Dr. Flavia Lang: Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen eines Arbeitnehmers zu ändern

Interview mit Dr. Flavia Lang
Dr. Flavia Lang ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer in Hamburg. Mit ihr sprechen wir über Änderungskündigung, geänderte Arbeitsbedingungen sowie Ziel einer solchen Kündigung.

Nicht jeder ist mit allen Formen einer Kündigung vertraut. Was versteht man unter einer Änderungskündigung?

Dr. Flavia Lang: Die Änderungskündigung ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen. Praktisch relevant sind dabei nur Änderungskündigungen durch den Arbeitgeber. Ziel einer Änderungskündigung ist es, die Arbeitsbedingungen eines Arbeitnehmers zu ändern. Konkretisierungen der Arbeitsleistung kann der Arbeitgeber zwar durch Ausübung seines Direktionsrechts vornehmen, mit welchem er innerhalb der Grenzen des Arbeitsvertrags nach billigem Ermessen Art, Zeit und Ort der Arbeitsleistung näher bestimmen kann. Abweichungen vom Arbeitsvertrag kann der Arbeitgeber dagegen nicht ohne weiteres anordnen. In diesen Fällen kommt die Änderungskündigung ins Spiel.

Können Sie uns Gründe oder Situationen nennen, in denen eine Änderungskündigung häufig zum Einsatz kommt?

Dr. Flavia Lang: In der Praxis kommen Änderungskündigungen insbesondere dann vor, wenn sich das Beschäftigungsbedürfnis aus betriebsbedingten Gründen ändert und beispielsweise eine veränderte Nachfrage oder Arbeitsorganisation eine Änderung etwa der vereinbarten Arbeitszeit oder eine vom Arbeitsvertrag nicht gedeckte Versetzung an einen anderen Standort erforderlich machen. Bei Umstrukturierungen von Unternehmen kann es zudem gewünscht sein, unterschiedliche Arbeitsbedingungen innerhalb eines Betriebes oder Unternehmens aneinander anzugleichen.

Eine Änderungskündigung ist also eine „richtige“ Kündigung. Wann ist eine Änderungskündigung rechtmäßig und wann unwirksam?

Dr. Flavia Lang: Auch eine Änderungskündigung muss den allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen von Kündigungen genügen. Unter anderem muss sie schriftlich erfolgen und darf nicht gegen zwingende gesetzliche oder tarifliche Regelungen verstoßen. Die Änderungskündigung muss auch verhältnismäßig sein, es darf also insbesondere kein milderes Mittel geben, das genauso erfolgversprechend ist. Darüber hinaus muss das Änderungsangebot bestimmt genug sein. Daran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, welche Arbeitsleistung er fortan schulden soll. Ist zudem das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, sind also in dem entsprechenden Betrieb in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt und besteht das entsprechende Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate, sind die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes zu beachten. Insbesondere muss jede ordentliche Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers, aus verhaltensbedingten Gründen oder aus betriebsbedingten Gründen „sozial gerechtfertigt“ sein. Für eine außerordentliche, also eine fristlose Änderungskündigung bedarf es zudem eines wichtigen Grundes, aufgrund dessen eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar ist.

Kommt es zu einer Änderungskündigung, hat der Arbeitnehmer wie bei einer konventionellen Kündigung verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Welche Optionen hat der Arbeitnehmer und was haben die einzelnen Reaktionen für Konsequenzen?

Dr. Flavia Lang: Nach Ausspruch der Änderungskündigung hat der Arbeitnehmer grundsätzlich drei Möglichkeiten, auf diese zu reagieren. Er kann das Angebot der geänderten Vertragsbedingungen annehmen, er kann es unter Vorbehalt annehmen und er kann es ablehnen. Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot der geänderten Vertragsbedingungen an, wird das Arbeitsverhältnis zu diesen neuen Bedingungen fortgeführt. Der Arbeitnehmer kann das Angebot des Arbeitgebers auch „unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist“, vgl. § 2 Kündigungsschutzgesetz. In diesem Fall arbeitet der Arbeitnehmer zunächst zu den geänderten Arbeitsbedingungen weiter, kann aber vom Arbeitsgericht überprüfen lassen, ob die Änderungskündigung wirksam ist. Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot ab, wird aus der Änderungskündigung eine Beendigungskündigung, gegen die er wie sonst auch durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage vorgehen kann.

Wie verhält es sich mit dem Kündigungsschutzgesetz bei Änderungskündigungen?

Dr. Flavia Lang: Ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, muss eine Änderungskündigung wie dargestellt den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes entsprechen.

Arbeitnehmer können verschieden mit der Änderungskündigung umgehen. Wann raten Sie Betroffenen dazu, eine Änderungskündigung abzulehnen und wie müssen diese dann dahingehend vorgehen?

Dr. Flavia Lang: Wie dargestellt wandelt sich die Änderungs- in eine Beendigungskündigung um, wenn der Arbeitnehmer die Änderung ablehnt. Arbeitnehmer nehmen durch die Ablehnung des Änderungsangebots in Kauf, dass bei einem Unterliegen im Kündigungsschutzprozess das Arbeitsverhältnis endgültig endet. Insbesondere kann sich der Arbeitnehmer im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess grundsätzlich nicht darauf berufen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverhältnismäßig war, da der Arbeitnehmer die bei dem Arbeitgeber bestehende Beschäftigungsmöglichkeit aus freien Stücken abgelehnt hat. Daher sollten Arbeitnehmer eine Änderung nur dann ablehnen, wenn die Änderungskündigung offensichtlich unwirksam ist, also beispielsweise ein besonderer Kündigungsschutz übersehen wurde wie für Schwangere, Schwerbehinderte oder Betriebsratsmitglieder, oder die geänderten Arbeitsbedingungen so untragbar sind, dass diese dem Arbeitnehmer nicht – auch nicht vorübergehend – zumutbar sind. In allen anderen Fällen ist die Annahme unter Vorbehalt ratsamer, da in diesen Fällen bei einem Unterliegen im Kündigungsschutzprozess nicht das gesamte Arbeitsverhältnis beendet, sondern zu den geänderten Bedingungen fortgesetzt wird. Entscheidet sich der Arbeitnehmer für eine Ablehnung oder eine Annahme unter Vorbehalt, muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Änderungskündigung eine entsprechende Klage beim Arbeitsgericht erheben.

Frau Dr. Lang, vielen Dank für das Gespräch!

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