Nina Haverkamp: AGB müssen in jedes Vertragsverhältnis ausdrücklich mit einbezogen werden

Interview mit Nina Haverkamp
Nina Haverkamp ist Rechtsanwältin in der Kanzlei AHS Rechtsanwälte in Köln und Bonn. Mit ihr sprechen wir über schnell drehende Wirtschaft, allgemeine Geschäftsbedingungen sowie Zeitersparnis.

Kaum eine Rechtsmaterie ist so bedeutend wie das AGB-Recht. Die AGB sind wohl der am häufigsten verwendete Bestandteil der Vertragsgestaltung. Was ist der Sinn und Zweck von den AGB?

Nina Haverkamp: Im Geschäftsverkehr will niemand das Rad ständig neu erfinden, sondern möglichst immer dieselben Vertragsbedingungen nutzen. Alles andere wäre zu viel Aufwand und würde natürlich auch nicht den Erfordernissen einer sich schnell drehenden Wirtschaft gerecht. Deswegen nutzen praktisch alle Unternehmen im Alltag ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen. In § 305 BGB wird der Sinn und Zweck definiert:  Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Und genau so werden AGB in der Praxis genutzt. Wollte ein Unternehmer keine AGB einsetzen, aber trotzdem „seine“ Bedingungen gegenüber seinem Vertragspartner durchsetzen, müsste er einen Vertrag entwerfen und diesen dann Zeile für Zeile mit seinem Vertragspartner verhandeln. Das ist natürlich nicht praktikabel.

Eine gesetzliche AGB-Pflicht gibt es in Deutschland nicht, doch sind sie für Unternehmen nahezu unverzichtbar. Wie genau profitieren Unternehmen von den AGB?

Nina Haverkamp: Neben der Zeitersparnis durch Einsatz seiner vorformulierten Bedingungen, ermöglichen AGB dem Unternehmer, seine favorisierten Konditionen durchzusetzen. Verzichtet er hierauf, gelten möglicherweise die AGB der Gegenseite, mit denen er nicht einverstanden ist oder es gelten die gesetzlichen Regelungen von BGB und HGB. Mit diesen ist er womöglich auch nicht einverstanden. Nutzt der Unternehmer also keine AGB, so nutzt er seine eigenen Gestaltungsrechte nicht. In den AGB kann beispielweise eine Haftungsbegrenzung formuliert werden. Oder für Lieferanten von Waren ist es sehr wichtig, dass sie die Waren unter Eigentumsvorbehalt liefern. Dies bedeutet, dass das Eigentum an den Käufer erst dann übergeht, nachdem dieser den Kaufpreis gezahlt hat. Ohne eine solche AGB-Regelung verliert der Verkäufer sein Eigentum schon bei Lieferung – auch ohne Zahlung des Kaufpreises. Dies ist eine sehr nachteilige Rechtsfolge. Der Vorteil von AGB liegt also auf der Hand. 

Pflegen Unternehmen Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen, und eines davon hat keine eigenen AGB, so gelten automatisch die Geschäftsbedingungen des Geschäftspartners. Warum ist das meist schlecht, und wie können sich Unternehmen vor Nachteilen durch die AGB des anderen schützen?

Nina Haverkamp: Also zunächst einmal ist es so, dass AGB nie automatisch gelten. AGB müssen vielmehr in das Vertragsverhältnis mit einbezogen werden. Möchte also ein Unternehmen auf Grundlage seiner AGB etwas bestellen oder liefern, so muss in der Bestellung oder im Angebot auf die Geltung der AGB hingewiesen werden. Fehlt ein solcher Hinweis, werden die AGB nicht Vertragsbestandteil. Ich höre regelmäßig von Mandanten, dass ihre AGB immer gelten, weil sie auf der eigenen Website hinterlegt sind. Dies ist falsch. Die AGB müssen vielmehr in jedes Vertragsverhältnis ausdrücklich mit einbezogen werden. Im kaufmännischen Geschäftsverkehr müssen die AGB nicht beigefügt werden. Bei Verbrauchern ist das anders – jeder kennt das, wenn er privat im Internet etwas bestellt und dann bei den AGB ein Häkchen setzen muss. Zwischen Unternehmern genügt der Hinweis auf die Geltung und die Veröffentlichung von AGB im Internet hat keine Relevanz. 

Was muss man beachten, wenn man AGB verwenden möchte?

Nina Haverkamp: Jeder sollte wissen, dass man in AGB nicht alles regeln kann, wie man das vielleicht möchte. Gerade weil es sich um das „Kleingedruckte“ handelt, das dem Vertragspartner „untergeschoben“ wird, zeigen das Gesetz (§§ 305 ff. BGB) und die Rechtsprechung klare Grenzen auf. Und diese gelten nicht nur bei Verbrauchergeschäften, sondern in vielen Fällen auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr. Diese Grenzen sollten einem bewusst sein. Ein anderes Problem entsteht außerdem immer dann, wenn beide Vertragspartner AGB nutzen, z.B. Einkaufs-AGB und Liefer-AGB und sich einzelne Klauseln widersprechen. So kann in den Liefer-AGB eine Lieferung unter Eigentumsvorbehalt geregelt und in den Einkaufs-AGB dies ausgeschlossen sein. Was gilt dann? Immer wenn einzelne AGB-Klauseln sich widersprechen, dann fällt man sozusagen auf den Boden des Gesetzes. Im konkreten Fall heißt dies, dass kein Eigentumsvorbehalt vereinbart ist und der Verkäufer sein Eigentum bei Lieferung verliert.        

Welche Konsequenzen drohen bei fehlerhaften AGB und unwirksamen Klauseln? Woher bekommt man rechtssichere AGB?

Nina Haverkamp: Fehlerhafte AGB bzw. unwirksame Klauseln führen dazu, dass dann die Regeln des BGB und HGB gelten. Diese sind nicht per se schlecht, können jedoch im Einzelfall unpassend sein. So möchte ein Lieferant nicht unbegrenzt für jeden Schaden haften. Gerade im unternehmerischen Geschäftsverkehr kann man die Bedingungen einer Vertragsbeziehung weitgehend gestalten. Dies sollte man bestmöglich tun, zumal, wenn man die Bedingungen für eine Vielzahl von Fällen einsetzen möchte. Leider kopieren sich viele Unternehmer ihre AGB aus dem Internet zusammen, ohne dass diese wirklich für das eigene Geschäft passen. Da die Rechtsprechung genauso wie Gesetze einem steten Wandel unterworfen sind, hat dies natürlich auch Auswirkungen auf AGB, insbesondere auf die Wirksamkeit der einzelnen Klauseln. Alle paar Jahre muss man seine AGB also ohnehin überprüfen lassen – und dann am besten von einer qualifizierten Rechtsanwaltskanzlei.

Frau Haverkamp, vielen Dank für das Gespräch!

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