Die Corona-Krise hat unseren Arbeitsalltag verändert, u.a. müssen Arbeitgeber nach dem Corona-Gipfel des Bundes und der Länder vom 19. Januar 2021 ihren Arbeitnehmern Home-Office ermöglichen, soweit es die Tätigkeiten zu lassen. Welche arbeitsrechtlichen Vorschriften sind für die Arbeit im Home-Office (sog. häusliche oder alternierende Telearbeit) durch Arbeitgeber dringend zu beachten?
Gudrun Egenolf: Sofern der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglicht, im Home-Office zu arbeiten, hat der Arbeitgeber – ebenso wie bei den in seinem Betrieb tätigen Arbeitnehmern – diverse arbeitsschutz- sowie datenschutzrechtliche Vorschriften zu beachten. Hier ist insbesondere an das Arbeitszeit-, das Arbeitsschutzgesetz sowie die Arbeitsstättenverordnung zu denken. Nach dem Arbeitszeitgesetz hat der Arbeitgeber u. a. dafür Sorge zu tragen, dass zum einen die gesetzlich festgelegte tägliche Höchstarbeitszeit, Mindestruhepausen während der Arbeit und Mindestruhezeiten nach Arbeitsende eingehalten werden. Da sich dies in der Praxis nur schwer umsetzen lässt, empfiehlt es sich, die Verpflichtung einzelvertraglich auf den Arbeitnehmer zu übertragen. Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet den Arbeitgeber u. a., darauf zu achten, dass das häusliche Umfeld für die Arbeit im Home-Office geeignet ist und dass z. B. der PC-Arbeitsplatz korrekt unter Beachtung des größtmöglichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes eingerichtet ist. Je nach konkreter Ausgestaltung der Bedingungen der Homeoffice-Arbeit kann der Arbeitgeber Unterweisungspflichten und Anforderungen an Bildschirmarbeitsplätzen nach dem Arbeitsschutzgesetz und der Arbeitsstättenverordnung unterliegen. Dabei ist des Weiteren der Schutz von Daten und Informationen bzw. die Datensicherheit nach der DSGVO und dem BDSG zu gewährleisten. Auch hier bieten sich vertragliche Regelungen an.
Existiert in dem Betrieb des Arbeitgebers ein Betriebsrat, sind ggf. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, wie z. B. gemäß § 95 Abs. 3 BetrVG (Versetzung) oder § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (z. B. Vorgabe von Erreichbarkeitszeiten) zu beachten.
Müssen Arbeitgeber die Arbeit im Home-Office ermöglichen oder handelt es sich ausschließlich um ein freiwilliges Entgegenkommen?
Gudrun Egenolf: Grundsätzlich besteht kein Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf eine Tätigkeit im Home-Office, da es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Der Arbeitgeber entscheidet nach § 106 GewO nach billigem Ermessen über Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung. Im Rahmen seiner unternehmerischen Gestaltungsfreiheit (Art. 12, 14) kann er den Betrieb zum Arbeitsort bestimmen. Insoweit handelt es sich bei der durch den Arbeitgeber eingeräumten Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten, zunächst um ein freiwilliges Entgegenkommen des Arbeitgebers. Im Gegenzug ist der Arbeitgeber mangels Verfügungsbefugnis über die Wohnung des Arbeitnehmers (Art. 13 GG) nicht berechtigt, eine Tätigkeit im Home-Office anzuordnen. Nach dem bereits oben erwähnten Corona-Gipfel soll auf der Grundlage einer vom Bundesarbeitsministerium erlassenen Verordnung eine befristete Pflicht der Arbeitgeber zur Ermöglichung von Homeoffice-Arbeit, soweit es die Art der Tätigkeit zulässt, eingeführt werden. (Die Verordnung lag zum Redaktionsschluss noch nicht vor)
Darüber hinaus kann sich allerdings aus Vereinbarungen im Arbeitsvertrag des Mitarbeiters oder aus Kollektivvereinbarungen (z. B. Tarifvertrag, Betriebs- oder Dienstvereinbarung) ergeben, die möglicherweise einen Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office vorsehen. Grundsätzlich kommen auch noch weitere Fälle in Betracht, in denen möglicherweise ein Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office bestehen kann. So kann sich beispielsweise ein Anspruch eines schwerbehinderten Arbeitnehmers aus § 164 Abs. 4 SGB IX ergeben, was allerdings einer Prüfung der Umstände des jeweiligen konkreten Einzelfalls bedarf.
