Jürgen Becker: Testamentsvollstreckung

Interview mit Jürgen Becker
Jürgen Becker ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei BerghausBecker in Wipperfürth. Mit ihm sprechen wir über freie Verfügungsgewalt, Regelungen im Gesellschaftsrecht sowie Anordnung einer Testamentsvollstreckung.

Obwohl es nicht immer sinnvoll und erwünscht ist, bekommen die Erben mit dem Tod des Vermögensinhabers uneingeschränkte Verfügungsgewalt über das Vermögen des Erblassers. Was sind die Aufgaben eines Testamentsvollstreckers und in welchen Situationen ist es sinnvoll einen Testamentsvollstrecker zu beauftragen?

Jürgen Becker: Richtig, üblicherweise erhalten die Erben mit dem Ableben des Erblassers die freie und uneingeschränkte Verfügungsgewalt über den Nachlass, also über das gesamte vollständige Vermögen des Verstorben, wie auch immer dies zusammengesetzt ist. Hierzu gibt es nur wenige Ausnahmen einerseits durch bestimmte Regelungen im Gesellschaftsrecht und andererseits durch einschränkende Verfügungen des Erblassers in seiner letztwilligen Verfügung, also in einem Testament oder Erbvertrag. Eine dieser möglichen Einschränkungen ist die Anordnung einer Testamentsvollstreckung. Regelmäßig hat ein Erblasser, wenn er eine sog. letztwillige Verfügung, also wie gesagt ein Testament oder einen Erbvertrag errichtet ziemlich genaue und sichere Vorstellungen, wie sein Nachlass zu behandeln und abzuwickeln ist. Aus Sicht mancher Erblasser lässt sich dieser letzte Wille besser verwirklichen und abwickeln, wenn dies durch einen Testamentsvollstrecker oder eine Testamentsvollstreckerin geschieht. In der Anordnung einer Testamentsvollstreckung ist das Bedürfnis des Erblassers zu erkennen, auch über seinen Tod hinaus Einfluss auf sein zu Lebzeiten geschaffenes (oder vielleicht selbst schon ererbtes) Vermögen zu nehmen und dieses nicht ohne Schutz den Erben zu überlassen. Sowohl das Verfahren zur Einsetzung der Testamentsvollstreckung als auch möglichen Rechte und auch Pflichten des bestimmten Testamentsvollstreckers oder der Testaments-vollstreckerin sind in den §§ 2197 bis 2228 BGB, wenn auch nicht abschließend, geregelt. Diese Regelungen lassen daher einerseits dem Erblasser viel Spielraum, um die Aufgaben des Testamentsvollstreckers konkret oder abstrakt zu benennen, um z. B. diesen als Testamentsvollstrecker zur Auflösung und Verteilung des Nachlasses nach den Wünschen des Erblassers oder aber als Dauertestamentsvollstrecker über Jahre oder Jahrzehnte einzusetzen andererseits ermöglichen sie aber auch dem Testamentsvollstrecker, bei der Ausübung seines Amtes gewisse Spiel- und Handlungsräume. Also generell kann man sagen, dass eine Testamentsvollstreckung dann das Mittel der Wahl ist oder sein kann, wenn der Erblasser seinen Erben einerseits den Erhalt seines Vermögens nicht zutraut und dies Aufgabe einem Testamentsvollstrecker u. U. als Dauervollstreckung überträgt oder andererseits befürchtet, dass seine Erben die von ihm verfügten Vermächtnisse, Aufgaben oder Anordnungen nicht oder nur schleppend durchführen und diese Tätigkeit einem Testamentsvollstrecker oder einer -vollstreckerin überträgt. Die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers ist häufig ratsam, um den Familienfrieden der Hinterbliebenen und Erben zu wahren, das Vermögen zu schützen, den Nachlass andererseits ggf. zügig und im Sinne des Erblassers zu verteilen, oder auch Angehörige finanziell abzusichern. Auch kann eine Testamentsvollstreckung bei minderjährigen oder behinderten Erben ratsam sein.

Die Person des Testamentsvollstreckers bestimmt maßgeblich den Erfolg jeder Testamentsvollstreckung. Welche Mindestanforderungen sollte ein Testamentsvollstrecker erfüllen?

Jürgen Becker: Zunächst sollte man bedenken, dass die Aus- und Durchführung eines Testamentsvollstreckeramtes eine anspruchsvolle Aufgabe ist, die eine Reihe von Haftungsrisiken für den Testamentsvollstrecker birgt und der TV häufig nicht der „beste Freund“ des oder der Erben ist. Daher kann es bei kleineren Nachlässen ausreichen, wenn ein Freund oder Bekannter die Testamentsvollstreckung übernimmt, da das Gesetz keine „Mindestanforderungen“, außer der der Geschäftsfähigkeit, an den Testamentsvollstrecker stellt. Bei umfassenderen oder komplizierten Nachlässen (z. B. mit Auslandsvermögen und/oder Gesellschaftsbeteiligungen des Nachlasses) sollte der zu bestimmende Testamentsvollstrecker aus entsprechenden professionellen Berufskreisen kommen und sich in der Materie des Nachlasses auskennen. Wenn der Erblasser daher eine Testamentsvollstreckung für notwendig erachtet, sollte er an dieser Stelle genau überlegen, welche Aufgaben sein TV haben soll und welche Fähigkeiten dieser dafür mitbringen soll oder gar muss.

