Lilian Fahr: Mediation erlaubt Beteiligten ihre Zukunft selbstbestimmt in die Hand zu nehmen

Interview mit Lilian Fahr
Wir sprechen mit Lilian Fahr, Fachanwältin für Familienrecht und Mediatorin, über Eheverträge und Scheidungsrecht.

Das Ende einer Ehe ist oft der Anfang heftiger juristischer Auseinandersetzungen. Welche sind die wichtigsten Regelungen im Scheidungsfall?

Lilian Fahr: Trennen sich Ehepaare, stehen in der Regel Konflikte rund um die Themen Unterhalt, Zugewinnausgleich, Vermögensauseinandersetzung, Versorgungsausgleich, Ehewohnung und Familienheim sowie dem Hausrat im Mittelpunkt. Sind aus der Ehe Kinder hervorgegangen, kommen Umgang und die elterliche Sorge hinzu. Zu all diesen Themen gilt es oft eine Regelung zu finden. Haben die Eheleute keinen Ehevertrag geschlossen können sie sich im Zuge der Trennung dazu außergerichtlich einigen und das Ergebnis in einer Scheidungsfolgenvereinbarung festhalten. Gelingt dies nicht und herrscht dazu Streit, bleibt oft nur der Weg zum Familiengericht.

Unternehmen stellen häufig ein großes, aber illiquides Vermögen dar. Was passiert mit Unternehmensanteilen im Scheidungsfall?

Lilian Fahr: Das hängt wie so oft von den Einzelfallumständen ab. Hat der Unternehmer keine Vorkehrungen getroffen, kann eine Ehescheidung existenzbedrohend sein. Was mit den Unternehmensanteilen im Scheidungsfall passiert hängt davon ab in welchem Güterstand die Eheleute leben und ob das Unternehmen bzw. dessen Anteile im Allein- oder im Miteigentum der Eheleute stehen. Haben Eheleute keinen Ehevertrag geschlossen, leben sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Im Falle einer Ehescheidung ist dann der sog. Zugewinnausgleich durchzuführen.  Dabei wird das Anfangsvermögen jedes Ehegatten mit dem Endvermögen verglichen. Zum Vermögen gehören auch Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen. Derjenige Ehegatte, der während der Ehe den größeren Vermögenszuwachs hatte, muss dem anderen Ehegatten die Hälfte des dazugewonnenen Vermögens abgeben. Stellt ein Unternehmen oder eine Unternehmensbeteiligung den Großteil des Vermögenszuwachses dar, ist dieser in Form einer Geldzahlung auszugleichen, der sogenannte Zugewinnausgleich. Häufig sind Unternehmer dann gezwungen ihr Unternehmen bzw. ihre Anteile zu verkaufen, um die notwendige Liquidität zur Begleichung des Zugewinnausgleichsanspruchs des anderen Ehegatten herbeizuführen. Unternehmensinhaber können und sollten diesem Szenario durch Abschluss eines Ehevertrages vorbeugen. 

Mit einem Ehevertrag lässt sich die Gütertrennung bereits bei Eheschließung vereinbaren. Was gehört unbedingt in einen solchen Vertrag?

Lilian Fahr: Eheverträge können vor und nach der Eheschließung geschlossen werden. Sie sind ein probates Mittel, um Unternehmen und Unternehmer davor zu schützen im Scheidungsfall existenziell bedroht zu werden. Vereinbaren Eheleute Gütertrennung, hat das zur Folge, dass der Zugewinnausgleich im Falle einer Ehescheidung gänzlich entfällt. Ein weiterer Vorteil aus Unternehmersicht ist, dass den Eheleuten damit die Möglichkeit eröffnet wird, insolvenzsicheres Vermögen aufzubauen, z.B. durch die Ausnutzung der steuerlichen Schenkungsfreibeträge zwischen Ehegatten. Ein wesentlicher Nachteil hingegen ist der Wegfall der erbschaftsteuerlichen Privilegierung, die der Gesetzgeber für die Zugewinngemeinschaft vorsieht. Ist eine Ehe nämlich glücklich und endet nicht durch Ehescheidung, sondern den Tod eines Ehegatten, werden Ehegatten, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben gegenüber jenen die im Güterstand der Gütertrennung leben insofern privilegiert, als dass der errechnete Zugewinn erbschaftssteuerfrei ist. Der Verzicht auf die erbschaftssteuerliche Privilegierung ist zum Schutz des Unternehmens jedoch nicht notwendig. Alternativ zur Gütertrennung kann der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft, ebenfalls mittels Ehevertrags, dahingehend modifiziert werden, dass das Betriebsvermögen oder aber auch das gesamte Vermögen für den Fall der Ehescheidung aus dem Zugewinn ausgenommen wird. Wird der Zugewinn zum Schutz des Unternehmers modifiziert, sollte der Ehevertrag unbedingt auch die gesetzlich vorgesehenen Verfügungsbeschränkungen zwischen Ehegatten zugunsten des Unternehmers so modifizieren, dass dem Unternehmer maximaler Handlungsspielraum eingeräumt wird. Das ist insbesondere für Unternehmensgründer, beispielweise für einen Exit von erheblicher Relevanz.  Mit der Modifizierung des Zugewinnausgleichs können die aus Unternehmersicht gewünschten Schutzmechanismen ebenso effektiv wie mit der Gütertrennung herbeigeführt werden und gleichzeitig die erbschaftssteuerlichen Vorteile beibehalten.  Die Modifizierung der Zugewinngemeinschaft ist immer häufiger das vorzugswürdigere Ehevertragsmodell. Die ehevertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten sind vielschichtig. Um allen Umständen des Einzelfalls gerecht zu werden, sollte sich ein Unternehmerehepaar von familien- und steuerrechtlichen Experten beraten lassen.

