Hardo Siepe: Von wirksamen AGB profitiert ein Unternehmen immer

Interview mit Hardo Siepe
Hardo Siepe ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Runkel Rechtsanwälte in Wuppertal. Mit ihm sprechen wir über Zweck von AGB, Zielsetzung sowie vereinfachter Geschäftsablauf.

Kaum eine Rechtsmaterie ist so bedeutend wie das AGB-Recht. Die AGB sind wohl der am häufigsten verwendete Bestandteil der Vertragsgestaltung. Was ist der Sinn und Zweck von den AGB?

Hardo Siepe: Sinn und Zweck der Verwendung von AGB ist die Rationalisierung aller Vertragsabschlüsse sowie eine Vereinheitlichung der Vertragsinhalte und deren umfassende Regelung. Diese Zielsetzung bei der Verwendung von AGB kann für ein Unternehmen, für verschiedene Unternehmen untereinander, aber auch für ganze Branchen gelten.

Eine gesetzliche AGB-Pflicht gibt es in Deutschland nicht, doch sind sie für Unternehmen nahezu unverzichtbar. Wie genau profitieren Unternehmen von den AGB?

Hardo Siepe: Von wirksamen AGB profitiert ein Unternehmen immer.

Der Geschäftsablauf wird vereinfacht, weil stets die gleichen Bedingungen verwandt werden. Die AGB ergänzen die allgemeinen Regelungen des Zivilrechts, genau auf die Vertragstypen des Verwenders zugeschnitten. In der Regel erfolgen auch Risiko- und Gefahrabwälzungen auf den Vertragspartner, soweit es das Gesetz erlaubt.

Pflegen Unternehmen Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen, und eines davon hat keine eigenen AGB, so gelten automatisch die Geschäftsbedingungen des Geschäftspartners. Warum ist das meist schlecht, und wie können sich Unternehmen vor Nachteilen durch die AGB des anderen schützen?

Hardo Siepe: Unternehmen ohne AGB gibt es so gut wie nicht (nur bei Kleinstunternehmen).

Die AGB des Verwenders gelten auch nicht immer automatisch, wie man manchmal wörtlich lesen kann. Richtig ist, dass bei Unternehmern anders als bei Verbrauchern, die Einbeziehung der AGB erleichtert ist. So bedarf es keines ausdrücklichen Hinweises auf die AGB, es reicht vielmehr eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme, z.B. der Hinweis darauf, dass neben dem Individualvertrag auch die AGB gelten sollen. In der Regel werden diese beigefügt oder durch eine Quellenabgabe (z.B. Homepage) in Bezug genommen. Rahmenvereinbarungen sind insbesondere in laufenden Geschäftsbeziehungen üblich und zulässig.

Vor Nachteilen einseitiger AGB des Verwenders kann man sich nur schützen, wenn man sich bei Vertragsabschluss mit deren Einbezug ausdrücklich nicht einverstanden erklärt. Wird dies versäumt läuft man Gefahr, dass die AGB der Gegenseite mit den zu deren Gunsten ausgestalteten Regelungen gelten.

Schützen kann man sich dagegen auch durch die Verwendung eigener AGB, die einem Einbezug anderer AGB generell widersprechen. Damit wird zumindest verhindert, dass einseitige Klauseln zu Gunsten der Gegenseite Anwendung finden. Denn in solchen Konstellationen gelten nach der Rechtsprechung des BGH die Regelungen aus beiden AGB, soweit sie sich nicht widersprechen. An den Stellen, wo sich die AGBs widersprechen, gelten die für die Branche üblichen Handelsbräuche oder die gesetzliche Regelung.

Darüber hinaus unterliegen nachteilige, vom Gesetz abweichende einzelne AGB Regelungen immer der Einzelfallkontrolle der Gerichte, wenn es wegen der AGB zum Streit der Vertragsparteien kommt. Das Gericht beurteilt im Ergebnis, ob die AGB, Einzelbestimmungen oder insgesamt, generell unzulässig, intransparent oder überraschend sind. Hierzu ergeht jedes Jahr eine Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen.

Was muss man beachten, wenn man AGB verwenden möchte und woher bekommt man rechtssichere AGB?

