Marco Atmaca: Rechtswirksamkeit einer Abmahnung

Interview mit Marco Atmaca
Marco Atmaca ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in seiner auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei ATMACA ARBEITSRECHT. Mit ihm sprechen wir über arbeitsvertragliche Pflichten, Nichtbefolgen von Arbeitsanweisungen sowie rechtswirksame Abmahnungen.

Verletzt ein Arbeitnehmer seine Pflichten, muss er mit einer Abmahnung rechnen. Was sind die häufigsten Gründe für eine Abmahnung?

Marco Atmaca: Der Arbeitgeber erteilt in der Regel dann eine Abmahnung, wenn es zu leichten bis mittelschweren Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten gekommen ist. Klassiker hier sind das verspätete Erscheinen am Arbeitsplatz, das Nichtbefolgen von Arbeitsanweisungen, mangelhafte Leistungen oder auch die verspätete Vorlage von Krankmeldungen oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Bei schweren Verstößen dagegen kann der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung ggf. auch auf eine Abmahnung verzichten. Solche schweren Verstöße sind z.B. (versuchte) Vermögensstraftaten zum Nachteil des Arbeitgebers oder Beleidigungen bzw. Tätlichkeiten gegenüber dem Vorgesetzen oder Kollegen.

Eine Abmahnung soll im Prinzip drei Funktionen erfüllen: Welche sind das?

Marco Atmaca: Die Abmahnung erfüllt folgende Funktionen:

– Dokumentationsfunktion: Der Arbeitgeber hält schriftlich fest, wann der Arbeitnehmer wo welchen Pflichtverstoß begangen hat.

– Ermahnungsfunktion: Der Arbeitgeber erklärt ausdrücklich, dass er mit dem Verhalten des Arbeitnehmers nicht einverstanden ist, da dieser gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen habe.

– Warnfunktion: Der Arbeitgeber macht dem Arbeitnehmer unmissverständlich klar, dass er für den Fall eines gleichgelagerten Pflichtverstoßes mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen muss.

Für eine Abmahnung muss der Arbeitnehmer gute Gründe vorweisen können. Was muss eine rechtswirksame Abmahnung beinhalten?

Marco Atmaca: Elementar für eine rechtswirksame Abmahnung ist die Einhaltung der unter 2. genannten drei Elemente. Vergisst der Abmahnende – nebenbei: Auch ein Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber abmahnen – auch nur eines der drei Elemente, dürfte die Abmahnung rechtswidrig sein. Wichtig ist auch, dass die Abmahnung von einer zum Ausspruch von Abmahnungen berechtigten Person ausgesprochen wird. Nicht entscheidend für die Wirksamkeit, aber dennoch dringend zu empfehlen, ist der Ausspruch einer schriftlichen Abmahnung. Soll heißen: Auch mündliche Abmahnungen können wirksam sein, das Problem könnte sich dann auf der Ebene der Beweisführung ergeben.

Bei einer Abmahnung müssen auch bestimmte zeitliche Fristen eingehalten werden. Welche Fristen muss der Arbeitgeber hier einhalten bzw. wann ist eine Abmahnung zu früh und wann zu spät?

Marco Atmaca: Grundsätzlich gelten jedenfalls keine starren Fristen für die Frage, bis wann ein Arbeitgeber eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers abmahnen kann. Allerdings kann es vorkommen, dass der Arbeitgeber eine Kündigung nicht mehr auf eine zuvor wegen eines gleichgelagerten Falles ausgesprochene Abmahnung stützen kann, wenn seit der Abmahnung zwei oder mehr Jahre vergangen sind, in denen der Arbeitnehmer sich wohlverhalten hat. Auch denkbar ist die Situation, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wegen eines Pflichtverstoßes nur „ermahnt“ hat, also ohne z.B. die arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie eine Kündigung in Aussicht zu stellen. Dann kann eine erst später wegen desselben Vorfalls ausgesprochene Abmahnung rechtsunwirksam sein.

Welche Möglichkeiten haben Arbeitnehmer, um gegen eine unrechtmäßige Abmahnung vorzugehen?

Marco Atmaca: Tatsächlich ist eine Möglichkeit, nichts zu tun. Denn die Abmahnung selbst ändert ja im Grunde noch nichts, sondern ist mögliche Grundlage für eine spätere Kündigung, sofern es zum wiederholten Pflichtverstoß kommt. Im Rahmen eines späteren Kündigungsschutzverfahrens würde die Rechtmäßigkeit der Abmahnung dann ohnehin geprüft werden. Fühlt ein Arbeitnehmer sich zu Unrecht abgemahnt, wird er dies aber in der Regel nicht so stehen lassen wollen. Er kann nun Folgendes tun:

– Abgabe einer Gegendarstellung, welche auf Verlangen des Arbeitnehmers auch zur Personalakte genommen werden muss.

– Beschwerde beim Betriebsrat, sofern es im Unternehmen einen solchen gibt.

– Klage auf Rücknahme der Abmahnung (und/oder auf Entfernung aus der Personalakte, sofern der Arbeitgeber die Abmahnung in die Personalakte aufgenommen hat).

Eine Abmahnung kann ein Dorn im Auge des Arbeitnehmers sein. Wann besteht Anspruch auf Entfernung der Abmahnung?

Marco Atmaca: Wie bereits dargestellt, muss man gegen eine Abmahnung nicht zwingend vorgehen. Aber insbesondere Arbeitnehmer, die eine innerbetriebliche Karriere in größeren Unternehmen planen, haben großes Interesse daran, sofort gegen eine unberechtigte Abmahnung vorzugehen, damit diese nicht „sinnlos“ in der Personalakte verbleibt. Zum Beispiel kann es bei Wechsel des Vorgesetzten oder innerhalb der Personalabteilung hilfreich sein, wenn „die Neuen“ gar nicht erst auch auf vermeintlich unberechtigte Vorwürfe aufmerksam werden. Ist die Abmahnung zu Unrecht ausgesprochen worden und in der Personalakte, kann man den Anspruch auf Entfernung gerichtlich durchsetzen.

Herr Atmaca, vielen Dank für das Gespräch!

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