zu orientieren. Kann man im fortgeschrittenen Alter noch adäquat Karriere machen?

Christiane Karsch: Die Frage, die man sich stellen sollte, ist keine Frage des Alters, sondern eher, was möchte ich erreichen und bringe ich die Energie und Leidenschaft dafür mit. Was heißt eigentlich Karriere für mich? Was genau will ich erreichen? Was ist, wenn ich am Ziel angekommen bin? Diese oder ähnliche Fragen sind zielführend. Mit ihrer Beantwortung kommt man seinen eigenen Motiven, Bedürfnisse und Interessen auf die Spur. Damit orientiert man sich an sich selbst und kann all das erreichen, was man aus seinem tiefsten Inneren heraus anstrebt. Was andere sagen, ist das was für ANDERE passt.

Ein Neuanfang ist immer schwer. Wie kann man mentale Hürden der Neuorientierung überwinden?

Christiane Karsch: Mentale Hürden sind gedankliche Konstruktionen, die jede Person selbst errichtet. Anders gesagt: Wenn man schwierig denkt, dann wird es schwierig. Man kann genauso sagen: „Ein Neuanfang birgt Entwicklungschancen. Ich schaue neugierig und offen, auf das, was kommt. Und wenn ich die Veränderung vollzogen habe, blicke ich voller Stolz darauf, wie ich die Herausforderungen gemeistert habe.“ Es geht also nicht darum, mentale Hürden zu überwinden, sondern sich mentale Gewinne vor Augen zu führen.

Was muss man also tun, damit eine berufliche Neuorientierung gelingt?

Christiane Karsch: Eine berufliche Neuorientierung ist mit einer Reise in ein unbekanntes Land vergleichbar. Man sollte sich gut darauf vorbereiten und sich klar darüber werden, was man im beruflichen Neuland erfüllt haben möchte und erleben will. Hier ein paar Fragen, die helfen sich vorzubereiten: „Welche Bedürfnisse habe ich? Was ist mir wichtig? Welche Interessen und Erwartungen habe ich? Was bringe ich mit? Was kann ich? Was soll so bleiben, wie es ist und was soll wie anders sein?“ Ansonsten könnte es sein, dass man von der Reise enttäuscht ist. Wer sich mit diesen und ähnlichen Fragen intensiv auseinandergesetzt und möglichst verschriftlicht hat, sollte sich erst danach mit dem Arbeitsmarkt und den Möglichkeiten vertraut machen. Denn nun kann man viel besser einschätzen, welcher Job wirklich zu einem passt und welche sich ausschließen lassen.

Was raten Sie Beschäftigten, die mit dem Gedanken spielen, den Beruf zu wechseln?

Christiane Karsch: Ich empfehle zunächst einmal hinzuschauen, was genau zum Wunsch nach einer beruflichen Veränderung führt. „Von was genau will ich weg? Wo genau will ich hin?“, sind die Kernfragen. Manchmal kommt man bei der Beantwortung der Fragen zum Ergebnis, dass nur eine kleine Veränderung im derzeitigen Job schon die Zufriedenheit wiederherstellen kann. Wer jedoch feststellt, dass ein kompletter Jobwechsel ansteht, dem rate ich zu einer Auszeit vom Arbeitsalltag. Diese Zeit sollte genutzt werden, um sich intensiv mit den oben genannten Fragen zu beschäftigen.

In dieser frühen Veränderungsphase ist es zudem sehr wichtig, sich mit Menschen zu umgeben, die einen in dem Wunsch nach Neuorientierung bekräftigen. Bedenkenträger und Zauderer rauben sämtliche Energie und gute Ideen.

Wer schon eine Idee hat, was der nächste berufliche Schritt sein könnte, sollte sich mit dem neuen Arbeitsfeld vorher vertraut machen. Man kann z.B. mit Personen Kontakt aufnehmen, die in dem Gebiet arbeiten und sie befragen. So kann man klären, ob die Erwartungen an das angestrebte Arbeitsfeld mit der Realität übereinstimmen.

Und last but not least, empfehle ich Personen, die sich beruflich verändern möchten, sich mit Selbstcoaching-Übungen zu beschäftigen oder sich von einer*m professionellen Coach für berufliche Neuorientierung begleiten zu lassen, um Unbewusstes ins Bewusstsein zu holen sowie andere Perspektiven und Impulse zu gewinnen.

Frau Karsch, vielen Dank für das Gespräch!

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