Ingo Becker: Kündigungszurückweisung ist rechtlich unbeachtlich

Interview mit Ingo Becker
Ingo Becker ist Rechtsanwalt in Trier. Mit ihm sprechen wir über coronabedingte Kündigungen, tarifvertragliche Kündigungsfristen sowie Kündigungszurückweisung.

Kündigungen sind besonders in der Corona-Zeit ein hartes Thema. Was muss der Arbeitgeber dabei beachten oder läuft eine Kündigung immer gleich ab entsprechend § 622 Abs. 3 BGB?

Ingo Becker: Coronabedingte Kündigungen, oder Kündigungen ‚irgendwie‘ im Zusammenhang mit coronabedingten, wirtschaftlichen Schwierigkeiten unterscheiden sich nicht von allen bisherigen bzw. ‚normalen‘ Kündigungen: Sie müssen schriftlich erfolgen, es müssen die entsprechenden Fristen nach § 622 Abs. 2 BGB eingehalten werden.

Hat der Arbeitnehmer gleiche Bedingungen wie der Arbeitgeber, wenn dieser kündigen will?

Ingo Becker: Das gilt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen, allenfalls die Fristen können unterschiedlich sein (dazu mehr unter Ziff. 6.).

In wieweit unterscheidet sich eine tarifvertragliche Kündigung von der eines normalen Arbeitnehmers?

Ingo Becker: Tarifvertragliche Kündigungsfristen können im Einzelfall länger sein, als die in § 622 Abs. 2 BGB normierten. Ansonsten gibt es da keine Unterschiede.

Wie sinnvoll kann eine Kündigungszurückweisung für einen Arbeitnehmer sein? Kann er sich gegen Kündigungen wehren?

Ingo Becker: Kündigungen sind sogenannte empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie werden wirksam durch Zugang beim Kündigungsempfänger/Adressaten. Eine Kündigungszurückweisung ist rechtlich unbeachtlich; sie bringt dem gekündigten Arbeitnehmer keinerlei Vorteile, da sie keine rechtlichen Folgen auslöst. Natürlich kann sich jeder Arbeitnehmer, der länger als sechs Monate ununterbrochen beschäftigt war und dessen Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, mit einer Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht wehren. Das hat dann innerhalb der dreiwöchigen gesetzlichen Klagefrist zu geschehen.

Gibt es spezielle Rechtsschutzversicherungen, die Arbeitnehmer/innen vertreten im Falle einer Kündigung?

Ingo Becker: Meines Wissens machen die Rechtsschutzversicherungen hinsichtlich Arbeitgebern und Arbeitnehmern keinen Unterschied (allenfalls in der Beitragshöhe). Arbeitnehmer, die gewerkschaftlich organisiert sind und brav ihren Beitrag zahlen, können von ihrer Gewerkschaft dann kostenlos bei Gericht vertreten werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich selbst beim Arbeitsgericht vertreten. Die Klage kann ggf. bei der gerichtlichen Rechtsantragsstelle formuliert werden.

Ist die Kündigung an Fristen gebunden und in welcher Form muss gekündigt werden?

Ingo Becker: Kündigungen, gleichgültig ob vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer ausgesprochen, müssen immer schriftlich erfolgen. Die Kündigung muss rechtsverbindlich unterschrieben sein und darf nicht zum Beispiel per E-Mail, WhatsApp oder Fax erfolgen. Aus Beweisgründen sollte sie unter Zeugen übergeben oder mit sicherem Postnachweis zugestellt werden. Die einzuhaltenden Fristen sind zum einen abhängig von der Dauer der Beschäftigung und/oder dem, was arbeitsvertraglich vereinbart ist oder tariflich gilt.

Losgelöst von einzelvertraglicher oder tariflicher Regelung gilt folgendes: während einer vereinbarten Probezeit, die maximal sechs Monaten dauern darf, kann beiderseits mit einer Frist von 14 Tagen gekündigt werden; das ist zu jedem Werktag möglich. Danach gilt beiderseits eine Kündigungsfrist von vier Wochen jeweils zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Arbeitgeber müssen nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von zwei Jahren mit einer Frist von einem Monat, nur zum Monatsende, kündigen; das steigert sich bei längerer Betriebszugehörigkeit in Staffeln bis zu sieben Monate jeweils zum Monatsende. Ist arbeitsvertraglich nichts anderes vereinbart (oder gilt kein Tarifvertrag) dann bleibt der Arbeitnehmer – im Gegensatz zum Arbeitgeber – stets bei der Grundkündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende. Da das unbillig erscheint, wird es in der Regel in Arbeitsverträgen etwa wie folgt abbedungen: „Sollten für den Arbeitgeber längere Kündigungsfristen greifen, dann gelten sie gleichermaßen für die Kündigung des Arbeitnehmers.“ Fristlose Kündigungen wirken sofort, d.h. mit Zugang der Schriftlichen Kündigung. Der Gesetzgeber spricht von Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, wenn Tatsachen vorliegen, die eine Beschäftigung auch nur noch während der Kündigungsfrist unmöglich erscheinen lassen. Auch diese Kündigungen können gerichtlich überprüft werden.

Gibt es während Corona einen besonderen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer/innen?

Ingo Becker: Ich verweise auf 1: so wie Coronazeiten keine Kündigungserleichterungen für beide Vertragsparteien bringen, erhöhen sie auch nicht den Schutz für Arbeitnehmer oder die Hürde zur Kündigung durch Arbeitgeber.

Herr Becker, vielen Dank für das Gespräch!

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