Große Vermögen zu Lebzeiten übertragen – Thomas Wotzlaw (Dr. Jockisch Rechtsanwälte)

Interview mit Thomas Wotzlaw
Thomas Wotzlaw ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Dr. Jockisch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Im Interview spricht der Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht über Erbschaften, Schenkungen und Stiftungen.

Im Jahr 2018 wurden 84,7 Milliarden Euro in Deutschland vererbt. Welche Rechte und Pflichten gehen mit der Annahme eines Erbes einher?

Thomas Wotzlaw: In Deutschland gilt der Grundsatz der Universalsukzession. Daraus folgt, dass der Erbe in die Rechte und Pflichten des Erblassers hineinwächst. Somit gehen mit dem Vermögen auch die Schulden des Erblassers auf den Erben gem. § 1967 BGB über. Dies bedeutet, dass die Aktiva und Passiva des Erblassers sich mit den Aktiva und Passiva des Erben vereinigen und hat zur Folge, dass der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit seinem Eigenvermögen haftet.

Welche Maßnahmen sind im Erbschaftsfall einzuleiten, welche Fristen zu beachten?

Thomas Wotzlaw: Hier würde ich unterscheiden, ob ich als nächster Angehöriger unmittelbar mit dem Todesfall konfrontiert bin oder über das Nachlassgericht hinsichtlich des Erbfalls benachrichtigt worden bin. Bin ich als nächster Angehöriger mit dem Todesfall befasst, stellen sich viele Fragen, die meistens keinen größeren Aufschub dulden wie z.B.:

  • Ausstellung eines Totenscheins
  • Anzeige des Todesfalls
  • Fragen der Beisetzung
  • Zugang zur Wohnung des Verstorbenen
  • Ablieferung von Testamenten
  • Benachrichtigung von Versicherungen
  • Regelung von Mietverhältnissen

Hiervon würde ich folgende meist relevante Bereiche etwas genauer aufgreifen. Die nächsten Angehörigen dürfen bestimmen, auf welche Art und Weise der Verstorbene beerdigt werden soll. Die Kosten der Bestattung treffen gem. § 1968 BGB den Erben. Diese Kosten sind somit von den nächsten Angehörigen nur dann zu tragen, wenn diese auch Erben sind. Da der Erbe in die Rechtsstellung des Erblassers hineinwächst, kann er grundsätzlich auch dessen Wohnung betreten und dort Unterlagen sichten. Problematisch kann dies in Fällen sein, wenn die Wohnung von weiteren Personen benutzt wird, die den Zutritt verweigern. Hier muss ggf. der Zugang durch gerichtliche Regelungen im Eilverfahren eingefordert werden.

Sollte ein Testament des Erblassers aufgefunden werden bzw. ist man in Besitz eines Testaments, muss dieses unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern – beim nächstgelegenen Nachlassgericht abgeliefert werden. Auch wenn man nicht sicher ist, z.B. aufgrund zweifelhafter Bezeichnung, ob es sich um ein Testament handelt, sollte eine Abgabe beim Nachlassgericht erfolgen, da die Entscheidung über die Wirksamkeit dem Gericht obliegt. Wird ein Testament nicht abgeliefert, kann hier auch eine Strafbarkeit wegen Urkundenunterdrückung gegeben sein. Möglich ist in diesen Fällen auch eine Erbunwürdigkeit gem. § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB.

Versicherungsverträge bei denen der Versicherungsfall mit dem Tod des Versicherten eintritt, sehen es häufig vor, dass der Tod schriftlich gegenüber der Versicherungsgesellschaft anzuzeigen ist. Die Fristen hierbei sind manchmal recht kurz, so dass die entsprechende Mitteilung möglichst zeitnah erfolgen sollte, damit keine Nachteile eintreten. Dies gilt neben Lebens- und Unfallversicherungen auch bei den sonstigen Versicherungen wie z.B. Haftflicht-, Kranken- Hausrats- oder Rechtsschutzversicherung.

Wird man vom Nachlassgericht über den Sterbefall benachrichtigt muss zunächst geklärt werden, ob man zum Erben berufen bzw. enterbt ist. Ist man zum Erben berufen ist zu entscheiden, ob die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen wird. Die Frist für die Ausschlagung beträgt im Regelfall sechs Wochen gem. § 1944 BGB. Auch beim länger lebenden Ehegatten kann sich die Frage der Ausschlagung stellen. Der überlebende Ehegatte kann im Fall der Zugewinngemeinschaft das Erbe ausschlagen und den sog. kleinen Pflichtteil sowie Zugewinnausgleich verlangen.

Sollte der Nachlass überschuldet sein, ist zeitnah eine rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, da weitere kurze Fristen laufen können. So ist z.B. die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahren gem. § 1980 BGB unverzüglich zu beantragen. Soll ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden, so ist zu beachten, dass dieser im Regelfall der dreijährigen Verjährung unterliegt.

Die Erbschaftssteuer betrug im Jahr 2018 mit 5,7 Milliarden Euro, rund 13 Prozent. Welche sind die wichtigsten Regelungen bei der Bemessung der Erbschaftssteuer?

