In Deutschland lassen sich rund 150.000 Paare jährlich scheiden. Geschiedene Ex-Partner müssen ihre Rentenanwartschaften in Form von einem Versorgungsausgleich aufteilen. Welche Versorgungen werden ausgeglichen und welche nicht?
Christian Bartsch: Der im Rahmen einer Ehescheidung regelmäßig durchzuführende Versorgungsausgleich beschäftigt sich mit dem Ausgleich von Rentenanwartschaften, die ein Ehegatte während der Ehezeit erworben hat. Dies sind regelmäßig Anwartschaften bei den gesetzlichen Rentenversicherungen oder von privaten Versicherungsverträgen wie der Riester- oder Rürup- Rente. Auch wenn der Arbeitgeber eine betrieblichen Altersvorsorge betreibt, unterliegt diese dem Versorgungsausgleich. Bei bestimmten Berufsgruppen, die eine Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, eine berufsständische Versorgung der sogenannten freien Berufe (Anwälte, Notare, Steuerberater, Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Architekten, Seelotsen und Bezirksschornsteinfegermeister) oder eine Altersklasse der Landwirte haben, müssen ihre Anrechte ebenfalls dem Versorgungsausgleich zuführen. Demgegenüber unterfallen private Berufsunfähigkeits- sowie Unfallversicherungen oder Unfall-Zusatzversicherungen nicht dem Versorgungsausgleich, da es sich hierbei um reine Risikoversicherungen handelt und kein Kapital gebildet wird. Auch Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung sind nicht auszugleichen, da sie weder auf eingesetztem Kapital noch Arbeit beruhen. Auch Kapitallebensversicherungen sind grundsätzlich nicht in den Versorgungs-, sondern in den Zugewinnausgleich einzustellen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Vertrag eine Rentenoption erhält und diese zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ausgeübt worden ist. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht dann nicht in den Versorgungsausgleich fallen, wenn zum Zeitpunkt die Entscheidung über den Versorgungsausgleich das Wahlrecht ausgeübt worden ist.
Im Gesetz § 2 VersAusglG wird erfasst, welche Anrechte dem Versorgungsausgleich unterliegen. Was passiert mit der gemeinsamen Immobilie im Scheidungsprozess?
Christian Bartsch: Richtig, die Vorschrift des § 2 Abs. 2 VersAusglG regelt die auszugleichenden Anrechte im Versorgungsausgleich, die sich in den oben benannten Versicherungen ausdrücken. Die gemeinsame Immobilie unterfällt nicht dem Versorgungsausgleich, obwohl sie meist zur Absicherung im Alter erbaut oder erworben worden ist. Denn insoweit ist die Immobilie nicht auf eine Rente gerichtet. Wenn sich die Eheleute trennen und die Ehescheidung einreichen, ändert das erst einmal nichts an den Eigentumsverhältnissen an der Immobilie. Das Schicksal der Immobilie können die Ehegatten selbst bestimmen. Die Immobilie kann entweder gemeinsam verkauft oder an einen Dritten vermietet werden. Oft möchte ein Ehegatte die Immobilie jedoch allein weiter nutzen. Dieser Ehegatte sollte dann auch alleiniger Eigentümer werden. Dies geschieht, indem der andere Ehegatte dem verbleibenden Ehegatten seinen Miteigentumsanteil verkauft und das Eigentum überträgt. Hier muss der verbleibende Ehegatte regelmäßig den anderen Ehegatten auszahlen. Zudem ist dann auch meist zu klären, wie der ausziehende Ehegatte bei einer kreditfinanzierten Immobilie aus der Mithaftung bei der Bank entlassen werden kann. Selbstverständlich können auch beide Ehegatten in der Immobilie verbleiben und diese in zwei getrennte Wohnungen aufteilen, wenn es die baulichen Verhältnisse zulassen. Diese kommt in der Praxis jedoch äußerst selten vor. Einigen sich die Ehegatten nicht, wer die Immobilie weiter nutzen möchte oder diese verkauft werden soll, besteht letztlich noch die Möglichkeit, eine Teilungsversteigerung vorzunehmen. Diese kann jeder Ehegatte nach Ablauf des ersten Trennungsjahres grundsätzlich jederzeit beim zuständigen Amtsgericht beantragen. Allerdings birgt eine Versteigerung regelmäßig ein wirtschaftliches Risiko, weil dann regelmäßig nur ein deutlich niedriger Erlös als bei einem freien Verkauf erzielt werden kann.