Welche Rechte und Pflichten müssen Testamentsvollstrecker befolgen?

Jürgen Becker: Der Testamentsvollstrecker bzw. die -vollstreckerin ist eine in aller Regel vom Erblasser bestimmte Person, die ohne ein öffentliches Amt, anders als ein Nachlasspfleger oder -verwalter zu bekleiden, den aus der letztwilligen Verfügung erkennbaren (letzten) Willen des Erblassers zu erledigen hat, hierbei hat er die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 2197 BGB zu beachten und z. B. zuvorderst ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Der Testamentsvollstrecker ist sozusagen der über den Tod hinausragende verlängerte Arm des Erblassers und als solcher leitet er seine Legitimation vom Erblasser und nicht von den Erben ab. Der Testamentsvollstrecker ist in der Regel nicht Erbe und somit nicht Eigentümer des Nachlasses, sondern nur dessen Treuhänder, als Verwalter eines fremden (hinterlassenen) Vermögens. Der Testamentsvollstrecker ist somit Träger und Inhaber eines privaten vom Erblasser verliehenen Amtes. Da er seine Stellung vom Erblasser herleitet, übt er also sei-ne ihm zustehenden Rechte und Befugnisse über den Nachlass im eigenen Namen aus und nicht als Beauftragter des Erben, sondern allein zur Vollziehung des in der letztwilligen Verfügung niedergelegten Willens des Erblassers. Hieraus ergeben sich auch gleichzeitig die Grenzen seiner Rechtsstellung, weil seine Handlungen innerhalb der Schranken der Rechte des eigentlichen Eigentümers des Nachlasses, also des Erben, zu betrachten sind.

Zusammenfassend hat der Testamentsvollstrecker die ihm aufgegebenen Aufgaben des Erblassers zu erledigen, hierbei darf er aber die berechtigten Interessen des Erben nicht aus dem Auge verlieren und muss sich bei alle dem innerhalb der ihm durch das Gesetz in den §§ 2197ff BGB auferlegten Grenzen bewegen, um sich nicht gegenüber dem Erben haftbar zu machen. Der TV unterliegt grundsätzlich auch keiner Kontrolle durch das Nachlassgericht oder einer sonstigen Behörde, mit Ausnahme der in § 2227 BGB normierten Möglichkeit den Testamentsvollstrecker unter bestimmten Umständen seines Amtes zu entheben.

Zu Lebzeiten soll eine Testamentsvollstreckung keine weiteren Kosten verursachen. Wie genau ist das zu verstehen?

Jürgen Becker: Eine Testamentsvollstreckung verursacht zu Lebzeiten – nach ihrem gesetzlichen Leitbild – keine Kosten, da sie erst nach dem Ableben des Erblassers beginnt. Folgerichtig fallen hierfür vor dem Tod des Erblassers keine Kosten an, da es eine Testamentsvollstreckung zu Lebzeiten nicht geben kann. Somit sind die Kosten der Testaments-vollstreckung sog. Nachlassverbindlichkeiten.

Unternehmen sind im Erbfall gesondert zu betrachten. Welche Besonderheiten gelten für die Testamentsvollstreckung von Unternehmensanteilen?

Jürgen Becker: Rechtliche Besonderheiten gibt es auch bei einer Testamentsvollstreckung in Unternehmen oder Unternehmensteile nicht, mit Ausnahme möglicher gesellschaftsrechtlicher Be-sonderheiten. Die bereits mehrfach zitierten gesetzlichen Rahmenbedingungen der §§ 2197 bis 2228 BGB gelten hier genauso, wie in allen anderen Fällen der Testamentsvoll-streckung. Auch hierbei ist der Wille des Erblassers das Maß der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers. Häufig wird es jedoch im Rahmen einer Testamentsvollstreckung bei Unternehmen nicht um eine sog, Abwicklungsvollstreckung gemäß §§ 2203, 2204 BGB gehen, gewissermaßen den gesetzlichen Regelfall einer Testamentsvollstreckung, bei dem es, wie der Name schon sagt, um die ordnungsgemäße und dem Willen des Erblassers folgende Abwicklung und Verteilung des Nachlasses geht. In Fällen der Testamentsvollstreckung bei Unternehmen oder Unternehmensteilen wird vielmehr häufig der einheitliche Vermögenserhalt das Leitmotiv der Testamentsvollstreckung, also eine sog. Verwaltungs- bzw. Dauervollstreckung gemäß § 2209 BGB, sein. Hierbei geht es dem Erblasser darum, dass eine dauerhafte Testamentsvollstreckung über u. U. viele Jahre eingerichtet wird, die nach der Vorstellung des Gesetzes jedoch nicht länger als 30 Jahre ab dem Erbfall gelten darf (§ 2210 Satz 1 BGB).

Also ist in diesen Fällen das besondere Augenmerk vor allem auf die Person des Testamentsvollstreckers und eine mögliche Höchstdauer diese Art der Vollstreckung (§ 2210 Satz 2 BGB) zu richten.

Herr Becker, vielen Dank für das Gespräch!

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