Thomas Wotzlaw: Abgesehen von Bewertungsfragen, Steuerbefreiungen und Begünstigungen sind die wichtigsten Vorschriften die Steuerklassen § 15 ErbStG und persönlichen Freibeträge § 16 ErbStG. Das ErbStG unterscheidet drei Steuerklassen. Diese beruhen auf dem sog. Familienprinzip. Dies bedeutet, dass die Besteuerung das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Erwerber berücksichtigt. Am günstigsten ist die Steuerklasse I. Hierunter fallen:

  • der Ehegatte und der Lebenspartner,
  • die Kinder und Stiefkinder,
  • die Abkömmlinge der in Nummer 2 genannten Kinder und Stiefkinder,
  • die Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen.

Bei den persönlichen Freibetragen ist ebenfalls die familiäre Nähe ein entscheidendes Kriterium. So betragen die Freibeträge für den Ehegatten betragen 500 000 Euro, für Kinder des Erblassers 400 000 und für Enkelkinder 200 000 Euro.

Die Planung des Nachlasses kann bei größeren Vermögen komplex werden. Was gehört zwingend in jedes Testament?

Thomas Wotzlaw: Gerade bei größeren Vermögen sollte überlegt werden, ob nicht bereits zu Lebzeiten eine Übertragung vorgenommen werden soll. So können persönliche Freibeträge teilweise mehrfach ausgenutzt werden, da der Freibetrag alle zehn Jahre genutzt werden kann. Für Testamente gibt es keine Patentrezepte. Zwingend zu beachten sind die Formvorschriften. Abgesehen von Notfällen kann ein Testament grundsätzlich nur eigenhändig gem. § 2247 BGB oder in notarieller Form errichtet werden. Bei eigenhändigen Testamenten ist zu beachten, dass diese zwingend vollständig handschriftlichen geschrieben und unterschrieben werden müssen. Es ist somit nicht ausreichend, dass das Testament ausgedruckt und unterschrieben wird.

Es sollte auch auf eine klare Terminologie geachtet werden. Rechtlich macht es nämlich einen großen Unterschied, ob jemand Erbe wird oder lediglich ein Vermächtnis erhält. Aus dem Grund sollte aus dem Testament klar hervorgehen, wer zum Erben berufen sein soll. Bei einem Alleinerben ist dies unproblematisch. Sofern mehrere Personen als Erben eingesetzt werden, sollte genau angegeben werden, wer mit welcher Quote zum Erben berufen ist. Problematisch sind Testamente oft dann, wenn Vermögensgegenstände zugewiesen werden, da nicht eindeutig ist, wer mit welcher Quote zum Erben berufen ist. Die Testamente müssen dann ausgelegt werden, was zu Schwierigkeiten und oftmals auch langwierigen gerichtlichen Streitigkeiten führt.

Was ist beim Vererben von Unternehmen zu beachten?

Thomas Wotzlaw: Die Übertragung von Unternehmen sowie Gesellschaftsanteilen auf die nachfolgende Generation betrifft eine Vielzahl komplexer Problemfelder. Meistens ist es nicht ausreichend, die Nachfolgeplanung allein unter dem Blickwinkel erbrechtlicher oder steuerlicher Gesichtspunkte zu konzipieren. Neben betriebswirtschaftlichen, unternehmensstrategischen, steuer- und gesellschaftsrechtlichen Aspekten ist hierbei oftmals auch eine konfliktvermeidende Regelung gewünscht, damit der Familienfriede gewahrt wird.

Selbstverständlich sind hier auch die wirtschaftlichen Belastungen von erheblicher Bedeutung. Bereits allein durch den Erbfall können einkommensteuerrechtliche Belastungen ausgelöst werden, z. B. in Form einer Betriebsaufspaltung oder Entnahme von Sonderbetriebsvermögen. Fehler in der Nachfolgeplanung können im Rahmen der Erbauseinandersetzung auch zur Aufdeckung stiller Reserven führen, die eine erhebliche steuerliche Belastung aufweisen. Um hier keine Nachteile zu erleiden, sollte eine umfassende Beratung erfolgen. Neben den steuerlichen Belangen sind vielfach auch gesellschaftsrechtliche Vorgaben zu beachten. So enthalten manche Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften erbrechtliche Sonderregeln. Hierbei kann z. B. der Personenkreis eingegrenzt sein, der berechtigt ist, den Gesellschaftsanteil eines Gesellschafters zu erben. Hier muss das entsprechende Testament mit dem Gesellschaftsvertrag abgeglichen und entsprechend angepasst werden.

Stets sollte auch bedacht werden, ob nicht bereits zu Lebzeiten eine Übertragung des Unternehmens Sinn macht. Dies hat den Vorteil, dass oftmals ein sogenannter fließender Prozess eingeleitet werden kann. Der Firmennachfolger hat somit wesentlich mehr Zeit, sich auf seine Aufgaben vorzubereiten und kann durch den scheidenden Unternehmer umfassend eingearbeitet werden. Die Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass klare Absprachen innerhalb der Familie, die zu Lebzeiten getroffen worden sind, eine stärkere Akzeptanz finden.

