So ist der Gaspreisanstieg zu erklären – Dr. Karsten McGovern (LEA Hessen)

Interview mit Dr. Karsten McGovern
Die LEA LandesEnergieAgentur Hessen GmbH (LEA Hessen) unter der Leitung des Geschäftsführers Dr. Karsten McGovern, übernimmt seit 2017 im Auftrag der Hessischen Landesregierung zentrale Aufgaben bei der Umsetzung der Energiewende und des Klimaschutzes. Im Interview mit Dr. Manuela Diehl spricht er über den aktuellen Gaspreisanstieg und gibt Ratschläge wie Verbraucher Energie einsparen können.

Die Gaspreise sind so hoch wie nie – seitens des Großhandels jedenfalls. Welche Gründe hat der schnelle Gaspreisanstieg?

Dafür gibt es mehrere Gründe: In Folge der wirtschaftlichen Erholung zeigte sich im letzten Jahr schon eine gesteigerte Nachfrage, zugleich waren die Liefermengen aus Russland begrenzt, die Speicher in Deutschland vor dem Winter nur mäßig gefüllt und lösten wiederum eine größere Nachfrage aus. Aktuell spiegelt der starke Preisanstieg einerseits die weiterhin hohe Nachfrage wider, andererseits aber auch die Unsicherheiten am Markt und die Erwartung auf Knappheiten der Zukunft.

Bei den Gaspreisen muss zwischen Verbraucherpreisen und Energiegroßmarkt unterschieden werden. Wie groß sind die Preisunterschiede zwischen B2B- und B-C-Markt?

Die Unterschiede können groß sein. Es kommt dabei vor allem auf die Mengen und die Verteilkosten an. Für die Industrie können die Preise bei bis zu 30% des Preises für private Haushalte liegen. Das liegt an den eingekauften Mengen aber auch an den bei privaten Haushalten höheren Verteilkosten in Form des notwendigen Gasnetzes. Vom gesamten Gaspreis macht das sogenannte Netzentgelt im privaten Bereich rund 23 % aus.

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Wie lange und wie stark der Weltmarktpreis noch ansteigen wird, ist unklar. Normalerweise greifen ab einem bestimmten Punkt die Marktmechanismen und der Preis pendelt sich ein. Allerdings betonen viele Experten, dass der Preis erst einmal nicht zurückfallen wird. Wovon hängt es ab, dass jetzt die Marktmechanismen überhaupt greifen?

Noch ist völlig unklar, ob eventuell Gaslieferungen aus Russland unterbrochen werden – entweder durch Sanktionen der westlichen Länder oder durch eine Reaktion Russlands auf Sanktionen. Dies könnte zu weiteren erheblichen Preissteigerungen führen. Zusätzlich kommt es darauf an, wie sich die Liefermengen ohne Russland entwickeln. Dazu gibt es derzeit viele Gespräche und sicherlich auch bald Angebote. Eine wichtige Rolle bei den Preisen spielen immer auch Erwartungen: Derzeit können hohe Preise abgerufen werden, da eine hohe Unsicherheit besteht und die Nachfrage groß ist. Sinkt die Unsicherheit, können sich objektivere Faktoren wieder stärker auf den Preis auswirken.

Vor allem ärmere Haushalte belasten die hohen Energiepreise, deshalb wurde die Entscheidung über die Frage, wie die Anstiege abgefedert werden können, an die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder weitergegeben. Was denken Sie: Wird die Politik eingreifen und was wird sie tun?

Es gibt schon jetzt Maßnahmen und diese werden auch sicherlich noch verstärkt. Für arme Haushalte, die Arbeitslosengeld II beziehen, werden die Heizkosten übrigens übernommen. Diese sind aktuell vom Gaspreisanstieg nicht so stark betroffen. Dafür trifft es die Haushalte besonders hart, die mit ihrem Einkommen gerade über den Bemessungsgrenzen für Sozialleistungen liegen oder diese nicht beantragen wollen und zusätzlich in schlecht isolierten Gebäuden leben. Da muss es eine Entlastung geben. Diese sollte aber sehr zielgenau sein. Wir dürfen keinen Anreiz setzen, dass die Gesellschaft auf zwei wichtige Mittel gegen die Abhängigkeit von Gas und Öl verzichtet: das Energiesparen und den Ausbau erneuerbarer Energien. Hierzu zählen unter anderem die solare Aufheizung des Warmwassers, Windenergie oder auch Erdwärme.

In vielen Vergleichsportalen wird davon ausgegangen, dass auch die Abschlagzahlungen in naher Zukunft steigen werden. Preisanhebungen sind seitens des Versorgers sechs Wochen vorläufig anzukündigen. Haben Verbraucher Möglichkeiten, um steigende Abschlagzahlungen zu vermeiden?

Auch wenn es die Abschlagszahlen nicht direkt senkt, sparen Haushalte, indem sie den Energieverbrauch reduzieren. Am Ende des Folgejahres können sie sich dann vielleicht über eine Rückzahlung freuen. Durch richtiges Lüften, eine Senkung der Heizungstemperatur in der Nacht und am Tag in Räumen, die kaum genutzt werden, kann ein Vierpersonenhaushalt in einem alten Haus mehrere hundert Euro sparen und so einen Teil des Preisanstiegs abfedern. Ob ein Haushalt im Vergleich zu anderen besonders viel Heizenergie verbraucht, zeigt unser HeizCheck. Wenn dem so ist, besteht Handlungsbedarf.

Und wie können Unternehmen sparen?

Nach unserer Erfahrung vor allem im Bereich der Energieeffizienz. Ich erinnere mich an einem Betrieb, indem Heizung und Klimatisierung von unterschiedlichen Dienstleistern erbaut und gewartet wurden. Die Folge: Die Heizung schraubt die Leistung hoch, wenn die Klimatisierung anspringt. Durch den Einbau einer Steuerung für 8.000 Euro konnte die Firma etwa 20.000 Euro und rund 70 Tonnen CO2 pro Jahr sparen. Viele Tipps, wie sich Energie sparen lässt, finden Interessierte in einer unseren neuen Broschüren unter www.lea-hessen.de/50-Effizienz-Tipps oder bei unseren Kolleginnen und Kollegen der Berliner Energieagentur.

Vielen Dank, für den interessanten Einblick in den Energie-Markt.

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