Tobias Reinhart: Allgemeine Regelungen bei Urkundenfälschungen

Interview mit Tobias Reinhart
Tobias Reinhart ist Rechtsanwalt in der Kanzlei RECHTSANWÄLTE IMHOF & PARTNER in Aschaffenburg. Mit ihm sprechen wir über gefälschte Impfpässe, Umgang mit der Justiz sowie Strafbarkeitslücke.

Seit kurzem beschäftigt sich das Landgericht Osnabrück mit gefälschten Impfpässen. Wie behandelt die Justiz eine Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß §§277, 279 StGB?

Tobias Reinhart: Sämtliche veröffentlichten und mir bekannten Entscheidungen (zuletzt das OLG Bamberg am 17.01.22 – Az.: 1 Ws732-733/21 und diesem folgend das LG Aschaffenburg am 20.01.22 – Az.: Qs 89/21) sehen das Fälschen und Gebrauchen von Impfpässen bis zur Gesetzesänderung am 24.11.21 nur dann als strafbar an, wenn der Impfpass gegenüber Behörden oder Versicherungsgesellschaften gebraucht wurde. Wurde von den Beschuldigten lediglich versucht, durch Vorlage des gefälschten Impfpasses z.B. in einer Apotheke einen Vorteil zu erlagen (hier: digitales Impfzertifikat), so bestand diesbezüglich bis zum 24.11.21 eine Gesetzeslücke und die Beschuldigten gingen straffrei aus.

Beim Landgericht Osnabrück wurde geprüft, ob sich Beschuldigte der Urkundenfälschung gemäß §267StGB strafbar gemacht haben. Warum ist in dem Fall der Fälschung von Gesundheitszeugnissen kein Rückgriff auf die allgemeine Regelung der Urkundenfälschung möglich?

Tobias Reinhart: Weil die Vorschriften über die Fälschung von Gesundheitszeugnissen Spezialgesetze darstellen („lex specialis“) und somit die Anwendung der allgemeineren Urkundendelikte sperren.

Bisher wurde nicht nach Personen mit gefälschten Impfausweisen gefahndet. Gibt es wirklich eine Strafbarkeitslücke?

Tobias Reinhart: Diese Strafbarkeitslücke gab es, wurde jedoch durch den Gesetzgeber seit dem 24.11.21 geschlossen. Nunmehr macht sich jeder strafbar, der einen gefälschten Impfpass „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ ausstellt oder gebraucht. Im Übrigen wurden auch vorher Durchsuchungsbeschlüsse auf Betreiben von Staatsanwaltschaften von den zuständigen Amtsgerichten erlassen, die der Mindermeinung folgten und davon ausgingen, dass hier eine Urkundenfälschung vorliegen würde.

Das Vorlegen eines unrichtigen Impfpasses bei einer Apotheke ist nicht nach dem StGB sowie ebenfalls nicht nach dem IfSG strafbar. Wie können dennoch gefälschte Impfausweise sichergestellt werden?

Tobias Reinhart: Das LG Osnabrück war der Ansicht, dass dies über das polizeiliche Gefahrenabwehrrecht gem. § 26 Nr. 1 NPOG möglich sei, da durch die Ansteckung eine gegenwärtige Gefahr für die Allgemeinheit bestehen würde.

Die Strafbarkeitslücke darf allerdings nicht von Gerichten, sondern nur vom Gesetzgeber geschlossen werden. Wird es in Zukunft eine Gesetzesänderung bezüglich der Impfausweise geben, wann kann man damit rechnen und welche Strafen kommen auf Personen mit gefälschten Impfausweis zu?

Tobias Reinhart: Nach der Neuregelung des § 277 StGB sieht der Gesetzgeber nunmehr für das unbefugte Ausstellen von Gesundheitszeugnissen eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor; in besonders schweren Fällen bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe. Für den Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse sieht der Gesetzgeber nunmehr gem. § 279 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor.

Herr Reinhart, vielen Dank für das Gespräch!

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