Katja Hinz: Frühes Handeln ist angesagt

Interview mit Katja Hinz
Katja Hinz ist selbständiger Coach für berufliche Neuorientierung. Mit ihr sprechen wir über Gründe für Jobunzufriedenheit, Resignation und mögliche Auswege.

Es gibt zahlreiche Gründe, warum Beschäftigte unzufrieden mit ihrem Job sind. Für viele ist aber eine berufliche Neuorientierung keine Option. Was sind die häufigsten Gründe, die zu einer Jobunzufriedenheit führen?

Katja Hinz: Der häufigste Grund, der zu einer Jobunzufriedenheit führt, ist, dass der Job nicht zu den eigenen Stärken, Werten oder Bedürfnissen passt.

– Passt er nicht zu den eigenen Stärken, muss man sich ständig verbiegen und doppelt anstrengen. Bin ich kommunikativ, kontaktfreudig und leistungsorientiert, fällt der Job als S-Bahn-Fahrer raus. Bin ich introvertiert, penibel und schotte mich gerne ab, wird mir ein Arbeitstag im quirligen Großraumbüro wiederum sehr schwer fallen.

– Genauso muss der Job zu meinen Werten passen. Ein Beispiel: Bin ich ehrlich, traditionsbewusst und geduldig, fühle ich mich beim Goldschmied wohl. Sind mir Werte wie Abenteuer, Flexibilität, Unabhängigkeit und Abwechslung wichtig, ist es mir dort möglicherweise nach einer Woche langweilig.

– Genauso lohnt sich ein Blick auf die weiteren Bedürfnisse: Möchte ich routiniert abarbeiten oder täglich Neues bewegen? Möchte ich im Team arbeiten oder als Freelancer meinen eigenen Kopf durchsetzen? Möchte ich in Teilzeit arbeiten und Job und Familie vereinbaren, oder reizt mich das Neue, Unvorhersehbare?

Genauso sind natürlich Rahmenbedingungen ein großer Faktor für Glück oder Unglück im Job: Wie lang ist der Arbeitsweg, wie ist die Vertragsart, stimmt die Arbeitsatmosphäre im Büro, wie finde ich meine Kollegen, passt die Vergütung, welche Benefits sind noch gegeben? Die Liste ist meist lang – und das ist auch gut so.

Woher weiß man, dass es Zeit ist den Job zu wechseln, um sich neuen Herausforderungen zu stellen?

Katja Hinz: Gefällt einem der eigene Job nicht mehr so gut, ist der erste Schritt, sich das genauso einzugestehen. Dann sollte ich mich fragen: Was kann ICH daran ändern? Das offene Gespräch mit der nervigen Kollegin, das Mitarbeitergespräch mit der Chefin oder dem Chef, das Feierabendbierchen mit der verfeindeten Abteilung – oft hilft ein kleiner Anstoß zu großen Veränderungen. Denn ist die Resignation da, kommt es schnell zur „inneren Kündigung“, und dann sollte man sich schnell auf die Suche nach etwas Neuem machen. Denn geht man erst einmal morgens mit Bauchschmerzen zur Arbeit, kommt man aus dem Teufelskreis meist schwer wieder heraus. Frühes Handeln ist also angesagt. 🙂

Viele Beschäftigte über 35 haben Hemmungen sich neu zu orientieren. Kann man im fortgeschrittenen Alter noch adäquat Karriere machen?

Katja Hinz: Fast alle meine KundInnen sind über 35 und möchten sich neu orientieren. 😉 Wenn man 35 Jahre alt ist, wird man ja noch mindestens 30 Jahre arbeiten – es spricht also definitiv nichts dagegen, sich noch einmal neu umzuschauen. 🙂

Ein Neuanfang ist immer schwer. Wie kann man mentale Hürden der Neuorientierung überwinden und was muss man tun, damit eine berufliche Neuorientierung gelingt?

Katja Hinz: Hier hilft es, die Erwartungen herunterzuschrauben. Niemand muss von jetzt auf gleich einen komplett neuen Beruf erlernen, und meistens geht es darum auch gar nicht in der beruflichen Neuorientierung. Es geht darum, ein paar Schritte zurückzugehen, und einmal in sich hineinzufühlen: Was bringt mir Spaß? Was möchte ich machen? Welche Anforderungen muss ein Beruf oder Job erfüllen? Welche Ziele habe ich, und welche Bedürfnisse? Welche Stärken, Ressourcen und Erfahrungen bringe ich mit? Was bringe ich NICHT mit – welche fachlichen Kenntnisse fehlen mir und wie und wann könnte ich mir diese beschaffen? Was brauche ich für eine erfolgreiche berufliche Neuorientierung? Es geht darum, sich über seine eigenen Vorstellungen bewusst zu werden und dann Schritt für Schritt in die Umsetzung zu kommen. Diese Fragen klingen trivial, aber die Beantwortung ist oft nicht leicht! Oft hilft es auch, sich Fragen zu stellen wie „Wenn ich 30 Millionen Euro auf dem Konto hätte – was würde ich trotzdem jeden Tag tun?“ Und „mentale Hürden“ haben auch immer eine Legitimation: Das Sicherheitsdenken, der so genannte innere Bodyguard, bewahrt mich zum Beispiel davor, von einem Tag auf den anderen Tag alles hinzuschmeißen, sondern in Ruhe die nächsten Schritte zu planen. Habe ich zum Beispiel Lust, eine Yogalehrerausbildung zu machen, ist der erste Schritt nicht die Jobkündigung, sondern ein Zeitplan: Wie kann ich in den Beruf des Yogalehrers reinschnuppern und Praxiserfahrung sammeln, um herauszufinden, ob mir das gefällt? Wie könnte eine geeignete Ausbildung aussehen? Wie stelle ich mir den neuen Beruf als Yogalehrer genau vor, wie würde ein Beispieltag aussehen? Was könnten Nachteile oder Fallstricke aussehen und wie könnte ich ihnen begegnen? Viele Denkprozesse passieren noch parallel zum bestehenden Job. Wenn die eigenen Bedürfnisse und Ziele nicht spürbar sind, hilft oft der der Blick von außen, um wieder ins Spüren zu kommen, was man eigentlich braucht. Ein erfahrener Coach kann in Einzel- oder Gruppensessions den Umorientierungs-Prozess (der sich häufig über mehrere Monate zieht) begleiten.

Frau Hinz, vielen Dank für das Gespräch!

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