Beate Wieloch: In der Regel kann der Mieter Baumaßnahmen nicht verhindern

Interview mit Beate Wieloch
Beate Wieloch ist Assessorin bei Deutscher Mieterbund Bonn/Rhein-Sieg/Ahr e.V. Mit ihr sprechen wir über Duldungspflicht des Mieters, Renovierungsarbeiten durch den Vermieter sowie Sonderkündigungsrecht.

Im Bereich des Wohnraummietrechts ergibt sich eine Duldungspflicht des Mieters bei Erhaltungsmaßnahmen. Dafür wurde der Paragraph § 555a Abs. 1 BGB erlassen. Der Vermieter darf damit vermieteten Wohnraum zur Erhaltung renovieren. Der Mieter muss dem zustimmen. Was tut der Gesetzgeber für einen Interessensausgleich?

Beate Wieloch: Der Mieter muss Erhaltungsmaßnahmen in der Regel dulden (aber diesen nicht zustimmen), zumal der Vermieter auch zur Erhaltung der Mietsache verpflichtet ist. Das gilt allerdings nicht ausnahmslos. Die Maßnahme muss vor allem erforderlich sein, wobei hier dem Vermieter ein weiter Beurteilungsspielraum zugebilligt wird. Auch darf weder die Maßnahme noch die Art und Weise ihrer Durchführung schikanös sein oder gegen Treu und Glauben verstoßen. Bei Erhaltungsmaßnahmen findet – anders als bei Modernisierungsmaßnahmen – zwar keine Interessenabwägung statt. Aber die Maßnahme muss dem Mieter zumutbar sein. Das kann bedeutsam sein bei der Frage, ob die Maßnahme selbst geduldet werden muss, genauso wie bei der Frage, ob der Mieter die Art und Weise der Ausführung hinnehmen muss. Beispielsweise muss der Mieter nicht hinnehmen, dass der Vermieter die Maßnahmen unnötig in die Länge zieht. Auch muss der Mieter beispielsweise keine ungewöhnliche Farbe des Bodenbelags im Falle eines Austauschs dulden. Allerdings ist der Vermieter nicht verpflichtet, Farbwünschen des Mieters zu entsprechen. Der Mieter muss selbst keine für die Durchführung der Arbeiten notwendigen Maßnahmen treffen. Tut er dies, hat er aber einen Aufwendungsersatzanspruch, beispielsweise für Reinigungsarbeiten, Kosten für die Beaufsichtigung der Wohnung während der Dauer der Arbeiten, Ab- und Aufbau von Möbeln usw., (jedoch keinen Anspruch auf Ersatz von Kosten für verlorene Freizeit). Auch hat er – je nach Umfang und Auswirkung der Maßnahmen – Anspruch auf Minderung der Miete gem. § 536 BGB für die Dauer der Arbeiten.

Wann können Vermieter mit einer Duldungsklage drohen, um die Instandhaltungs-Maßnahmen durchzusetzen?

Beate Wieloch: Da der Mieter erforderliche Instandsetzungsmaßnahmen in der Regel zu dulden hat, kann der Vermieter für den Fall, dass der Mieter die Duldung der Arbeiten verweigert, stets mit einer Klage drohen. Bei der Beurteilung der Frage, ob Maßnahmen erforderlich sind, ist dem Vermieter ein weiter Beurteilungsspielraum einzuräumen. Dem Vermieter obliegt grundsätzlich die Beurteilung, ob Maßnahmen notwendig sind und wie diese ausgeführt werden sollen, es sei denn, diese sind dem Mieter nicht zumutbar. Sind die Maßnahmen allerdings zumutbar, hat der Mieter die Maßnahme zu dulden. Weigert er sich, riskiert er unter Umständen eine Klage und ggf. auch Schadenersatzansprüche. Die Maßnahmen sollten daher im Zweifel geduldet werden, es sei denn, es liegen krasse Ausnahmefälle vor (z.B. Austausch der maroden Fenster im Winter).  

