Maike Chandra: Ist eine Anfechtungsklage zulässig und begründet, dann hat sie Erfolg

Interview mit Maike Chandra
Maike Chandra ist Rechtsanwältin in ihrer Anwaltskanzlei MAIKE CHANDRA in Oldenburg. Mit ihr sprechen wir über behördliche Maßnahmen, Aufhebungen von Verwaltungsakten sowie Ziele einer Anfechtungsklage.

Bei der Anfechtungsklage handelt es sich um eine Klageart aus dem Gebiet des Verwaltungsrechts, also aus dem Öffentlichen Recht. Welches Ziel wird mit einer Anfechtungsklage verfolgt?

Maike Chandra: Behördliche Maßnahmen, sogenannte Verwaltungsakte, regeln Rechtspositionen von Bürger*innen. Dies kann sowohl belastend als auch begünstigend sein. Hat eine behördliche Maßnahme einen belastenden Regelungsinhalt, wird also dem Adressaten/der Adressatin ein Tun oder ein Unterlassen aufgegeben, kann mit der Anfechtungsklage das Ziel verfolgt werden, dass dieser belastende Verwaltungsakt aufgehoben wird.

Der Verwaltungsakt ist in § 35 S. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz legaldefiniert. Was stellt der Verwaltungsakt dar und können Sie uns einige Beispiele nennen?

Maike Chandra: Ein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles, sprich zur Regelung eines Rechtsverhältnisses zwischen der Behörde und einem einzelnen Bürger. Mit dem Merkmal des Einzelfalles wird der Verwaltungsakt von der Rechtsnorm, also von einem Gesetz oder einer Verordnung abgegrenzt. Letztere regeln Rechtsverhältnisse zwischen Staat und Bürger generell, wie z.B. die Sicherheits- und Ordnungsgesetze der Länder oder das Baugesetzbuch. Bei einem Verwaltungsakt gemäß § 35 S. 1 VwVfG bezieht sich das belastende Rechtsverhältnis nur auf eine einzelne Person. Beispiele für Verwaltungsakte in diesem Sinne sind Untersagungsverfügungen wegen nicht genehmigter Wohnnutzung im Baurecht, Entzug einer Gaststättenerlaubnis oder Entlassungen aus einem Beamtenverhältnis.

In der Regel hat eine Anfechtungsklage eine gute Aussicht auf Erfolg, wenn Sie zulässig und begründet ist. Können Sie uns erklären, was eine Anfechtungsklage erfüllen muss, damit diese zulässig ist?

Maike Chandra: Ist eine Anfechtungsklage zulässig und begründet, dann hat sie Erfolg. Hier ist es dann so, dass das Verwaltungsgericht den angefochtenen Verwaltungsakt aufheben muss. Zur Zulässigkeit einer Anfechtungsklage gehören mehrere Punkte. Zunächst einmal muss der sogenannte Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Dies bedeutet, dass geklärt sein muss, dass ein Verwaltungsgericht über die Angelegenheit zu entscheiden hat. Dies dient der Abgrenzung zu anderen Gerichtsbarkeiten, wie z.B. der Zivilgerichts- oder der Verfassungsgerichtsbarkeit. Maßgeblich dafür ist, ob das streitige Rechtsverhältnis seine Grundlage im öffentlichen Recht oder im Privatrecht hat. So findet sich z.B. bei einem Streit um eine Gaststättenerlaubnis die gesetzliche Grundlage im Gaststättengesetz, also einer Norm des öffentlichen Rechts. Nur dann ist die Streitigkeit öffentlich-rechtlich und nichtverfassungsrechtlicher Art und somit der Weg vor den Verwaltungsgerichten eröffnet. Weiterer wesentlicher Punkt der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage ist die sogenannte Klagebefugnis. Nur derjenige kann eine zulässige Anfechtungsklage erheben, der geltend machen kann, in seinen eigenen, sogenannten subjektiven öffentlichen Rechten durch eine hoheitliche Maßnahme verletzt worden zu sein. Auch ist eine bestimmte Anfechtungsfrist zwingend einzuhalten.

Worauf muss jemand Ihrer Einschätzung nach noch achten, wenn es um eine Anfechtungsklage geht?

Maike Chandra: Hier ist es so, dass breite Bereiche belastender Verwaltungsakte aufgrund eines den Behörden eingeräumten Beurteilungs- und/oder Ermessensspielraums von den Gerichten nur begrenzt überprüfbar sind. Das Gericht kann Verwaltungsakte mit diesen Spielräumen in einem Anfechtungsprozess nur daraufhin überprüfen, ob die Behörde bei einem Ermessensspielraum ihr Ermessen richtig ausgeübt hat oder, bei einem Beurteilungsspielraum, ob die Behörde bei Werturteilen wie Prüfungsentscheidungen oder dienstlichen Beurteilungen unter anderem einen Bewertungsmaßstab eingehalten hat. Es ist so, dass es den Verwaltungsgerichten verwehrt ist, eine eigene als die von der Behörde getroffene Entscheidung zu treffen. Es ist bei einer Anfechtungsklage deshalb immer darauf zu achten, ob der Behörde ein Fehler bei Ausübung dieses Ermessens nachgewiesen werden kann. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Behörde bei einem Eingriff auch ein milderes Mittel hätte wählen können, um den verfolgten Zweck zu erfüllen. So hat sie beispielsweise bei einer schulischen Ordnungsmaßnahme und einem festgestellten Fehlverhalten eines Schülers erst zu prüfen, ob es nicht ausreicht, ihn für eine Woche vom Unterricht zu suspendieren, bevor er ganz von der Schule verwiesen wird. Es ist also anwaltliche Aufgabe, der Mandantschaft zu verdeutlichen, dass es bei einem Anfechtungsprozess von Ermessensentscheidungen von Behörden nicht darum geht, dass das Gericht eine andere Entscheidung vornehmen kann, sprich also einfach nachbessert, sondern nur darum, dass es prüft, ob diese Entscheidung aus Sicht der Behörde ermessensfehlerfrei getroffen werden konnte, selbst wenn eine andere Behörde vielleicht eine andere Entscheidung getroffen hätte.

Frau Chandra, vielen Dank für das Gespräch!

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