Christoph M. Huppertz: Täuschung im Rechtsverkehr

Interview mit Christoph M. Huppertz
Christoph M. Huppertz ist Rechtsanwalt und Gesellschafter in seiner Kanzlei MOMM UND HUPPERTZ in Aachen. Mit ihm sprechen wir über Gesundheitszeugnis, Täuschung einer Behörde sowie Urkundenfälschung.

Seit kurzem beschäftigt sich das Landgericht Osnabrück mit gefälschten Impfpässen. Wie behandelt die Justiz eine Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß §§277, 279 StGB?

Christoph M. Huppertz: Bis zum 24.11.2021 galt die Gesetzeslage, dass das Gesundheitszeugnis – dazu zählt der Impfausweis – zur Täuschung einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft verwendet werden musste, damit eine Strafbarkeit gegeben ist. 

Beim Landgericht Osnabrück wurde geprüft, ob sich Beschuldigte der Urkundenfälschung gemäß §267StGB strafbar gemacht haben. Warum ist in dem Fall der Fälschung von Gesundheitszeugnissen kein Rückgriff auf die allgemeine Regelung der Urkundenfälschung möglich?

Christoph M. Huppertz: Sonst bestand keine Strafbarkeit nach §§ 277, 279 StGB. Ein Rückgriff auf die Urkundenfälschung ist abzulehnen. Der Gesetzgeber hatte für Gesundheitszeugnisse explizit spezielle Regelungen geschaffen. Und wenn nach denen nur Behörden oder Versicherungen zählten, dann ist das eben so. Juristen sprechen von einer privilegierenden Sperrwirkung. Dass keine strafbare Urkundenfälschung vorliegt, hat auch das Landgericht Osnabrück entschieden. 

Bisher wurde nicht nach Personen mit gefälschten Impfausweisen gefahndet. Gibt es wirklich eine Strafbarkeitslücke?

Christoph M. Huppertz: Richtig ist, dass Strafbarkeitslücken Sache des Gesetzgebers sind. Dieser hat allerdings längst reagiert. Seit dem 24.11.2021 reicht jede Verwendung eines gefälschten Impfpasses „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ für eine Strafbarkeit.

Das Vorlegen eines unrichtigen Impfpasses bei einer Apotheke ist nicht nach dem StGB sowie ebenfalls nicht nach dem IfSG strafbar. Wie können dennoch gefälschte Impfausweise sichergestellt werden?

Christoph M. Huppertz: Die Auslegung und Anwendung im Einzelfall obliegt den Gerichten. Die Vorlage in der Apotheke, um den digitalen Nachweis zu erhalten, ist aber sicher jetzt strafbar. Auch z.B. die Vorlage beim Arbeitgeber. Was dann das übliche Strafmaß sein wird, wird sich zeigen. 

Die Strafbarkeitslücke darf allerdings nicht von Gerichten, sondern nur vom Gesetzgeber geschlossen werden. Wird es in Zukunft eine Gesetzesänderung bezüglich der Impfausweise geben, wann kann man damit rechnen und welche Strafen kommen auf Personen mit gefälschtem Impfausweis zu?

Christoph M. Huppertz: Demnach zwei klare Rechtslagen vor und nach einem Stichtag. Es wird allerdings darauf zu achten sein, dass „Altfälle“ richtig behandelt werden. Beschuldigte sind zudem in der Gefahr, sich durch unüberlegte Äußerungen zu einem eigentlich straffreien Vorwurf selbst eines strafbaren Handelns zu überführen. Schließlich darf nicht über das Ziel hinaus geschossen werden unter dem Einfluss der aufgeregten Öffentlichkeit (siehe die aktuelle Berichterstattung zu Herrn Anfang). Daher der dringende Appell an alle Beschuldigten: Schweigen, Schweigen, Schweigen und einen Fachanwalt für Strafrecht beauftragen. 

Herr Huppertz, vielen Dank für das Gespräch!

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