Daria Madejska: Anfechtungsklagen haben eine sogenannte aufschiebende Wirkung

Interview mit Daria Madejska
Daria Madejska ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Ebner Stolz in Köln. Mit ihr sprechen wir über Anfechtungsklage, Ziel einer solchen Klage sowie Verwaltungsakt als wichtigste Handlungsform der Verwaltung.

Bei der Anfechtungsklage handelt es sich um eine Klageart aus dem Gebiet des Verwaltungsrechts, also aus dem Öffentlichen Recht. Welches Ziel wird mit einer Anfechtungsklage verfolgt?

Daria Madejska: Mit einer Anfechtungsklage möchte der Kläger einen für ihn ungünstigen Verwaltungsakt einer Behörde, z.B. eine Abrissverfügung einer Baubehörde, durch ein Gericht aufheben lassen. Beabsichtigt der Kläger einen Verwaltungsakt von der Behörde zu erhalten, der für ihn günstige Rechtsfolgen hat, z.B. den Erlass einer Baugenehmigung, so muss er eine sogenannte Verpflichtungsklage erheben. Diese beiden Klagearten können und müssen gegebenenfalls kombiniert werden.

Der Verwaltungsakt ist in § 35 S. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz legaldefiniert. Was stellt der Verwaltungsakt dar und können Sie uns einige Beispiele nennen?

Daria Madejska: Im Verhältnis des Staates zum Bürger stellt der Verwaltungsakt die wichtigste Handlungsform der Verwaltung dar. Mit dem Verwaltungsakt kann der Staat gegenüber dem Bürger einseitig hoheitlich Handeln und dieses hoheitliche Handeln ggf. mit Zwangsmitteln durchsetzen. Grundsätzlich kann man drei Arten von Verwaltungsakten unterscheiden: belastende Verwaltungsakte, wie die zuvor genannte Abrissverfügung oder eine behördliche Anordnung den Betrieb einzustellen, begünstigende Verwaltungsakte, wie z.B. eine Beihilfegenehmigung und feststellende Verwaltungsakte; darunter fällt etwa die Feststellung der Staatsangehörigkeit. Letztere Verwaltungsakte werden in der Regel mit einer Feststellungsklage angegriffen, die im Verhältnis zur Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nachrangig ist. Soll vor Gericht von der Behörde ein Tun, Dulden oder Unterlassen erwirkt werden, das keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 S. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz darstellt, ist eine Leistungsklage zu erheben.

In der Regel hat eine Anfechtungsklage eine gute Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. Können Sie uns erklären, was eine Anfechtungsklage erfüllen muss, damit diese zulässig ist?

Daria Madejska: Bei der Anfechtungsklage müssen fünf Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt werden:

• Einhaltung der Klagefrist

• Ggf. Durchführung eines Widerspruchsverfahrens

• Nennung des richtigen Klagegegners

• Befugnis zur Klageerhebung

• Darlegung eines Rechtsschutzbedürfnis

Wenn das jeweilige Landes- oder Bundesrecht kein Widerspruchsverfahren vor dem Klageverfahren vorsieht, ist die wichtigste Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Anfechtungsklage die Wahrung der einmonatigen Klagefrist, die ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts und der Rechtsbehelfsbelehrung zu laufen beginnt. Enthält der Verwaltungsakt keine Rechtsbehelfsbelehrung oder ist diese fehlerhaft, beträgt die Klagefrist ein Jahr ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Ist die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens vorgeschrieben, ist ebenso die Einhaltung der einmonatigen Widerspruchsfrist notwendig, damit nach Erlass eines ungünstigen Widerspruchsbescheids die Anfechtungsklage vor Gericht zugelassen wird. Ferner muss darauf geachtet werden, dass der richtige Klagegegner benannt wird.  Da im deutschen Verwaltungsrecht Popularklagen ausgeschlossen sind, muss der Kläger ebenfalls klagebefugt sein. Das bedeutet bei einer Anfechtungsklage, dass die Möglichkeit bestehen muss, dass der Verwaltungsakt den Betroffenen in einem sogenannten subjektiv-öffentlichen Recht verletzt. Ebenso muss der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis darlegen. Danach darf für ihn kein anderer, einfacherer Weg als die Erhebung der Anfechtungsklage eröffnet sein, um an sein begehrtes Ziel zu kommen.

Worauf muss jemand Ihrer Einschätzung nach noch achten, wenn es um eine Anfechtungsklage geht?

Daria Madejska: Grundsätzlich haben Anfechtungsklagen eine sogenannte aufschiebende Wirkung. Wenn jemand gegen einen ungünstigen Verwaltungsakt eine Anfechtungsklage erhebt, dann darf die Behörde den Verwaltungsakt grundsätzlich nicht vollziehen, also z.B. das Haus während des laufenden Gerichtsverfahrens nicht abreißen lassen, obwohl sie die Abrissverfügung bekannt gegeben hat. Bei für den Bürger ungünstigen Verwaltungsakten kann es jedoch vorkommen, dass das Gesetz unmittelbar oder die Behörde in dem Verwaltungsakt die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes anordnet. In diesem Fall muss gegen den Verwaltungsakt nicht nur eine Anfechtungsklage erhoben, sondern ebenfalls ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht angestrengt werden. In diesem Eilverfahren beantragt der Kläger, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage bis zur Entscheidung in dem Hauptverfahren wieder anzuordnen bzw. wiederherzustellen. Auf diese Weise wird verhindert, dass bevor endgültig über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes entschieden wird, dieser bereits vollzogen wird.

Frau Madejska, vielen Dank für das Gespräch!

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