Menschliche Finanzberatung vs. KI – Was ist besser?

Interview mit Georg Böttcher
Beim Geld anlegen geht es nicht nur um Sparen oder Investitionen in bestimmte Anlageprodukte, um das Vermögen zu sichern und/oder aufzubauen. Hinter jedem Menschen steckt eine Geschichte, bestimmte Absichten, individuelle Wünsche und Vorstellungen. Auch die Risikobereitschaft jedes einzelnen spielt hierbei eine Rolle. Wenn sich Anleger nun Experten-Rat und kompetente Unterstützung von Finanzberatern einholen, ist die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Berater und Klient ein der tragenden Säulen einer erfolgreichen Zusammenarbeit und Anlagestrategie. Ein verständnisvolles Lächeln, ein offenes Ohr, ein eloquenter Charakter…-all das und noch mehr bringt ein menschlicher Finanzberater mit sich, erstellt eine umfassende, die persönliche Geschichte des Klienten und seine individuellen Ziele mit einbeziehende Analyse und entwickelt einen exakt auf den Klienten maßgeschneiderten Finanzplan. Die künstliche Intelligenz kann das nicht. Sie wiederum ist präzise, schnell und meist kostengünstiger. Also: Was ist nun besser? Georg Böttcher, Certified Financial Planner, aus Hannover klärt uns auf.

Welche Vorteile bietet menschliche Finanzberatung im Vergleich zur Verwendung von KI-basierten Tools für die langfristige Vermögensplanung?

Der offene Blick in die Augen, die Mikro-Gesten im Gesicht, wenn Themen noch nicht gänzlich verstanden wurden oder sich Fragen ergeben – Möglichkeiten, die insbesondere der Austausch zwischen Menschen mit sich bringt. 

Insbesondere bei der generationenübergreifenden Beratung spielen diese zwischenmenschlichen Beziehungen eine wichtige Rolle. Hier geht es oftmals um eine Vielzahl persönlicher Verbindungen innerhalb der Familie.  Wer soll was erben? Wann sollen Vermögenswerte an die nächste Generation übertragen werden? Wer soll das Unternehmen fortführen? Wie soll das Vermögen an die nächste Generation übertragen werden? Was gibt es zu beachten? Wer soll in welcher Weise bedacht werden? Diese Verflechtungen können durch die persönliche Beratung besser erörtert werden. 

Hier sind Empathie und Fingerspitzengefühl von großer Bedeutung.

Inwieweit kann KI die Effizienz und Genauigkeit der Vermögensverwaltung im Vergleich zur traditionellen Finanzberatung steigern?

Verträge können viele schneller analysiert werden. Die Frage, wie sich ein Vertrag entwickelt hat und ob es sinnvoller ist, diesen zu behalten oder zu optimieren, kann binnen Sekunden errechnet werden. Zudem kann die KI dabei helfen, menschliche Fehler zu minimieren und die Portfolioverwaltung zu optimieren, indem sie durchweg die Marktbedingungen und Anlageoptionen überwacht. Optimierungsvorschläge können somit in der Terminvorbereitung in einem Bruchteil der Zeit erstellt werden. Als Finanzplaner kann ich somit meine Kapazitäten gezielt dafür einsetzen, mit meinen Kunden die eigene Vision ihrer finanziellen Zukunft zu erarbeiten und das „Warum“ hinter den Sparplänen und Absicherungen zu ergründen.

Glauben Sie, dass menschliche Berater besser in der Lage sind, persönliche Finanzziele und Risikotoleranz zu berücksichtigen, als KI-Systeme?

„Zu berücksichtigen“ würde ich zunächst hintenanstellen. Oftmals entsteht der größte Diskurs in der Fragestellung: Was will der Kunde und was braucht der Kunde? Die persönliche Interaktion ermöglicht eine tiefere Einsicht in die Werte, Prioritäten und Bedenken der Kunden, was eine zielgerichtete und personalisierte Beratung ermöglicht.  Selten gibt es den perfekten Fit zwischen diesen Punkten. Ich denke, Berater sind besser in der Lage, im ersten Schritt die persönlichen Ziele im zwischenmenschlichen Gespräch herauszuarbeiten, (wenn sie ein wirkliches Interesse am Gegenüber haben). Dies mit dem Kunden zu besprechen, wird dem Berater sicherlich besser gelingen als der KI. 

Wenn dann im Folgenden eine KI den regelmäßigen Abgleich zwischen Anlagestrategie und Risikotoleranz der Kunden übernimmt, umso besser.

Welche Rolle spielt das persönliche Vertrauen in einen menschlichen Finanzberater im Vergleich zur Vertrauenswürdigkeit von KI-basierten Anwendungen bei der Vermögensverwaltung?

Menschliche Berater können Empathie und Verständnis zeigen, was oft das Vertrauen der Kunden fördert. Letzten Endes stellt sich jedoch immer auch die Frage, ob ich bereit bin, für den menschlichen Berater mehr zu zahlen als für eine kostengünstige 100%ige KI-Alternative. Sicherlich werden diejenigen, die es wahrscheinlich am notwendigsten hätten, einen persönlichen Berater zu nutzen, diejenigen sein, die am ehesten auf eine kostengünstige KI setzen. Aber auch bei KI-basierten Anwendungen wird der gesunde Menschenverstand doch hoffentlich auch mindestens einmal hinterfragen: Wer hat dieses Tool zu welchem Zweck konzipiert? Was sind die Absichten dahinter? 

Schon heute könnten die Menschen Sparpläne, Versicherungen etc. digital abschließen. Und bei „einfachen Produkten“ geschieht dies ja auch regelmäßig. Wenn es jedoch um komplexe Zusammenhänge geht, dann beobachtet man auch heute noch, dass diese Themen entweder gerne vor sich hergeschoben werden oder ein Berater konsultiert wird, um die Themen gemeinsam zu lösen. Hier kann dann wieder der Faktor Mensch hilfreich sein. Der Berater, der z.B. als Certified Financial Planner® hochqualifiziert an der Seite steht, kann den Blick auf das große Ganze, die Zusammenhänge und Auswirkungen beleuchten und im Hintergrund unterstützt die KI durch die passenden Analysen und Berechnungen.

Wie kann die Kombination von menschlicher Expertise und KI-Technologie optimal genutzt werden, um Vermögen aufzubauen und finanzielle Ziele zu erreichen?

Wünschenswert wären hochqualifizierte Berater, die gemeinsam mit dem Kunden KI-gestützt durch die Finanzwelt navigieren und im regelmäßigen Austausch die Zielerreichung neu kalibrieren. Welcher anfang-20-jährige kennt schließlich all seine Ziele und die Wendungen des Lebens? Eine Finanzplanung sollte nie starr sein, sondern sich stets an die Lebensverhältnisse anpassen können. Die KI im Hintergrund kann insbesondere einen Haufen administrativer Aufgaben schnell und einfach erledigen, sodass der Fokus voll und ganz auf der Beratung an sich liegen kann.  Da auch der Fachkräftemangel an der Finanzberatung nicht spurlos vorbeigeht, würde eine KI-gestützte Beratung durch die Zeitersparnis die Möglichkeit mit sich bringen, die Anzahl der beratenen Mandanten zu vervielfachen, ohne dass das Beratungserlebnis des einzelnen darunter leidet.

Herr Böttcher, vielen Dank für das interessante Interview.

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Georg Böttcher

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