Hinweisgeberschutzgesetz – zum Schutz der Whistleblower und zur Qualitätssteigerung im Unternehmen

Hinweisgeberschutzgesetz – zum Schutz der Whistleblower und zur Qualitätssteigerung im Unternehmen

Von Rechtsanwalt Jan Froehlich, LL.M. (IP-Law, University of London), Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für Informationstechnologierecht in Berlin.

 

Seit dem 17. Dezember 2023 sind Behörden, Städte, Kommunen und Unternehmen ab einer Größe von 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verpflichtet, gemäß dem Hinweisgeberschutz-Gesetz interne oder externe Meldestellen einzuführen. Dieses Gesetz dient dem Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, welche Kenntnis von Gesetzesverstößen erhalten haben. Sie können diese Verstöße an dafür vorgesehene Meldestellen melden oder offen legen. Das Gesetz dient der Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität und allgemeiner Kriminalität im Unternehmen.

 

Whistleblower – der Schutz des Unternehmens und der Mitarbeiter/Innen

Das Hinweisgeberschutz Gesetz (HinSchG) schützt Unternehmen und Mitarbeitende. Beides sollte man nicht aus den Augen verlieren.

 

Schutz des Unternehmens

Gemäß einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG kommt Hinweisgebenden eine wesentliche Rolle beim Aufdecken von Missständen und strafbaren Handeln in Unternehmen zu. Aufgrund dieser Studie zur Wirtschaftskriminalität in Deutschland im Jahr 2023 wurden 52 Prozent der „wirtschaftskriminellen“ Handlungen durch offene Hinweise Unternehmensinterner entdeckt, 34 Prozent durch Unternehmensexterne. Rund 25 Prozent der „wirtschaftskriminellen Handlungen“ seien durch die Abgabe anonymer Hinweise identifiziert worden.

 

Schutz der Mitarbeitenden

Da aber gemäß § 2 (1) Nr. 1 HinSchG jeder Verstoß gegen ein Strafgesetz einen Grund für Hinweise darstellt, fallen auch Mitarbeitende unmittelbar schützende Vorschriften wie beispielsweise gegen sexuelle Belästigungen, Mobbing, Beleidigungen, unwahre Tatsachenbehauptungen, Nötigungen, Betrug oder Erpressung oder fahrlässige Körperverletzungen in den Bereich der zu meldenden Delikte. Denn sanktionswürdige Verstöße sind Handlungen oder Unterlassungen (§ 3 (1) HinSchG).

 

Inanspruchnahme der gesetzlichen Rechtfertigung des Geheimnisbruches

In bestimmten Fällen (§ 6 I HinSchG) dürfen Personen solche Informationen an eine interne oder externe Meldestelle weitergeben oder gar offenlegen, welche als Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nr. 1 des Geschäftsgeheimnisgesetzes geschützt werden.

Aber auch durch eine vertragliche Verschwiegenheitspflicht oder durch eine Rechtsvorschrift gesicherte Informationen (§ 6 II HinSchG) dürfen in bestimmten, gesetzlich geregelten Ausnahmefällen gemeldet oder offen gelegt werden.

 

Keine Verantwortlichkeit für Zugriff oder Beschaffung auf Informationen

Eine Person kann nicht für den Zugriff oder die Beschaffung auf Informationen verantwortlich gemacht werden, sofern nicht die Beschaffung als solche oder der Zugriff als solcher nicht eine eigenständige Straftat darstellen.

Dies sollte in jedem Fall in jeder Richtung bedacht werden, da Sachbeschädigung, Diebstahl, ein Einbruch oder eine Manipulation eines Computer als solche strafbar sein können.

