Dr. Michael Wilhelm Weber: Kombination flexibler Arbeitszeitmodelle

Interview mit Dr. Michael Wilhelm Weber
Dr. Michael Wilhelm Weber ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB in München. Mit ihm sprechen wir über Telearbeit, Arbeitszeitgesetz sowie arbeitsschutzrechtliche Vorschriften.

Vor allem während der Corona-Pandemie hat das Thema Telearbeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten eine zunehmend größere Rolle eingenommen. Wie unterscheiden sich Telearbeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten im rechtlichen Sinne?

Dr. Michael Wilhelm Weber: Tatsächlich existieren zum Thema Telearbeit sehr unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten und Begrifflichkeiten. Telearbeit ist der Oberbegriff für Homeoffice und mobile Arbeit. Gemeinsam ist beiden Varianten, dass die Arbeitsleistung nicht in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers erbracht werden soll. Für Homeoffice (auch Teleheimarbeit genannt) ist wesensprägend, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in seiner Wohnung zu verrichten hat. Der Arbeitsplatz außerhalb des Betriebs ist also fest vereinbart. Demgegenüber meint mobile Arbeit im klassischen Sinne, dass der Arbeitnehmer weitgehend frei bestimmen kann, von wo aus er seine Arbeitsleistung erbringen will. Im Gegensatz zum Homeoffice ist also kein konkreter Arbeitsplatz vereinbart. Vielmehr kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung auf der Couch, im Hotel oder auf Reisen verrichten. Denkbar sind auch Kombinationen beider Varianten mit einer Tätigkeit im Büro. Man spricht dann von alternierender Tele(heim)arbeit. Daneben kennt die Arbeitsstättenverordnung noch den Begriff „Telearbeitsplatz“. Darunter sind alle von dem Arbeitgeber fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich des Arbeitnehmers zu verstehen.

Beim Arbeiten im eigenen Wohnhaus ergeben sich oft arbeitsrechtliche Fragen. Gelten die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes auch für Tele- und mobile Arbeit und welche weiteren arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften gelten hier?

Dr. Michael Wilhelm Weber: Auch für die Telearbeit gelten die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes grundsätzlich uneingeschränkt. Insbesondere sind die werktägliche und wöchentliche Arbeitszeit, die Ruhepausen zwischen zwei Arbeitsschichten und die Sonn- und Feiertagsruhe einzuhalten. Allerdings ist Telearbeit in der Praxis häufig mit flexiblen Arbeitszeitmodellen kombiniert, v.a. mit Vertrauensarbeitszeit. Die Einhaltung der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes muss der Arbeitgeber dennoch kontrollieren. Ferner sind im Rahmen der Telearbeit grundsätzlich die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes zu beachten. Arbeitgeber haben die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Telearbeit zu gewährleisten und eine Gefährdung möglichst gering zu gehalten. Die konkreten Anforderungen an den Arbeitsschutz hängen von der Ausgestaltung der Telearbeit im Einzelfall ab. Denn insbesondere bei der mobilen Arbeit bestehen kraft Natur der Sache nur sehr eingeschränkte Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten des Arbeitgebers. Für eingerichtete Telearbeitsplätze sieht die Arbeitsstättenverordnung dagegen sehr umfassende arbeitsschutzrechtliche Anforderungen an die Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen vor.

Auch beim Arbeiten von Zuhause können Verstöße gegen Arbeitszeiten geahndet werden. Welche Sanktionen drohen bei Nichtbeachtung der Arbeitszeit und der Arbeitsschutzvorschriften?

Dr. Michael Wilhelm Weber: Wer als Arbeitgeber vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Rahmenbedingungen des Arbeitszeitgesetzes verstößt, handelt ordnungswidrig. Insbesondere können Verstöße gegen die Pflicht, die Einhaltung der Arbeitszeit regelmäßig und in ausreichender Weise zu kontrollieren, mit einem Bußgeld geahndet werden. Auch Verstöße gegen den Arbeitsschutz können mit einem Bußgeld geahndet werden, ferner sind Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers denkbar.

Was kann der Arbeitgeber gegen einen mutmaßlichen Arbeitszeitbetrug beim Arbeiten im Homeoffice tun?

Dr. Michael Wilhelm Weber: Tatsächlich wird sich ein Arbeitszeitbetrug während der Telearbeit – insbesondere bei Vertrauensarbeit – nur sehr schwer nachweisen lassen. Eine Verdachtskündigung kommt nur dann in Betracht, wenn auf Grund objektiver Tatsachen eine große Wahrscheinlichkeit für einen Arbeitszeitbetrug spricht. Entscheidend wäre die Stichhaltigkeit der Verdachtsmomente im Einzelfall. Fehlen hinreichende Verdachtsmomente, kann der Arbeitnehmer an den betrieblichen Arbeitsplatz zurückgerufen werden, nämlich – abhängig vom Einzelfall – durch Ausübung des Direktionsrechts, eines Widerrufsrechts oder durch Ausspruch einer Änderungskündigung.

Technische Möglichkeiten zur Überwachung von Arbeitnehmern gibt es zuhauf. Aber darf der Arbeitgeber seine Mitarbeiter beim Arbeiten zuhause überhaupt überwachen und welche Möglichkeiten sind dabei legal und welche nicht?

Dr. Michael Wilhelm Weber: Eine Überwachung des Arbeitnehmers während der Telearbeit ist aus rechtlicher Sicht nur sehr eingeschränkt möglich. Die bloße Kontrolle der Arbeitszeiten anhand von Log-In-Daten – analog dem Einstempeln am Arbeitsplatz – wird grundsätzlich noch für zulässig gehalten. Eine anlasslose Überwachung der tatsächlichen Arbeitsaktivität ist hingegen ebenso wie eine Überwachung der Tastatureingaben (durch sog. Keylogger) oder eine Dauerüberwachung der Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Etwas anderes gilt in besonderen Ausnahmefällen allenfalls dann, wenn auf Grund konkreter Tatsachen ein begründeter Verdacht schwerwiegender Pflichtverletzungen besteht.

Herr Dr. Weber, vielen Dank für das Gespräch!

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