Unterangebot an Wohnraum – Broder Bösenberg

Interview mit Rechtsanwalt Broder Bösenberg
Rechtsanwalt Broder Bösenberg ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie Bau- und Architektenrecht bei EINSFÜNFACHT Kunzmann & v. Knobelsdorff Rechtsanwälte Partnerschaft mbB. Im Interview spricht er über die Mietpreisbremse und Mietspiegelreform.

Die Miethöhe, die der vorherige Mieter gezahlt hat, darf ein Vermieter auch in Regionen mit Mietpreisbremse fordern. Gibt es Besonderheiten zu beachten, z. B. bei gewerblicher Nutzung?

Broder Bösenberg: Die Regelungen zur sog. Mietpreisbremse finden sich in den §§ 556 d ff. BGB. Anwendbar sind diese für Bereiche mit einem angespannten Wohnungsmarkt. Es ist an den jeweiligen Landesregierungen im Verordnungswege solche Bereiche festzulegen.

Bei Neuvermietungen darf dort die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens um 10% überschritten werden. Eine geringere Miete können die Parteien natürlich weiterhin vereinbaren.

Diese Miethöhe kann überschritten werden, wenn die Miete des vorherigen Mieters bereits über dem vorgenannten Niveau lag. Mietobjekte mit einem bereits überdurchschnittlichen Mietniveau können damit auch mit überdurchschnittlich hohen Mieten weitervermietet werden können. Allerdings gilt dies nach § 556 e Abs. 1 BGB nicht uneingeschränkt, so bleiben z. B. Mieterhöhungen kurz vor Beendigung des Mietverhältnisses außer Betracht und auch bei zuvor durchgeführten Modernisierungsmieterhöhungen ist der Zeitpunkt relevant. Ferner gilt diese Privilegierung nicht bei Wohnungen die nach dem 01.10.2014 erstmals vermietet oder für Erstvermietungen nach einer umfassenden Modernisierung. Für die gewerbliche Nutzung spielt die Mietpreisbremse keine Rolle, da sie sich ausdrücklich nur auf Wohnraum bezieht. Auf Mischmietverhältnissen ist sie nur dann anwendbar, wenn der Schwerpunkt des Mietverhältnisses in einer Wohnnutzung liegt.

Wem nutzt die Mietpreisbremse und wem nicht? Oder profitieren Unternehmen wie Privatpersonen gleichermaßen davon?

Broder Bösenberg: Tendenziell nutzt die Mietpreisbremse eher den Mietern, da die Erhöhung im Falle der Neuvermietung ja zu deren Gunsten eingebremst werden soll. Allerdings scheinen die Auswirkungen noch hinter den Erwartungshaltungen zurückzubleiben. Ein Bremseneffekt wurde vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) zwar ermittelt, der Effekt bewegt sich jedoch nur in einer Größenordnung von lediglich 2-4%.

Wie ist Ihre Meinung zur Mietpreisbremse?

Broder Bösenberg: Den staatlichen Eingriff in die Vertragsgestaltung der Parteien halte ich grundsätzlich für nicht ganz unkritisch. Mit Blick auf die insbesondere in Ballungszentren und der offensichtlichen Zuspitzung der Wohnungsmärkte muss man jedoch auch realisieren, dass dort für breite Schichten der Bevölkerung bezahlbarer Wohnraum kaum noch zu erlangen ist. Rein marktwirtschaftliche Mechanismen kollidieren mit dem Bedürfnis einer sozialverträglichen Wohnungswirtschaft. Der Versuch dieses Spannungsfeld durch einen staatlichen Eingriff in das hohe zivilrechtliche Gut der Vertragsfreiheit aufzulösen, ist kurzfristig nachvollziehbar, ändert jedoch an der maßgeblichen Ursache, nämlich dem Unterangebot von Wohnraum nichts.

Andererseits wird es für alle Beteiligten immer schwieriger die Situation richtig einzuschätzen, was erfahrungsgemäß auch zu einer Vermehrung der Streitigkeiten über genau diese Fragen führen wird. Insbesondere auch der private Kleinvermieter wird schnell an die Grenzen seiner Möglichkeiten stoßen, wenn es darum geht bei Neuvermietungen die richtige Miethöhe zu ermitteln. Ob derartige Regelungen daher den Rechtsfrieden zuträglich sind, kann vorsichtig bezweifelt werden. Dass auch die Ausweisung von angespannten Wohnungsmärkten zu Schwierigkeiten führen kann, zeigen Verfahren im Rahmen deren dann auch die Frage zu klären war, ob die Verordnung zur Begründung der Mietpreisbremse zutreffend aufgestellt wurde.

Die Mietspiegelreform soll mehr Transparenz bringen, kann das funktionieren oder ist es nur Mehraufwand für Mieter und Vermieter?

Broder Bösenberg: Ob die derzeitigen Pläne zur Mietspiegelreform tatsächlich zu einer Vereinfachung der Anwendbarkeit von Mietspiegeln und mehr Transparenz führen, wird sich zeigen. Klar dürfte jedoch sein, dass insbesondere die Datenerhebung ein Kernproblem bestehender Mietspiegel ist.

Ein Mietspiegel ist letztlich nichts anderes als eine statistische Erfassung und kann daher immer nur so gut sein, wie die zugrunde liegenden Daten. Vor diesem Hintergrund wird man kaum umhinkommen, einen möglichst großen und vor allem aktuellen Datensatz zugrunde zu legen. Diesen zu ermitteln stellt für alle Beteiligten einen Mehraufwand. Ein gut gepflegter Mietspiegel kann dann aber für Vermieter und Mieter ein sinnvolles Instrumentarium sein. In den Bereichen, in denen kein qualifizierter Mietspiegel vorliegt und beispielsweise über Vergleichswohnungen vorgegangen werden muss, zeigt sich immer wieder die Schwierigkeit, dass das Thema Mieterhöhung höchst streitbehaftet ist wenn es um die Einordnung der Wohnungen geht. Hier kann ein gut gepflegter Mietspiegel natürlich für alle Beteiligten eine Erleichterung sein. Dies gilt natürlich auch und gerade für die Ermittlung der ortsüblichen Miete bei Neuvermietungen in Gebieten die der Mietpreisbremse unterliegen.

Ist die Sorge berechtigt, dass in Regionen mit Mietpreisbremse weniger investiert wird?

Broder Bösenberg: Die Sorge, dass in Regionen mit Mietpreisbremse weniger investiert wird, liegt auf der Hand. Insbesondere vermietende Investoren arbeiten nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und für diese ist dann auch die jeweilige Renditeerwartung von Relevanz. Andererseits werden auch sie markfähig bleiben müssen, sodass wohl kaum eine sofortige Einstellung aller Investitionen zu erwarten ist. Es kann aber durchaus sein, dass einzelne Investitionen eher zurückgestellt werden wenn ersichtlich ist, dass Mietsteigerungen mittelfristig nicht möglich sind.

Herr Bösenberg, vielen Dank für das Gespräch.

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