Patentanmeldung einfach erklärt

Interview mit Dr. Bernhard Jungblut
Wir sprechen heute mit Dr. Bernhard Jungblut, Patentanwalt und Gesellschafter von Jungblut& Seuss GbR in Berlin, über das Patentrecht in Deutschland und Europa. Was die Voraussetzungen für die Anmeldung eines Patentes sind, wie bei einer Patentverletzung zu verfahren ist und vieles weitere wird mit seiner Expertise und Erfahrung geklärt.

Ein amerikanisches Unternehmen hat ein günstiges und umweltschonendes Verfahren entwickelt, welches den Verfall von Obst und Gemüse im Handel maßgeblich verringern soll, und sich somit einen immensen Wettbewerbsvorteil verschafft. Wie können Sie sicherstellen, dass Ihre Patentanmeldung in Deutschland bestmöglich geschützt ist?

Wenn die Patentierungsvoraussetzungen nach europäischem Recht vorliegen (diese unterscheiden sich vom US-amerikanischen Recht), dann ist natürlich der beste Weg, eine Europäische Patentanmeldung einzureichen, und zwar spätestens innerhalb eines Jahres nach Einreichung einer amerikanischen Patentanmeldung (die ich mal annehme bzw. voraussetze, u.a. weil das US-Recht dortige Erstanmeldungen für amerikanische Unternehmen vorschreibt). Eine nationale deutsche Patentanmeldung halte ich diesem Fall für vermutlich nicht sinnvoll, weil die regionale Schutzerstreckung zu gering sein dürfte.

Studien zufolge wird der Börsengang von Unternehmen mit angemeldeten Patenten positiv beeinflusst. Dementsprechend kann es für viele börsennotierte Unternehmen und deren Aktionäre von großer Bedeutung sein, dass angemeldete Patente fristgerecht angemeldet sind. Was sind die Fristen für die Anmeldung von Patenten in Deutschland und wie können Sie sicherstellen, dass diese eingehalten werden?

Die Frage verstehe ich im Ansatz nicht, und zwar in Bezug auf das „fristgerecht“. Fristen bestehen für eine Patentanmeldung nicht, es kann eine Erfindung beispielsweise auch als geheimes Know-how behalten werden, also nie angemeldet werden (was bei bestimmten Erfindungen durchaus Sinn machen kann, die Handhabung des Arbeitnehmererfinderrechts lasse ich dabei mal außen vor). Auch geheimes Know-how stellt einen Unternehmenswert dar (Klassiker: Coca Cola Rezept). Sie haben insofern Recht, als dass gerne im Rahmen einer Due Diligence auf möglichst viele Schutzrechte geachtet wird, insbesondere bei Übernahmen, Börsengängen, etc. Wenn eine Erfindung nicht als geheimes Know-how gehalten werden soll, dann ist eine frühestmögliche Anmeldung (= wenn der Kern der Erfindung fertig ist, und sei es nur auf dem Papier) sinnvoll. Und zwar unabhängig davor, ob ein Börsengang geplant ist, oder nicht.

Was sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Patenterteilung?

1) Technizität, 2) Ausführbarkeit, 3) hinreichende Offenbarung, 4) gewerblichen Anwendbarkeit, 5) Neuheit, und 6) erfinderische Tätigkeit (früher „Erfindungshöhe“ genannt).

Technizität meint, dass eine Erfindung der Welt der Technik angehören muss. Beispielsweise neue Geschäftspläne oder Arbeitsabläufe sind nicht-technischer Natur und somit nach europäischem Recht nicht mit einem Patent schützbar (in den USA demgegenüber sehr wohl). Auch mathematische Verfahren oder Software sind in Europa grundsätzlich von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Wenn ein Anwalt sagt „grundsätzlich“, dann kann es allerdings auch anders sein. Nämlich, wenn ein technischer Bezug vorliegt. Beispielsweise ein Programm zur Datenkompression ist in der Regel schützbar, weil es der Informationsübertragung dient. Ein Buchhaltungsprogramm demgegenüber nicht, weil es eine reine Ordnungsanweisung für Zahlen ist.

Ausführbarkeit meint, dass die Erfindung funktionieren muss. Beispielsweise eine Anmeldung eines Perpetuum Mobiles würde an dieser Hürde scheitern.

Hinreichende Offenbarung bezeichnet das Erfordernis, eine Anmeldung so ausführlich zu beschreiben, dass der sogenannten Durchschnittsfachmann sie nacharbeiten kann. Also einen „Knackpunkt“ im Rahmen der Beschreibung quasi zu verheimlichen, wäre ein Offenbarungsmangel. Denn die Öffentlichkeit soll die Möglichkeit haben, nach Ablauf oder Aufgabe eines Patentes die Erfindung frei zu nutzen. Nur bei entsprechender Offenbarung gewährt das Patentrecht quasi als Gegenleistung die zeitlich begrenzte Exklusivität.

Gewerbliche Anwendbarkeit ist ein Rechtsbegriff und schließt bestimmte Erfindungen von der Patentierbarkeit aus. Beispielsweise therapeutische Verfahren, also das, was der Arzt am Patienten ausübt, sind nicht schützbar. Demgegenüber sind beispielsweise Pharmazeutika schützbar. Es gibt auch Grenzbereiche. Beispielsweise ein Verfahren zur Entfernung eines Muttermals mit Laser wäre dahingehend einzuordnen, ob es ein therapeutisches Verfahren ist oder ein kosmetisches Verfahren. Letzteres unterliegt nicht einem Patentierungsausschluss.

