Daniela Hangarter: Rechtswirksame Abmahnung hat drei Bestandteile

Interview mit Daniela Hangarter
Daniela Hangarter ist Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei in Frankfurt am Main. Mit ihr sprechen wir über Pflichtverletzung am Arbeitsplatz, Gründe für eine Abmahnung sowie Fehlverhalten des Arbeitnehmers.

Verletzt ein Arbeitnehmer seine Pflichten, muss er mit einer Abmahnung rechnen. Was sind die häufigsten Gründe für eine Abmahnung?

Daniela Hangarter: Grundsätzlich kann jede denkbare Pflichtverletzung Anlass für den Ausspruch einer Abmahnung sein. Häufige Gründe sind Zuspätkommen, Verstöße gegen Arbeitsanweisungen oder betriebliche Richtlinien und Verstöße gegen die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten bei Arbeitsunfähigkeit (z.B., wenn der Arbeitnehmer sich nicht ordnungsgemäß krankmeldet oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht oder zu spät einreicht).

Eine Abmahnung soll im Prinzip drei Funktionen erfüllen: Welche sind das?

Daniela Hangarter: Durch die Abmahnung wird das Fehlverhalten des Arbeitnehmers dokumentiert (Beweisfunktion). Ferner rügt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für sein Fehlverhalten (Rüge- bzw. Beanstandungsfunktion). Außerdem wird der Arbeitnehmer durch die Abmahnung darauf hingewiesen, dass er bei erneutem Fehlverhalten mit einer Kündigung rechnen muss (Warnfunktion).

Für eine Abmahnung muss der Arbeitnehmer gute Gründe vorweisen können. Was muss eine rechtswirksame Abmahnung beinhalten?

Daniela Hangarter: Eine rechtswirksame Abmahnung hat drei Bestandteile. Erstens muss das vom Arbeitgeber beanstandete Verhalten genau umschrieben werden. Dazu gehört auch die Angabe, wann die Pflichtverletzung begangen wurde. Eine lediglich pauschale Beschreibung reicht nicht aus. Rügt der Arbeitgeber z.B. das Zuspätkommen eines Mitarbeiters, könnte die Beschreibung lauten: „Sie sind am 1. Dezember 2021 erst um 8:30 Uhr und demnach 30 Minuten nach dem vertraglich vereinbarten Arbeitsbeginn zur Arbeitszeit erschienen.“ Nicht wirksam wäre hingegen: „Sie sind in den letzten Wochen häufig zu spät gekommen.“

Zweitens muss der Arbeitgeber den Mitarbeiter auffordern, das gerügte Verhalten zu unterlassen und sich zukünftig vertragsgerecht zu verhalten. Der dritte Bestandteil einer Abmahnung ist die Androhung einer Kündigung für den Fall, dass der Mitarbeiter das gerügte Fehlverhalten wiederholt. Fehlt diese Androhung, handelt es sich nicht um eine Abmahnung, sondern lediglich um eine so genannte Ermahnung. Möchte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt wegen Fehlverhaltens des Mitarbeiters kündigen, ist in der Regel mindestens eine vorherige Abmahnung wegen eines gleichartigen Fehlverhaltens erforderlich; bloße Ermahnungen sind nicht ausreichend.

Bei einer Abmahnung müssen auch bestimmte zeitliche Fristen eingehalten werden. Welche Fristen muss der Arbeitgeber hier einhalten bzw. wann ist eine Abmahnung zu früh und wann zu spät?

Daniela Hangarter: Es gibt keine strikte Frist, innerhalb derer eine Abmahnung ausgesprochen werden muss. Das Recht zum Ausspruch einer Abmahnung kann jedoch verwirken, wenn der Arbeitgeber nach der Pflichtverletzung durch den Mitarbeiter längere Zeit vergehen lässt und zu erkennen gibt, er werde den Vorfall auf sich beruhen lassen. Daher sollte der Arbeitgeber die Abmahnung zeitnah aussprechen und nicht länger als zwei bis drei Wochen warten, um auf den Vorfall zu reagieren.

Welche Möglichkeiten haben Arbeitnehmer, um gegen eine unrechtmäßige Abmahnung vorzugehen?

Daniela Hangarter: Hält der Arbeitnehmer die Abmahnung für unrechtmäßig, kann er Klage auf Entfernung der Abmahnung beim Arbeitsgericht erheben. Dies ist aber nicht zwingend erforderlich. Auch wenn der Arbeitnehmer nicht klagt, bedeutet dies nicht, dass er die Abmahnung akzeptiert. Sollte der Arbeitgeber zu einem späteren Zeitpunkt eine verhaltensbedingte Kündigung wegen eines gleichartigen Fehlverhaltens aussprechen, kann der Arbeitnehmer auch im Kündigungsschutzverfahren noch geltend machen, dass die Abmahnung unrechtmäßig war.

Klagt der Arbeitnehmer gegen die Abmahnung, ist dies in der Praxis häufig der Auftakt zu Verhandlungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist dies nicht im Interesse des Arbeitnehmers, ist es strategisch sinnvoller, nicht gerichtlich gegen die Abmahnung vorzugehen, sondern eine Gegendarstellung zu verfassen und um deren Aufnahme in die Personalakte zu bitten. Dies erspart auch die Anwaltskosten, die für eine Klage gegen die Abmahnung anfallen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren in der ersten Instanz jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten zu tragen hat – unabhängig davon, welche Partei den Rechtsstreit gewinnt.

Eine Abmahnung kann ein Dorn im Auge des Arbeitnehmers sein. Wann besteht Anspruch auf Entfernung der Abmahnung?

Daniela Hangarter: Ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich zu unbestimmt ist, unrichtige Tatsachen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

Frau Hangarter, vielen Dank für das Gespräch!

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