Es heißt, Vermieter streben oft eine Modernisierung an, um die Miete einer Immobilie erhöhen zu können. In welchen Fällen hat ein Mieter das Recht Baumaßnahmen zu verhindern?

Beate Wieloch: In der Regel kann der Mieter Baumaßnahmen nicht verhindern, sondern muss diese dulden. Der Mieter muss Modernisierungsmaßnahmen allerdings dann nicht dulden, wenn diese für ihn, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine unbillige Härte darstellen. Das Gesetz sieht verschiedene Härtegründe in § 555d BGB vor. Bei der Frage nach der Duldungspflicht sind sowohl die vorzunehmenden Arbeiten als auch die baulichen Folgen zu berücksichtigen. So kann eine Duldungspflicht aufgrund hohen Alters oder eines schlechten Gesundheitszustands des Mieters oder eines anderen Bewohners der betroffenen Wohnungen entfallen, wenn die durchzuführenden Arbeiten zu einer entsprechenden Belastung führen. Als bauliche Folge muss der Mieter beispielsweise nicht dulden, dass sich der Zuschnitt der Wohnung wesentlich zu seinen Ungunsten ändert.

Auch vom Mieter vorgenommen Investitionen in die Wohnung können eine Härte begründen. Hat der Mieter beispielsweise mit Wissen und Wollen des Vermieters das Badezimmer auf eigene Kosten umgebaut, sind die getätigten Investitionen bei der Frage, ob die vom Vermieter angekündigten Modernisierungsmaßnahmen im Badezimmer zu dulden sind, zu berücksichtigen. Ebenso kann die zu erwartende Mieterhöhung selbst kann eine Härte begründen. Allerdings ist dieser Aspekt nach einer Gesetzesänderung nur noch bei der Modernisierungsmieterhöhung selbst zu berücksichtigen. Die Durchführung der Maßnahmen muss vom Mieter daher trotzdem geduldet und kann nicht verhindert werden.

Letztlich hat stets eine Abwägung zwischen den Interessen des Mieters sowie des Vermieters zu erfolgen. Die Rechtsprechung lässt nur in einem eingeschränkten Umfang die Duldungspflicht des Mieters entfallen. Das Risiko, sich als Mieter ggf. Schadenersatzansprüchen des Vermieters auszusetzen, wenn die Duldung einer Modernisierungsmaßnahme verweigert wird, ist daher nicht unerheblich und stets für den jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Eine etwaige Härte muss außerdem bis zum Ende des Monats, der auf den Zugang der Modernisierungsankündigung folgt, geltend gemacht werden. Geht die Ankündigung im Mai zu, muss bis Ende Juni ein Härtegrund geltend gemacht werden. Andernfalls ist der Mieter mit der Geltendmachung ausgeschlossen, auch wenn die Härtegründe vorliegen. Diese Frist gilt jedenfalls dann, wenn der Vermieter auf die Frist in dem Ankündigungsschreiben hingewiesen hat. Fehlt der Hinweis, können die Härtegründe auch noch nach Ablauf der Frist geltend gemacht werden. Umstände, die eine Härte im Hinblick auf die Erhöhung der Miete begründen, müssen allerdings bis zum Beginn der Baumaßnahmen mitgeteilt werden.

Wann gewährt das Gesetz dem Mieter ein Sonderkündigungsrecht, wenn beispielsweise eine Mieterhöhung für diesen nicht finanzierbar ist?

Beate Wieloch: Ein Sonderkündigungsrecht im Falle einer Modernisierungsmieterhöhung besteht immer, und zwar zu zwei verschiedenen Zeitpunkten während des Modernisierungsverfahrens:

Nach Zugang der Modernisierungsankündigung kann der Mieter das Mietverhältnis gem. § 555 e BGB außerordentlich zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen. Die Kündigung muss dabei bis zum Ablauf des Monats erfolgen, der auf den Zugang der Ankündigung folgt. Geht die Modernisierungsankündigung beispielsweise im Mai zu, muss die Kündigung bis Ende Juni zu Ende Juli erfolgen.

