Manager leben gefährlich – Rechtsanwalt Dr. Stefan Steinkühler

Interview mit Dr. Stefan Steinkühler
Dr. Stefan Steinkühler ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Managerhaftung und D&O Versicherungen. Im Interview spricht er über die rechtlichen Risiken von Führungskräften und die Grundlagen der Managerhaftung.

Manager stehen mit einem Bein im Gefängnis“, heißt es oft. Wie viel Wahrheit beinhaltet diese Aussage?

Dr. Stefan Steinkühler: Die Beantwortung der Frage ist eng mit der Gegenfrage verbunden: Wann wird ein Staatsanwalt aktiv? Das geschieht doch nur dann, wenn ihm ein Sachverhalt angezeigt wird oder er selber auf Ungereimtheiten stößt, die strafrechtliche Relevanz haben können. Das strafrechtliche Umfeld hat sich sowohl für die Unternehmen als auch die handelnden Personen in den letzten Jahren gravierend verschärft. Es ist zu beobachten, dass sich Vorwürfe und Anzeigen (oft durch Neider oder Wettbewerber) häufen. Aber auch aus dem Umfeld des eigenen Unternehmens kommt es zu entsprechenden Anzeigen und Konsequenzen für die Manager. Die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie wird diesen Trend fördern. Compliance ist sowieso seit ein paar Jahren in aller Munde. Erfahrungsgemäß gibt es drei Gruppen von Managerhaftungsfällen:

1. Dritte (also Unternehmensfremde wie Insolvenzverwalter) nehmen ein Organmitglied in Anspruch.

2. Das Unternehmen nimmt seinen Manager in Anspruch, weil er das Unternehmen in irgendeiner Weise „betrogen“ und vermutlich vorsätzlich gehandelt hat.

3. Das Unternehmen nimmt seinen Manager in Anspruch, weil ihm im Rahmen seiner Tätigkeit ein (fahrlässiger) Fehler unterlaufen, dem Unternehmen ein Schaden entstanden ist und das Unternehmen diesen Schaden vom Organmitglied ersetzt haben möchte.

In den beiden ersten Fällen wird nicht selten von den Anspruchstellern mit sehr harten Bandagen gekämpft. Parallel zu den zivilrechtlichen Ansprüchen laufen oft strafrechtliche Ermittlungen. Gerne wartet man diese auch ab und nutzt die Ermittlungsergebnisse aus dem Strafprozess, um hinterher seine zivilrechtlichen Ansprüche zu untermauern; das Motto lautet dabei: Eine Strafanzeige bzw. Strafantrag kostet ja nichts.

Bei der letzten Gruppe soll im Zweifel kein Rosenkrieg stattfinden, der Manager soll auch im Unternehmen weiterarbeiten, es soll einfach der entstandene Schaden von dem Manager oder einer hinter ihm stehenden D&O-Versicherung ersetzt werden. Hier steht man zwar nicht mit einem Bein im Gefängnis; möglicherweise jedoch mit einem Bein in der Privatinsolvenz, wenn die Schadenhöhe die privaten Finanzmittel und die Versicherungssumme übersteigt.

Welche strafrechtlichen Folgen kann die Managementhaftung haben?

Dr. Stefan Steinkühler: Manager leben schon gefährlich. Die Gefahr, dass sie in die Fänge der Staatsanwaltschaft geraten, ist seit den 90er Jahren enorm gestiegen – insbesondere durch die Bildung von sog. Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Immer häufiger müssen sich Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und Aufsichtsräte für ihr Handeln oder Unterlassen vor Gericht verantworten. Das Spektrum möglicher Fehltritte reicht von vermeintlichem Subventionsbetrug über angebliche Bilanzfälschung bis hin zur strittigen Höhe von Abfindungen. Alleine ein Personenschaden auf dem Betriebsgelände führt oft zu Ermittlungen gegen die Betriebsleitung wegen einer möglichen Verletzung von Aufsichts- und Organisationspflichten. Neben Geldstrafen und Bußgeldern werden viele Straftatbestände auch mit Haftstrafen sanktioniert.

Unter welchen Umständen sind Führungskräfte und Manager schadenersatzpflichtig?

Dr. Stefan Steinkühler: In Deutschland haften Manager bereits für einfach, fahrlässig begangene Pflichtverletzungen unbegrenzt mit ihrem gesamten Privatvermögen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Generaltatbestände in § 43 GmbHG oder § 93 AktG eine Beweislastumkehr vorsehen. Betroffene Manager müssen sich von dem Vorwurf des schuldhaften Pflichtenverstoßes entlasten; ihr Verschulden wird vom Gesetzgeber erst einmal vermutet!

Wie häufig kommt es in der Realität zu Klagen auf Managementhaftung?

Dr. Stefan Steinkühler: Aus Sicht der Theorie lässt sich die Frage wie folgt beantworten: Bei Anhaltspunkten für Pflichtverletzungen muss der Aufsichtsrat das Bestehen von Haftungsansprüchen näher prüfen und aussichtsreiche Ansprüche grundsätzlich geltend machen (BGH, Urteil vom 21.4.1997 – II ZR 175/95, sogenannte „ARAG/Garmenbeck-Entscheidung“). Die gesetzlichen Anforderungen sind bei der Aktiengesellschaft strenger als bei anderen Kapitalgesellschaften, wie z.B. der GmbH. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen kann der Aufsichtsrat auf ein Vorgehen gegen den Vorstand verzichten. Aus Sicht der Praxis lautet die Antwort so: Das ManagerMagazin hatte bereits vor Jahren recherchiert und mitgeteilt, dass allein gegen GmbH-Geschäftsführer pro Jahr mehr als 10.000 Schadenersatzansprüche ausgelöst werden. Deutschland ist damit Weltmeister der Managerhaftung.