An dieser Stelle sollte ein weiterer – oftmals nicht beachteter Punkt angesprochen werden. Vorsorge sollte auch für den Fall getroffen werden, dass der Unternehmer zu Lebzeiten, z. B. aufgrund Unfalls oder Erkrankung handlungsunfähig wird und dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung steht. Hier bietet sich eine sogenannte Unternehmer-Vorsorgevollmacht an. Auf diese Weise wird verhindert, dass das Unternehmen für einen nicht absehbaren Zeitraum handlungsunfähig wird.

Was ist beim Vererben von Immobilien zu beachten?

Thomas Wotzlaw:  Bei Immobilien ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass diese im Regelfall nicht teilbar sind. Sollen mehrere Erben zum Zuge kommen, müssen sie sich sodann hinsichtlich der Auseinandersetzung der Immobilie einigen. Sofern eine Einigung zwischen den Erben nicht möglich ist, muss eine Immobilie notfalls im Wege der Teilungsversteigerung veräußert werden. Dies ist oftmals nicht gewünscht und kann zu Nachteilen führen. Weiter ist bei Immobilien zu beachten, dass nach dem Erbfall das Grundbuch berichtigt werden muss. Die Eigentumslage muss hierbei durch öffentliche Urkunde nachgewiesen werden. Sofern hierbei ein Testament in notarieller Form errichtet worden ist, wird ein Erbschein nicht benötigt. Auf diese Weise können die hierfür anfallenden Kosten vermieden werden.

Was ist bei Schenkungen zu beachten?

Thomas Wotzlaw: Durch Schenkungen können bereits zu Lebzeiten Vermögensübertragungen auf die Folgegeneration vorgenommen werden. Steuerlich ist jedoch zu berücksichtigen, dass innerhalb eines Zehnjahreszeitraums die persönlichen Freibeträge hinsichtlich Erbschaften und Schenkungen zusammengerechnet werden. Ist der persönliche Freibetrag durch eine Schenkung bereits in voller Höhe aufgebraucht worden, kann dieser im Rahmen der Erbschaft nicht nochmals in Ansatz gebracht werden kann.

Sofern die Schenkungen auch erbrechtliche Wirkungen entfalten sollen, z. B. eine Anrechnung der Schenkung auf den Pflichtteil gewünscht ist, muss dies bereits zum Zeitpunkt der Schenkung angeordnet werden. Eine nachträgliche Bestimmung ist insoweit nicht möglich. Wenn Grundvermögen zu Lebzeiten übertragen wird, sollte bedacht werden, ob hier Rechte wie z.B. Nießbrauch oder die Einräumung eines Wohnrechts vorbehalten werden. Es bietet sich ebenfalls an in derartigen Fällen Rückforderungsrechte zu vereinbaren, so z. B. wenn der Beschenkte ohne Zustimmung des Schenkers das Grundvermögen veräußern oder belasten möchte.

Stiftungen sind bei großen Vermögen ein beliebtes Konstrukt. Was sind die Vorteile von Stiftungen zum Vermögenserhalt und welche steuerlichen Regelungen sind relevant?

Thomas Wotzlaw: Das Stiftungsrecht ist in Deutschland nicht einheitlich bundesgesetzlich geregelt. Neben den Vorschriften im BGB bestehen noch weitere landesrechtliche Regelungen. Stiftungen werden verstärkt für erbrechtliche Nachfolgeplanungen genutzt, unabhängig davon ob es sich um privates oder betriebliches Vermögen handelt. Die Stiftung kann entweder zu Lebzeiten oder durch letztwillige Verfügung errichtet werden, wobei letzteres nur im Notfall als Gestaltungsmittel in Betracht kommt. Die Stiftung sollte regelmäßig bereits zu Lebzeiten errichtet werden. Von der Erbschaftssteuer ist nur die Vermögensübertragung an eine gemeinnützige Stiftung befreit. Bei einer privaten Stiftung, wie z.B. einer Familienstiftung müssen stets die erbschaftssteuerlichen Folgen genau überprüft werden. Das Einbringen von Vermögen im Rahmen des Stiftungsgeschäfts gilt in diesem Fall als Schenkung, so dass lediglich die Freibeträge genutzt werden können. Diese richten sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis des begünstigtsten Familienmitglieds, welches am entferntesten mit dem Stifter verwandt ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass nach Ablauf von 30 Jahren die Stiftung zur Zahlung der sog. Erbersatzsteuer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG verpflichtet ist. Durch eine Familienstiftung kann ein Familienunternehmen über mehrere Generationen erhalten werden, da unternehmerisches Vermögen nicht durch Erbgänge aufgesplittert wird. Die Familienangehörigen werden finanziell abgesichert, wobei der Stifter den Kreis der Begünstigten sowie die Höhe der Auszahlungen festlegen kann.

Herr Wotzlaw, vielen Dank für das Gespräch.

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Thomas Wotzlaw

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