 

Das Verbot von Repressalien

Es ist ausdrücklich untersagt, Repressalien gegen Hinweisgebende durchzuführen oder sie auch nur anzudrohen (§ 36 I HinSchG). Wichtig und erwähnenswert ist in diesem Fall auch die insofern geltende Beweislastumkehr. Diese Beweislastumkehr gilt beispielsweise gemäß § 36 II HinSchG dann, wenn eine Person aufgrund eines Hinweises eine berufliche Benachteiligung geltend macht. Es reicht also aus, dass eine Person eine Benachteiligung nachweist. Aufgrund der Beweislastumkehr muss das Unternehmen nachweisen, dass dieser Nachteil keine Repressalie darstellt.

 

Verbot der Meldung oder Verbreitung unrichtiger Informationen

Nicht unerwähnt bleiben soll aber das Verbot der Offenlegung – das öffentlich machen – unrichtiger Informationen über Verstöße (§ 32 (2) HinSchG) wie auch die Schadensersatzpflicht nach einer Falschmeldung (§ 38 HinSchG).

Verstöße, die eine Meldung rechtfertigen – Wirtschaftskriminalität, Ordnungswidrigkeiten – Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit – die Wahrung der Vertraulichkeit

Das Ziel des Hinweisgeberschutzes ist es, das Unternehmen und die Belegschaft vor Rechtsverstößen, Rechtsstreitigkeiten sowie dem entsprechenden Reputationsverlust zu schützen. Hinzukommen eventuelle Geldbußen oder auch eventuelle Schadensersatzansprüche geschädigter Lieferanten, Kundinnen und Kunden oder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

 

Katalog der Straftaten

Straftaten beispielsweise gegen den Schutz der Umwelt, Datenschutz oder den Schutz der personenbezogenen Kommunikation, aber auch Geldwäsche oder Kartellrechtsverstöße gehören zu dem Katalog der Taten, welche die Inanspruchnahme des HinSchG rechtfertigen (§ 2 I Nr. 1 – 10 HinSchG). Bedauerlicherweise mangelt es an einer Generalklausel, so dass es den Hinweisgebenden obliegt, die Maßgeblichkeit der Strafvorschriften geprüft zu haben.

 

Kein Verlust der Vertraulichkeit

Grundsätzlich steht den Hinweisgebenden der gesetzliche Schutz der Vertraulichkeit zu (§ 8 I HinSchG). Dies betrifft die hinweisgebenden Personen, die in der Meldung genannten Personen sowie die sonstigen in der Meldung genannten Personen.

Kommt es zu einem Hinweis, der trotz des sehr umfangreichen Anwendungskatalogs des § 2 I HinSchG kein einschlägiges Gesetz berührt, so dürfte es dennoch bei der gesetzlich geregelten Vertraulichkeit bleiben. Denn diese entfällt gemäß § 9 I 1 HinSchG nur bei vorsätzlich oder grob fahrlässig falschen Hinweisen. Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Vertraulichkeit ist aber, das die Hinweisgebenden „zum Zeitpunkt der Meldung hinreichenden Grund zur Annahme hatte“, dass ein Anwendungsfall gemäß § 2 (1) HinSchG gegeben war (§ 8 (1) Nr. 1 HinSchG).

 

Das vorgesehene Verfahren – die Pflicht zur Einrichtung von Meldestellen

Es sind verschiedene zwingende Vorgaben für das Verfahren zu beachten, die durch Unternehmen für ein gesetzeskonformes Meldesystem umgesetzt werden müssen.

 

Kriterien eines gesetzeskonformen Meldesystems

Möglichkeit der schriftlichen und/oder mündlichen Meldung

Entscheidung über Möglichkeit anonymer Meldungen

Kein Zugriff für Unbefugte auf die Meldekanäle

Bestätigung des Eingangs der Meldungen an die hinweisgebenden Personen innerhalb von

sieben Tagen nach Eingang der Meldung

Benennung einer unparteiischen Person oder Abteilung für den Kontakt mit der

hinweisgebenden Person

Ergreifung von Folgemaßnahmen, etwa einer internen Untersuchung

Erneute Rückmeldung an die hinweisgebende Person innerhalb von drei Monaten nach

Bestätigung des Meldeeingangs einschließlich Benennen möglicher ergriffener Maßnahme

 

Fristen, Vertraulichkeit, Unabhängigkeit

Das Hinweisgeberschutz-Gesetz sieht verschiedene wichtige, gesetzliche definierte Verfahrenserfordernisse vor, deren Einhaltung den Schritt an die Öffentlichkeit durch die Hinweisgebenden verhindern kann.