Neuheit besagt, dass eine Erfindung nicht mit allen Merkmalen in einem einzigen Stand der Technik, beispielsweise einer einzigen Druckschrift, vorbeschrieben sein darf.

Erfinderische Tätigkeit besagt, dass sich die Erfindung nicht aus einer Mehrzahl von beispielsweise Druckschriften zum Stand der Technik herleiten lassen darf. Diese Prüfung setzt voraus, dass keine der Druckschriften neuheitsschädlich ist (siehe oben). Dabei handelt es sich um einen komplexen Rechtsbegriff, der oft den normalen technischen Denken weniger einsichtig ist.

Zu allen vorstehenden Aussagen und Beispielen kann der Patentrechtler „ja, aber…“ anmerken. Es ist stark verkürzt dargestellt.

Was sind die wichtigsten Aspekte des Verfahrens zur Anmeldung von Patenten in Deutschland?

Nach der Einreichung und fristgerechter Stellung des Prüfungsantrages findet eine amtliche Prüfung auf die vorstehenden Kriterien 1) bis 6) statt. Dies gilt für das nationale deutsche Verfahren ebenso wie für das europäische Verfahren. Im Rahmen des Prüfungsverfahren findet ein „Ringen“ zwischen dem betreffenden Patentamt und der anmeldenden Person oder Firma statt, ggf. vertreten durch einen Patentanwalt. Das Amt wirkt auf einen möglichst engen Schutzbereich hin, im öffentlichen Interesse, die vor dem Amt vertretende Person versucht demgegenüber einen möglichst weiten Schutzbereich zu erreichen. Die Spielregeln dieses „Ringens“ werden durch Patentrecht und Rechtsprechung hierzu bestimmt. Praktisch läuft das so ab, dass das Amt einen Prüfungsbescheid mit Einwänden ausfertigt und die vertretende Person hierauf erwidert, mit oder ohne Änderungen der Patentansprüche, immer aber mit rechtlichen Argumenten. Üblicherweise geht das so 2-4-mal hin und her und dann erfolgt eine Patenterteilung (es sei denn, man ist sich nicht einig geworden und es geht in die nächste Instanz). In Deutschland erfolgt dann die Patenterteilung und daran schließen sich dann lediglich die Jahresgebühren zur Aufrechterhaltung an (jährlich steigend, um den Patentinhaber zur Aufgabe des Patentes zu „motivieren“, falls eine wirtschaftliche Verwertung nicht (mehr) stattfindet). Im europäischen Verfahren erfolgt ebenfalls eine Patenterteilung, es muss das europäische Patent dann aber in all jenen Vertragsstaaten validiert werden, wo der Patentinhaber Schutz begehrt. Die Jahresgebühren sind dann national zu entrichten. Oder das entstehende europäische Patent wird in ein europäisches Gemeinschaftspatent (neue Rechtslage) überführt.

Patentverletzungen können den Patentinhabern unter anderem erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen. Wie geht man mit Patentverletzungen in Deutschland um?

Einfach und kurz: Einreichung einer Verletzungsklage bei der zuständigen Patentstreitkammer eines Landgerichtes (LG). Damit wird im Kern Unterlassung (der Verletzungshandlungen) und Schadensersatz begehrt (nicht abschließende Liste der Ansprüche, diese beiden sind aber die wichtigsten). Der Verletzer wird sich dagegen nicht nur vor dem LG verteidigen, sondern seinerseits das Patent im Wege der Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht angreifen. Denn wenn das Patent vernichtet wird (beispielsweise, weil neuer relevanter Stand der Technik bekannt geworden ist), dann geht die Verletzungsklage natürlich automatisch ins Leere. Der Patentinhaber wehrt sich wiederum in dem Nichtigkeitsverfahren und verteidigt sein Patent. Es finden typischerweise also zwei parallele Gerichtsverfahren vor verschiedenen Gerichtszügen statt.

Wie können Sie sich gegen eine ungerechtfertigte Patentverletzung verteidigen?

Sie meinen den ungerechtfertigten Vorwurf der Patentverletzung? Wenn ja, dann durch (erfolgreiche) Verteidigung im Verletzungsverfahren und durch Angriff auf das Patent des Angreifers, siehe vorstehende Randziffer. Im Vorfeld, beispielsweise im Rahmen einer Abmahnung, kann bei unklarer Lage auch eine unternehmerische Lösung gesucht und gefunden werden. Beispielsweise, indem eine Lizenznahme zu geringen Lizenzsätzen als gütliche Einigung angestrebt wird.

Was sind die Auswirkungen der neuesten Entwicklungen im Patentrecht auf die Patentanmeldungen und -verletzungen?

Das neue europäische Gemeinschaftspatent führt zu einer Verringerung der Kosten (Validierungskosten fallen weg) gegenüber dem bisherigen europäischen Patent. Das Prüfungsverfahren und dessen Koste sind nahezu gleich. Das Europäische Patentamt führt eine Prüfung einer Gemeinschaftspatentanmeldung im Kern genauso durch, wie bei einer europäischen Patentanmeldung. Des Weiteren muss nicht mehr national und nach (recht unterschiedlichem!) nationalem Recht im Falle einer Patentverletzung geklagt werden. Zur Erläuterung: Vertragsstaaten des Gemeinschaftspatentübereinkommens sind die Länder der EU (also beispielsweise nicht: Türkei, Schweiz, UK). Das europäische Patentübereinkommen hat demgegenüber erheblich mehr Vertragsstaaten (beispielsweise auch die Türkei, Schweiz, UK).

Herr Jungblut, vielen Dank für das Interview.

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