Stefan Alscher: Wirtschaftliches Wachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln

Interview mit Stefan Alscher
Stefan Alscher ist Ressourceneffizienz-Berater der Effizienz-Agentur NRW. Mit ihm sprechen wir über ganzheitliche Kreisläufe, Circular Economy sowie gegenwärtige Wirtschaftsweise.

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) gilt als Wirtschaftsmodell der Zukunft. Können Sie uns dieses Modell genauer erklären?

Stefan Alscher: Um ressourcenschonender zu wirtschaften, müssen wir zukünftig mehr in ganzheitlichen Kreisläufen denken. Die EU-Strategie der Circular Economy nimmt genau diesen Gedanken auf, indem vom Produkt ausgehend auf den Nutzungskreislauf geschaut wird. Das Modell zielt darauf ab, sowohl Rohstoffe als auch Produkte so lange wie möglich in der technischen Nutzung und somit im Wirtschaftsprozess zu halten.

Immer wieder bekommt man zu hören, dass die lineare Wirtschaft ausgedient hat. Wie schätzen Sie das ein?

Stefan Alscher: Unsere gegenwärtige Wirtschaftsweise ist immer noch linear ausgerichtet: Abbauen, herstellen, nutzen, wegwerfen ist bis heute überwiegend der Standard. Durch die bisherige Kreislaufwirtschaft, die unsere Abfälle auffängt und nach Möglichkeit in die Produktion zurückführt, konnte schon einiges erreicht werden, was durch den Ansatz der Ressourceneffizienz nochmals verstärkt wird. Aber eine echte Kreislaufwirtschaft im Sinne einer Circular Economy meint mehr: Dort wird bereits beim Produkt angesetzt, das in der Art gestaltet wird, dass es für mehrere der elf sogenannten R-Strategien der Circular Economy geeignet ist. Im Idealfall ist es langlebig, wiederverwendbar, reparaturfreundlich und am Ende des Lebenszyklus leicht und vollständig verwertbar.

Das Wirtschaftsmodell Circular Economy wird immer als nachhaltig betitelt. Auf welche Weise fördert die Circular Economy die Ressourcenschonung und wie erhöht sie die Wertschöpfung?

Stefan Alscher: Um die Kreislaufführung von Ressourcen zu verbessern, müssen wir innovative Geschäftsmodelle, Verfahren, Prozesse und Produkte entwickeln. Für die Ermöglichung einer solchen Kreislaufführung von Ressourcen sind drei Entwicklungen notwendig, die von verschiedenen Akteuren vorangetrieben werden können: Weniger Material und Energie einsetzen, Produkte und Komponenten länger nutzen und Material wieder verwenden.

Es geht letztendlich um die Frage: Mit welchen Produkten oder Dienstleistungen können die Konsumentenbedürfnisse ressourcenschonend befriedigt werden?

Stefan Alscher: Langfristiges Ziel der Circular Economy ist es, wirtschaftliches Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln.

Die Liste von den Einsatzmöglichkeiten des Modells ist lang. Wie können Unternehmen die Circular Economy im eigenen Unternehmen integrieren?

Stefan Alscher: Ein wichtiger Hebel ist die Produktgestaltung. Denn nahezu 80 Prozent der Wirkung eines Produktes auf Kosten und Umwelt werden mit seiner Gestaltung festgelegt.

Zirkulär gestaltete Produkte sind ein wichtiges Element in diesem Transformationsprozess. Auch Dienstleistungen, Geschäftsmodelle, Austauschbeziehungen, Märkte etc. müssen bei der Entwicklung neu definiert und gestaltet werden. Genau hier setzen wir mit Circular Design an. Mit unserem Beratungsangebot unterstützen wir Unternehmen in Nordrhein-Westfalen aktiv dabei, zirkuläre Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen und so einen Beitrag zur Circular Economy zu leisten. Wichtig ist: Kein Unternehmen wird allein Circular Economy umsetzen können und auch nicht müssen. Jeder Akteur, vom Hersteller über den Handel und den Konsumenten bis zum Sammler oder Recycler, muss einen Beitrag im Rahmen seiner Möglichkeiten leisten, um schließlich das Gesamtkonzept einer Circular Economy zu ermöglichen.

Know-how, Fördermöglichkeiten und Praxisanwendung unterstützen die Umsetzung von zirkulären Wirtschaften in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Welche Chancen bietet das vor allem für KMU und wie können diese von dem Wirtschaftsmodell profitieren?

Stefan Alscher: Die Circular Economy macht neue Geschäftsmodelle möglich und nötig. Hier liegen gerade für den Mittelstand große Potenziale. Für nachhaltige Produkte müssen beispielsweise Geschäftsmodelle entwickelt werden, die u. a. Rückführsysteme, die Wartung oder auch die Reparatur abdecken. Daraus ergeben sich neue Ansätze, die klima- und umweltschonender sind als die bisher vertrauten Konzepte.

Viele denken, dass Nachhaltigkeit immer an einen hohen Preis geknüpft ist. Wie wird die Circular Economy finanziert und ist das Stigma, dass Nachhaltigkeit hohe Kosten mit sich bringt, wirklich wahr?

Stefan Alscher: Lieferengpässe, Preissteigerungen und die Auswirkungen des Klimawandels beschäftigen aktuell die Wirtschaft. Die steigende Nachfrage nach Rohstoffen und Energieträgern weltweit macht die effizientere Verwendung von Ressourcen dringend erforderlich – gerade in einem rohstoffarmen Industrieland wie Deutschland. Daneben sehen wir, dass Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Die Nachfrage nach nachhaltig gestalteten und produzierten Produkten wächst stetig. Der schonende Umgang mit Ressourcen ist also längst ein Wettbewerbsfaktor geworden. Darauf nicht einzugehen, kann sich die Wirtschaft nicht leisten. Vielmehr tun sich gerade für den flexiblen Mittelstand im Wandel hin zu einer Circular Economy neue Chancen und Märkte auf. Die Frage die wir uns letztendlich als Gesellschaft stellen müssen, lautet: Wie wollen wir konsumieren, und unserer Verantwortung für eine lebenswerte Umwelt den kommenden Generationen gegenüber gerecht zu werden?

Herr Alscher, vielen Dank für das Gespräch!

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