Wie können sich Manager am Besten absichern?

Dr. Stefan Steinkühler: Die ersten Fehler kann man schon machen, bevor man überhaupt im Unternehmen anfängt – nämlich wenn man seinen Dienstvertrag nicht richtig aushandelt. Je nachdem wie gut die Verhandlungsposition ist, kann man unter Umständen Haftungsbegrenzungen bereits in seinen Vertrag aufnehmen oder sich entsprechenden Versicherungsschutz zusichern lassen.

Wenn man im Unternehmen angefangen hat, sollte man schwierige Entscheidungen durch Expertenrat absichern lassen und vor allem seine Entscheidungen immer dokumentieren. Im Schadenfall hinterher den Beweis zu erbringen, dass man nicht schuldhaft gehandelt hat oder das schon gar keine Pflichtverletzung vorliegt, ist schwierig, insbesondere wenn man das Unternehmen bereits verlassen hat und man keinen Zugriff mehr auf seine Akten hat.

Wenn man das Unternehmen verlässt, kann man sich als Geschäftsführer auch einen Entlastungsbeschluss oder eine sog. Generalbereinigung für sein vergangenes Handeln von den Gesellschaftern geben lassen. Ob diese Instrumente dann im Schadenfall auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten wird, ist immer mit einem Restrisiko verbunden.

Sie sehen, man kann schon einiges an Haftungsvermeidung vornehmen, ohne überhaupt an Versicherungen zu denken. Nichtsdestotrotz kommt man aufgrund des persönlichen Haftungsrisikos des Managers dem Grunde und der Höhe nach wohl nicht umher, entsprechende Versicherungen einzukaufen.

Auf einem Zeitstrahl ist die D&O-Versicherung oft der letzte Baustein, der den Manager und seine Familie schützt, da man dem Manager dann schon konkrete Pflichtverletzungen vorwirft. In der Regel beginnen die Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber bereits vorher. Da hilft der Abschluss einer Anstellungsvertragsrechtsschutzversicherung – und wenn man erst einmal den Staatsanwalt ermitteln lässt, bevor man zivilrechtlich in Anspruch genommen wird, eine Strafrechtsschutzversicherung. D&O- und Strafrechtsschutzversicherung schließen in der Regel die Unternehmen für ihre Manager und Aufsichtsräte ab. Aus vielen Gründen ist aber der eindeutige Trend zu erkennen, dass sie zusätzlich selber diese Versicherungen abschließen und die Versicherungsprämie bezahlen, um selber Herr über ihre eigene Police zu sein. Diese Entwicklung gilt selbst für Leitende Angestellte und Prokuristen, die zwar immer noch durch die arbeitsrechtliche Rechtsprechung grundsätzlich als normale Angestellte haftungsprivilegiert sind und weniger haften wie Geschäftsführer oder Vorstände. Aber auch hier häufen sich Urteile, wonach in besonders schweren Fällen die Privilegierung nicht mehr greift und der Prokurist für den vollen Schaden haften soll.

Wie gut schützen Versicherungslösungen?

Dr. Stefan Steinkühler: Den optimalen Versicherungsschutz für einen Manager gibt es nicht. Man kann aber sehr wohl viele persönliche Risiken, wie soeben beschrieben, auf einen Versicherer transferieren. Wie so oft steckt aber der Teufel im Detail, sprich in den Versicherungsbedingungen. Sehr häufig kommt ein Geschäftsführer zu mir, legt mir seine Arbeitsrechtsschutzpolice mit einem Lächeln auf den Schreibtisch und sagt: Dann legen Sie mal los! In diesem Fall ist die Enttäuschung groß, wenn ich ihm mitteilen muss, dass sein Handeln als Organmitglied in den klassischen Arbeitsrechtsschutzversicherungen ausgeschlossen ist und es extra für Geschäftsführer und Vorstände sog. Anstellungsvertragsrechtsschutzversicherungen gibt. Auch garantieren viele Standardversicherungen für die versicherte Anwaltstätigkeit nur eine Kostenübernahme nach dem RVG. Honorarvereinbarungen mit darüberhinausgehenden Stundensätzen wären dann vom Manager selber zu tragen.

Und natürlich gibt es noch Ausschlüsse in den jeweiligen Versicherungsbedingungen. Zum Beispiel sind vorsätzliche bzw. wissentliche Pflichtverletzungen des Managers in der D&O-Versicherung ausgeschlossen. Wichtig ist dabei aber die jeweilige Formulierung im Versicherungsvertrag. Ist streitig, ob ein Versicherter eine Pflicht wissentlich verletzt hat, sollte zumindest vorläufiger Versicherungsschutz für die Kosten zur Abwehr der geltend gemachten Ansprüche bestehen. Dieser Versicherungsschutz sollte auch nur dann rückwirkend entfallen, wenn die wissentliche Verletzung der Pflicht durch eine rechtskräftige und dann nur zivilgerichtliche Entscheidung festgestellt wird.

Bei der Berufung auf Ausschlussklauseln ist aber der Versicherer grundsätzlich in der Beweispflicht. Insofern bieten die zurzeit erhältlichen Versicherungsbedingungen schon einen umfassenden Schutz vor zivilrechtlichen und strafrechtlichen Auseinandersetzungen.

Selbst wenn alles gut ausgeht, bleibt es aber oft bei einem Reputationsschaden des Betroffenen, wenn Presse, Richter und womöglich sogar Staatsanwälte über Wochen und Monate hinweg sein Berufsleben seziert haben. Hier können PR-Berater unterstützen, deren Hilfe und Kosten auch von vielen Versicherern übernommen werden.

Herr Dr. Stefan Steinkühler, vielen Dank für das Gespräch.

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