Auf welche Widerstände stoßen Sie im Alltag bei Aufsetzen von Eheverträgen?

Lilian Fahr: Es besteht in erste Linie eine emotionale Barriere. Eheverträge gelten als unromantisch. Verlobte wie auch frisch verheiratete setzten sich ungern mit dem Gedanken an eine Ehescheidung auseinander. Meines Erachtens ist das eine Versäumnis. Der Moment, in dem ein Ehepaar glücklich miteinander ist, ist erfahrungsgemäß ein guter um gemeinsam den „Worst Case“ zu gestalten. Glückliche Paare, die ihr gemeinsames Leben noch vor sich haben, denken und verhalten sich in der Regel fair und konstruktiv. Eheverträge sind nicht mehr das, was sie durchaus einmal waren, Knebelverträge, die regelmäßig einseitig waren und oft durch den wohlhabenderen Ehegatten oder dessen Familie vorgegeben wurden. Moderne Ehepaare haben schon längst erkannt, dass ein Ehevertrag die Chance bietet, die gemeinsame Zukunft selbstbestimmt in die Hand zu nehmen und Konflikten durch Schaffung klarer Verhältnisse vorzubeugen. Immer öfter entwerfe ich Eheverträge, die darauf abzielen einen Ehepartner nicht in seinen Rechten zu beschränken, sondern, ganz im Gegenteil, ihn über das vom Gesetzgeber bestimmte Maß hinaus abzusichern, beispielsweise durch Ausweitung von Unterhaltsansprüchen. Meines Erachtens gibt es nur wenige Ausnahmefälle, in denen ein ausgeglichener Ehevertrag den Eheleuten keinen Mehrwert bringt.

Welche Möglichkeiten gibt es, um auch im Streitfall einen jahrelangen Rechtsstreit nach der Trennung zu vermeiden?

Lilian Fahr: Eine immer beliebter werdende Alternative ist die Mediation. Sie birgt sehr viele Vorteile gegenüber dem Gerichtsverfahren. Anders als Gerichtsverfahren sind Mediationsverfahren formfrei und flexibel. Sie können in der Regel sehr kurzfristig aufgenommen werden und auch jederzeit wieder beendet werden. In vielen Fällen sind Mediationsverfahren kostengünstiger, da sie nicht an Gegenstandswerte gebunden sind, sondern in der Regel Stundensätze bezahlt werden. Anders als im Rahmen eines Gerichtsverfahrens bietet das Mediationsverfahren die Möglichkeit einen Konflikt in seiner Gesamtheit zu beleuchten und nicht – wie vor Gericht – nur einzelne Rechtsfragen. Die Beteiligten des Mediationsverfahrens erarbeiten gemeinsam, freiwillig und eigenverantwortlich eine Lösung. Das führt zu mehr Akzeptanz und Zufriedenheit in Bezug auf die am Ende des Mediationsverfahrens gemeinsam getroffene Vereinbarung. Zudem bieten Mediationsverfahren mehr Raum für Emotionen und Gefühle, die in Trennungs- und Scheidungssituationen naturgemäß eine große Rolle spielen. Im Ergebnis erlaubt Mediation den Beteiligten die Möglichkeit ihre Zukunft selbstbestimmt und kreativ in die Hand zu nehmen und zu gestalten, anstatt diese Aufgabe einem Gericht zu überlassen.

Was raten Sie jungen Ehepaaren, um auch nach einer möglichen Trennung nicht voller Hass voneinander zu gehen?

Ehrlichkeit, Respekt und Weitsicht.

Frau Rechtsanwältin Fahr, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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