Hardo Siepe: Die AGB müssen zunächst wirksam einbezogen werden. Hier ist es wichtig, den Prozess des Einbezugs zu kontrollieren. Häufig erlebe ich, dass der Hinweis auf den Einbezug der AGB erst im Lieferschein oder der Rechnung untergebracht ist. Dort kann ein wirksamer Einbezug nicht mehr erfolgen. Der Hinweis auf die Geltung der eigenen AGB und der Hinweis, wo diese aufzufinden sind, müssen bei Vertragsschluss vorliegen

Zur Rechtssicherheit gilt:

Die §§ 305 ff BGB und eine Vielzahl weitere Vorschriften regeln, wann und wieweit AGB nicht von den gesetzlichen Vorgaben abweichen dürfen mit der Folge der Unwirksamkeit der entsprechenden einzelnen AGB Vorschrift, im Extremfall der gesamten AGB.

Klassiker der unwirksamen Regelungen sind die Vorverlagerung von Mängelrisiken etwa bei Bauverträgen, Ausschluss oder Verkürzung von Gewährleistungspflichten oder Fiktionen von Anerkenntnissen oder nachteiligen Erklärungen. Immanente Grenze der Wirksamkeit ist immer eine unangemessene Benachteiligung bis hin zu Sittenwidrigkeit, etwa bei der Höhe des Verzugszinssatzes oder einer zu hohen Schadensersatzpauschale z.B. für Mahngebühren oder Vertragsverletzungen.

Da jede Einzelregelung bei Abfassung der AGB vorab geprüft werden muss, bedarf es einer ausführlichen Kontrolle anhand der jeweiligen jüngsten Rechtsprechung sowie der aktuellen, sich häufig ändernden Gesetzeslage durch einen zivil- und wirtschaftsrechtlich versierten Rechtsanwalt. Eine eigene Abfassung, auch im Unternehmen kann eine solche Kontrolle und Gewähr nicht übernehmen, wie die Vielzahl der Unwirksamkeitsentscheidungen der Gerichte zeigen. Nur so gelangt der Unternehmer zu rechtssicheren AGB, die überdies auch regelmäßig – zu empfehlen ist jährlich – überprüft und etwa wegen neuer Gesetze verbessert oder ergänzt werden müssen.

Welche Konsequenzen drohen bei fehlerhaften AGB und unwirksamen Klauseln?

Hardo Siepe: Die Folgen fehlerhafter und unwirksamer AGB sind immer für den Verwender nachteilig. Es gelten dann -soweit dort wirksam einbezogen- die AGB der Gegenseite oder nur die allgemeinen Regeln, die gerade nicht auf die Rechtsgeschäfte des Verwenders abstellen. Darüber hinaus wird der Vertragspartner die Unwirksamkeit häufig dazu benutzen, um mehr Rechte einzufordern oder Zahlungen und Gegenleistungen zu verweigern. Gerade der nicht wirksame Einbezug führt aber auch häufig dazu, dass Unternehmen auf die Geltung ihrer AGB vertrauen und im Streitfall dann ihre Rechte nicht durchsetzen können. Das erhöht in der Regel den eigenen Schaden und verschlechtert die generelle Rechtsposition. Zudem wissen die Unternehmen dann häufig nicht, welche Regelungen eigentlich gelten und welche Rechte ihnen zustehen.

Ein häufig vernachlässigtes Thema ist aber auch, dass wirksame und einbezogene AGB vor weiteren Schäden im Falle der Insolvenz des Vertragspartners schützen können. Denn gerade in Lieferbeziehungen werden über AGB unterschiedliche Eigentumsvorbehalte vereinbart, die im Falle der Insolvenz des Abnehmers die eigenen Forderungen absichern und damit den eigenen Schaden abmildern können.

Fehlerhafte oder unwirksame AGB Klauseln können auch zum Verlust des Versicherungsschutzes zum Beispiel bei Warenkreditversicherungen, Anfechtungsversicherungen o.ä. führen. Andererseits sichern Unternehmen gegenüber Finanzierern, Factoringunternehmen und in ähnlichen Gestaltungen zu, dass ihre AGB wirksam sind und wirksam einbezogen werden. Stellt sich später heraus, dass diese Zusicherung falsch war, droht entsprechender Streit mit dem Finanzierer.

Deshalb sollten die eigenen AGB-Klauseln und deren Einbindung bei Abschluss von debitorischen und kreditorischen Verträgen nach Ansicht des Unterzeichners regelmäßig überprüft und aktualisiert werden.

Herr Siepe, vielen Dank für das Gespräch!

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