Die vom Bundesarbeitsministerium zunächst geplante Einführung eines grundsätzlichen Rechtsanspruchs auf 24 Tage Home-Office pro Jahr wurde im November letzten Jahres wieder aufgegeben. Es soll künftig wohl nur noch ein Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Gespräch mit dem Arbeitgeber über die Möglichkeit von Homeoffice gesetzlich verankert werden.
Viele Arbeitgeber nutzen die Corona-Krise als Begründung für Kündigungen. Ist dieses Argument grundsätzlich haltbar? Unter welchen Umständen kann die Corona-Krise als Begründung für eine betriebsbedingte Kündigung angeführt werden?
Gudrun Egenolf: Es kommt bei dieser Frage zunächst darauf an, ob auf den Betrieb des Arbeitgebers das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet oder nicht. Findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, braucht der Arbeitgeber keinen Grund für den Ausspruch der Kündigung, er kann aber auch jeden beliebigen Grund und somit auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie dafür nutzen. Die grundsätzliche Kündigungsfreiheit findet allerdings ihre Grenze bei einem Verstoß gegen das aus § 242 BGB abzuleitende Gebot von Treu und Glauben. Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, hat der Arbeitgeber insoweit ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu beachten. Auch hier kommt es wie immer auf den konkreten Einzelfall an.
Die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung ist aufgrund der gesetzlichen Regelungen in § 1 Abs. 2 und 3 KSchG sowie der Vorgaben der Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. So muss zunächst aufgrund einer Unternehmerentscheidung ein Beschäftigungsbedürfnis für einen oder mehrere Arbeitnehmer weggefallen sein. Die Unternehmerentscheidung kann dabei entweder auf innerbetrieblichen (z. B. Umstellung bzw. Einschränkung der Produktion) oder außerbetrieblichen Gründen (z. B. Auftragsmangel bzw. Umsatzrückgang) beruhen. Wirkt sich die Corona-Krise insoweit z. B. auf die Auftragslage und den Umsatz aus, würde sich der Arbeitgeber auf außerbetriebliche Gründe berufen können, wenn er beispielsweise eine Anpassung der Anzahl der Arbeitnehmer an die verbliebene Arbeitsmenge vornimmt. Der Arbeitgeber muss im Falle eines Kündigungsschutzprozesses darlegen und beweisen, dass außerbetriebliche Umstände für die Kündigung zum Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich vorlagen und zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsvolumens führten. Letztlich kann die Corona-Krise aber auch einen innerbetrieblichen Grund bedingen, wenn z. B. der Arbeitgeber aufgrund der aktuellen Situation der Pandemie entscheidet, Restrukturierungsmaßnahmen zu ergreifen, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren oder den Betrieb still zu legen.
Die Kündigung muss weiter notwendige Folge der Unternehmerentscheidung sein, d. h. die Kündigung muss unvermeidbar sein. Vermeidbar wäre die Kündigung, wenn der betroffene Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt, der Arbeitnehmer weitergebildet werden könnte oder der Arbeitgeber ein milderes Mittel wie z. B. eine Änderungskündigung nutzen könnte, um den geänderten betrieblichen Gegebenheiten zu entsprechen. Zudem ist im Rahmen der zu treffenden Entscheidungen des Unternehmens das mögliche Zusammenspiel von Kurzarbeit und betriebsbedingter Beendigungskündigung zu beachten.
Können aufgrund der unternehmerischen Entscheidung nicht mehr alle Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden, ist unter den vergleichbaren Arbeitnehmern eine Sozialauswahl durchzuführen.
Der Ausspruch einer oder mehrerer betriebsbedingter Kündigungen bedarf – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber sich auf die Corona-Krise beruft oder andere Gründe angibt – in jedem Fall einer sorgfältigen Vorbereitung und Prüfung. Bei Betrieben mit Betriebsrat ist dieser zudem vor Ausspruch jeder einzelnen Kündigung zu beteiligen. Kommt es aufgrund der Unternehmerentscheidung zu einer Betriebsänderung iSv. § 111 BetrVG, ist der Betriebsrat über die geplanten Maßnahmen vor deren Umsetzung zu unterrichten und es sind ggf. Interessenausgleich- und Sozialplan zu verhandeln.