Ole Behder: Gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden

Interview mit Ole Behder
Ole Behder ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Chevalier. Im Interview spricht er über die Grundlagen des Arbeitsrechts.

Arbeitsrecht ist ein breites Fachgebiet. Welches sind die typischen Betätigungsfelder für Anwälte?

Ole Behder: Das Hauptbetätigungsfeld ist sicherlich die Beratung und Vertretung der Arbeitsvertragsparteien, also Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zu allen Fragen des Arbeitsrechts. Inhaltlich stehen dabei oft die Begründung und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, z.B. durch eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag, im Vordergrund. Dabei muss man sich flexibel den aktuellen Bedürfnissen der Mandanten anpassen können. Aktuell etwa besteht u.a. ein hoher Beratungsbedarf zu Fragen der Kurzarbeit, also einem Thema, das sonst nicht besonders im Fokus ist.

Welche speziellen arbeitsrechtlichen Regelungen gelten für kleine und mittelständische Unternehmen?

Ole Behder: Die sicherlich wichtigste Regelung, die für kleine Betriebe mit in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmern gilt, ist, dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Hier können Arbeitgeber den Arbeitnehmern daher in der Regel ohne besonderen Grund kündigen. Die Arbeitsgerichte überprüfen solche Kündigungen lediglich auf einen etwaigen Missbrauchsfall. Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise, wenn in einem solchen Kleinbetrieb mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt sind, die bereits vor dem Jahr 2004  eingestellt wurden. Dann haben diese Mitarbeiter ebenfalls Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Andere Sonderregelungen für kleine und mittelständische Unternehmen haben kaum praktische Relevanz.

Welchen arbeitsrechtlichen Einfluss haben Tarifbindung und Betriebsrat?

Ole Behder: Unter Tarifbindung versteht man die unmittelbare Anwendbarkeit der Rechtsnormen eines Tarifvertrags für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In Tarifverträgen sind regelmäßig eine Vielzahl von Inhalten geregelt, die erheblichen Einfluss auf die Arbeitsverhältnisse haben. Zu nennen sind etwa Regelungen zu Arbeitszeiten, Vergütungsfragen, Kündigungsfristen, etc. Ist ein Tarifvertrag auf ein Arbeitsverhältnis anwendbar, sind seine Inhalte somit zwingend von den Arbeitsvertragsparteien zu  beachten.

Ein Betriebsrat stellt eine institutionalisierte Arbeitnehmervertretung dar, die in Betrieben, Unternehmen und Konzernen eingerichtet werden kann. Er soll die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber vertreten und mit diesem das betriebliche Miteinander regeln. Ist ein Betriebsrat eingerichtet, muss der Arbeitgeber Rechte des Betriebsrats beachten, beispielsweise Anhörungs- und Informationsrechte. Die Missachtung von Rechten des Betriebsrats kann dazu führen, dass bestimmte Maßnahmen des Arbeitgebers, z.B. eine Kündigung, rechtlich gesehen unwirksam und damit anfechtbar sind. Mitglieder des Betriebsrats selbst genießen zudem einen besonderen Kündigungsschutz.

Abmahnungen sind ein beliebtes Disziplinierungsmittel von Arbeitgebern. Welche Anforderungen müssen für eine wirksame Abmahnung erfüllt sein?

Ole Behder: Abmahnungen können mündlich oder schriftlich erteilt werden. Aus Beweisgründen empfiehlt sich für Arbeitgeber aber, nur schriftliche Abmahnungen zu erteilen. Grundvoraussetzung für eine wirksame Abmahnung ist, dass der Sachverhalt, der der Abmahnung zugrunde liegen soll, genau dargestellt wird. An diesem – vermeintlich einfachen – Erfordernis scheitern in der Praxis bereits viele Abmahnungen. Denn ist bereits der maßgebliche Sachverhalt falsch oder nicht konkret genug beschrieben, kann eine Abmahnung die sogenannte „Dokumentationsfunktion“ nicht erfüllen, was zur Unwirksamkeit der Abmahnung führt. Ansonsten muss klar vermittelt werden, dass ein Pflichtverstoß gerügt wird und woraus sich diese Pflicht ergibt. Zudem muss deutlich kommuniziert werden, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis – bis hin zu einer Kündigung – rechnen muss.

Lohnt es sich gegen ungerechtfertigte Abmahnungen vorzugehen?

Ole Behder: Häufig nicht. Ein abgemahnter Arbeitnehmer kann eine Gegendarstellung zu einer Abmahnung verfassen oder auf Entfernung der Abmahnung klagen. Dies führt regelmäßig zu einer weiteren Eskalation und damit Belastung des Arbeitsverhältnisses. Unternimmt ein Arbeitnehmer nichts gegen eine Abmahnung, verliert sie nach einiger Zeit ohnehin ihre Wirkung. Ist eine ausgesprochene Abmahnung im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits von Bedeutung, wird die Abmahnung zudem auf ihre Wirksamkeit hin überprüft, auch wenn sie bisher nicht weiter beanstandet worden war.  

Kündigungen durch den Arbeitgeber landen häufig vor Gericht. Was sollten Arbeitnehmer beachten, die gegen ihre Kündigung vorgehen wollen?

Ole Behder: Unbedingt beachtet werden muss, dass es eine Frist von drei Wochen ab Erhalt der Kündigung zur Erhebung einer Klage gibt. Ist diese Frist abgelaufen, wird sogar eine unberechtigte Kündigung wirksam und eine Klageerhebung ist nur in sehr speziellen Ausnahmesituationen möglich. Davon abgesehen bietet die Frist von drei Wochen die Chance, im Dialog mit dem Arbeitgeber eine außergerichtliche Verständigung zu finden. Diesen Ansatz verfolgen wir bei Chevalier sehr konsequent, weil eine gerichtliche Auseinandersetzung sehr oft nicht im besten Interesse der Mandanten ist.

Arbeitsrechtsprozesse enden häufig mit einer Abfindung. Auf welche Höhe dürfen Arbeitnehmer hoffen?

Ole Behder: Wenn nicht ausnahmsweise besondere Vorgaben für eine Abfindung zu beachten sind, orientieren sich Gerichte an der sogenannten „Regelabfindung“. Danach ist für jedes volle Beschäftigungsjahr ein halbes Bruttomonatsgehalt in Ansatz zu bringen. Abhängig davon, welche Partei das größere Risiko hat, bei einem Verfahrensfortgang zu unterliegen, kann eine Abfindung selbstverständlich höher oder niedriger ausfallen. Hier entscheidet nicht zuletzt das Verhandlungsgeschick der Beteiligten.

Herr Behder, vielen Dank für das Gespräch.

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