Nach Zugang der Modernisierungsmieterhöhung kann der Mieter gem. § 561 BGB bis zum Ablauf des zweiten Monats nach dem Zugang der Erklärung des Vermieters das Mietverhältnis zum Ende des übernächsten Monats kündigen. Geht die Kündigung beispielsweise im Mai zu, kann der Mieter bis Ende Juli zu Ende September kündigen. Die Wirkungen der Modernisierungsmieterhöhung treten in diesem Fall nicht ein, d.h. dass bis zum Ende des Mietverhältnisses die erhöhte Miete nicht gezahlt werden muss.

Wie lange dürfen Umbau- oder Renovierungsmaßnahmen dauern, um den Mieter nicht zu lange zu belasten? Kann dieser ansonsten eine Entschädigungsleistung erhalten?

Beate Wieloch: Für die Dauer von Umbau- oder Renovierungsmaßnahmen sind keine bestimmten Fristen festgelegt, da jede Modernisierungsmaßnahme anders ist. Diese sollte jedoch annähernd dem angekündigten Zeitraum entsprechen. Allerdings können sich Maßnahmen aus verschiedenen Gründen unvorhergesehen verlängern bzw. verzögern. Ob möglicherweise aufgrund überlanger Dauer die Duldungspflicht des Mieters entfällt, ist eine Frage des Einzelfalls. Dies dürfte jedenfalls dann der Fall sein, wenn der Vermieter die Baumaßnahmen aus nicht nachvollziehbaren Gründen in die Länge zieht, beispielsweise die Arbeiten eingestellt werden, weil der Vermieter sich unberechtigterweise weigert, die ausführenden Handwerker zu bezahlen. Der Mieter hat allerdings keinen Anspruch auf Entschädigung allein aufgrund der langen Dauer von Modernisierungsmaßnahmen, jedoch für diesen Zeitraum unter Umständen einen Anspruch auf Mietminderung, wenn die Maßnahmen den Mieter belasten (z.B. Lärm, Schmutz, eingeschränkte Nutzbarkeit der Wohnung, Reduzierung des Lichteinfalls durch Gerüst usw.). Bei energetischen Modernisierungsmaßnahmen ist eine Mietminderung allerdings für die ersten drei Monate der Baumaßnahmen ausgeschlossen.

Ist es richtig, dass eine zu frühzeitige Ankündigung von Umbauarbeiten für den Vermieter von Nachteil sein kann?

Beate Wieloch: Eine zu frühzeitige Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen kann für den Vermieter tatsächlich von Nachteil sein und eine Duldungspflicht des Mieters entfallen lassen, jedenfalls nach Ansicht des LG Berlin (S 67 S 108/20). Als Begründung wird dabei angeführt, dass bei einer zu früh erfolgten Ankündigung das mit der Ankündigung verbundene Sonderkündigungsrecht unterlaufen werde und auch das Recht des Mieters, sich auf Härtegründe zu berufen. Auch wird argumentiert, dass der Zweck der Ankündigungspflicht unterlaufen würde, dem Mieter durch die Angabe des voraussichtlichen Beginns und der Dauer der Baumaßnahmen sowie der zu erwartenden Mieterhöhung eine hinreichend verlässliche Planungs- und Entscheidungsgrundlage für den weiteren Verlauf des Mietverhältnisses zu verschaffen. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass die Modernisierungsmieterhöhung bei einer zu frühzeitigen Ankündigung nach den zum Zeitpunkt der Erhöhung geltenden Vorschriften zu beurteilen ist. Das ist dann relevant, wenn die Vorschriften sich gegenüber dem Zeitpunkt der Ankündigung geändert haben, so wie dies zu Beginn des Jahres 2019 der Fall war. Der auf den Mieter umlegbare Anteil der Modernisierungskosten wurde von 11 % auf 8 % gesenkt und eine Kappungsgrenze für die maximale Erhöhung der Miete eingeführt, so dass die Frage, nach welchen Vorschriften die Folgen der Mieterhöhung zu bewerten sind, durchaus relevant sein kann.

Frau Wieloch, vielen Dank für das Gespräch!

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