Für viele Ex-Partner ist unklar, auf welche Zeit sich der Ausgleich der Anwartschaften erstreckt. Erstreckt sich ein Ausgleich nur auf die Anwartschaften, die die Ehepartner während der Ehe erworben haben?
Christian Bartsch: Diese Frage ist mit einem eindeutigen Ja zu beantworten. Die Vorschrift des § 1 Vers-AusglG bestimmt den Halbteilungsgrundsatz der Anrechte, die in der Ehezeit erworben worden sind. Die Ehezeit wird in § 3 Abs. 1 VersAusglG legaldefiniert, wonach die Ehe- zeit mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist, beginnt und am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrages endet. Dem- nach werden nur die Anwartschaften geteilt, die ein jeder Ehegatte in diesem Zeitraum, also in der Ehezeit, erworben hat.
§ 27 VersAusglG regelt seit November 2016 Ausnahmen beim Ausgleich. In welchen Szenarien teilt das Familiengericht die Rentenansprüche nicht?
Christian Bartsch: Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Hier kommt es regelmäßig auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, es er- fordert also eine Einzelfallprüfung. Folgende Fallgruppen können, vorbehaltlich einer Prüfung im Einzelfall, für einen Ausschluss des Versorgungsausgleiches in Betracht kommen:
– erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht
– Eintritt der Erwerbsunfähigkeit während der Ehe und keine Möglichkeit des Ausbaus der Altersversorgung
– lange Trennungszeit, bei der keine Versorgungsgemeinschaft mehr besteht
– treuwidriges Einwirken auf Anrechte
– Unterhaltspflichtverletzung
– Ausbildungsfinanzierung, wenn z.B. ein Ehegatte das Studium des anderen finanziert und kurz darauf die Ehe geschieden wird
– phasenverschobene Ehe, wenn ein Ehegatte schon Rentner ist und während der Ehe keine Anwartschaften mehr begründet
– Selbstständiger, der es leichtfertig unterlässt, für sein Alter vorzusorgen
– Kindererziehungszeiten bei kurzer Ehe und wenn das Kind kein gemeinschaftliches Kind ist
Die genannten Fallgruppen sind nicht abschließend und können je nach Einzelfall der ehelichen Verhältnisse sicher noch erweitert werden.
Eine einvernehmliche Regelung des Versorgungsausgleichs kann auch erzielt werden. Können Sie uns Umstände nennen, in denen ein Versorgungsausgleich nicht erforderlich ist, bzw. ein Versorgungsausgleich wenig sinnvoll wäre?
Christian Bartsch: Wie bereits gesagt, ist der Versorgungsausgleich fester Bestandteil des Scheidungsverfahrens. Dies muss jedoch nicht bedeuten, dass er auch immer durchzuführen ist. Es kann durchaus Fälle geben, in denen es sich anbietet, auf den Versorgungsausgleich zu verzichten oder diesen notariell auszuschließen. Dies betrifft in der Regel Fälle, in denen eine kurze Ehe von maximal 3 Jahren vorliegt. Dann wird der Versorgungsausgleich nicht von Amts wegen durchgeführt, sondern nur auf Antrag eines Ehegatten. In dieser Situation also ist kein gesonderter Verzicht auf den Versorgungsausgleich erforderlich. Bei einer Kurz-Ehe sind keine erheblichen Rentenanwartschaften entstanden, so dass die Kosten der Teilung bereits höher sind als der tatsächliche Ausgleichswert, womit kein „Rentengewinn“ eintritt.
Wenig sinnvoll ist der Versorgungsausgleich auch dann, wenn die Ausgleichswerte nahezu gleichwertig sind oder nur wenige Rentenpunkte oder Anwartschaften in der Ehe- zeit erworben wurden. In diesem Fall können die Ehegatten den Versorgungsausgleich ausschließen, wobei der Ausschluss hier notariell beurkundet sein muss. Auch wenn beide Ehegatten eine eigene ausreichende private Altersvorsorge betrieben haben, kann es sich anbieten den Versorgungsausgleich auszuschließen.