 

Fristen

Innerhalb von 7 Tagen nach Eingang eines Hinweises muss dieser Eingang den Hinweisgebenden bestätigt werden (§ 17 (1) Nr. 1 HinSchG). Innerhalb von 3 Monaten nach diesem Eingang erhält die hinweisgebende Person eine Meldung über geplante oder bereits ergriffene Folgemaßnahmen (§ 17 (2) HinSchG).

 

Vertraulichkeit

Soweit es sich nicht um vorsätzliche oder grob fahrlässig unrichtige Informationen handelt (§ 9 I HinSchG), genießen die Hinweisgebenden Vertraulichkeit. Diese Vertraulichkeit gilt nicht im Falle des Verlangens der Staatsanwaltschaft, einer richterlichen Anordnung oder für externe Meldestellen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (§ 9 II HinSchG) und dem Bundeskartellamt (§ 9 II Nr. 5 HinSchG).

 

Unabhängigkeit

Die bei einer internen Meldestelle arbeitenden Personen sind unabhängig (vgl. § 15 I 1 HinSchG), Interessenskonflikte sollen vermieden werden.

 

Offenlegung von Informationen

Auch bei existierenden internen oder externen Meldestellen kann es für Hinweisgebende auch gerechtfertigt sein, Informationen öffentlich zugänglich machen und damit im Sinne des (§ 3 (Absatz 5) HinSchG) offen zu legen (§ 32 I HinSchG).

 

Verschiedene Gründe zur Offenlegung

Sowohl formale als auch inhaltliche Gründe können eine Offenlegung rechtfertigen.

 

Die Fristsäumnis als Grund für die Offenlegung

Zulässig ist diese Offenlegung inbesondere dann, wenn die Frist zur Rückmeldung (7 Tage, § 17 I Nr. 1 HinSchG) oder zur Mitteilung von Folgemaßnahmen (3 Monate, § 17 II HinSchG) nicht eingehalten wurden (§ 32 I Nr. 2 HinSchG).

 

Die besondere Gefahr für öffentliche Interessen

Gerechtfertigt ist eine Offenlegung aber auch dann, wenn es „hinreichenden Grund zur Annahme“ gibt,  dass ein „Notfall, eine Gefahr irreversibler Schäden oder vergleichbarer Umstände eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung öffentlicher Interessen darstellt“ (§ 32 I Nr. 2 a HinSchG). Neben dieser imminenten Gefährdung öffentlicher Güter kann aber auch die Gefahr von Repressalien im Falle einer externen Meldung eine Offenlegung rechtfertigen (§ 32 I Nr. 2 b HinSchG). Aber auch die Gefahr, dass  „Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten, Absprachen zwischen der zuständigen externen Meldestelle und dem Urheber des Verstoßes bestehen könnten oder aufgrund sonstiger besonderer Umstände die Aussichten gering sind, dass die externe Meldestelle wirksame Folgemaßnahmen nach § 29 einleiten wird“ (§ 32 I Nr. 2 c HinSchG), rechtfertigt eine Offenlegung.

 

Das Verbot der Offenlegung unrichtiger Informationen

Wie bereits erwähnt ist das Offenlegen unrichtiger Informationen verboten (§ 32 (2) HinSchG), zudem zieht es Schadensersatzforderungen nach sich (§ 38 HinSchG).

 

Sanktionen bei fehlenden oder fehlerhafter Einrichtung von Meldestellen

Da ein Verstoß gegen ein Strafgesetz auch einen Hinweis rechtfertigt, möchte der Gesetzgeber sicher stellen, dass interne und externe Meldestellen eingerichtet werden.

Kommen beispielsweise Unternehmen diesen Verpflichtungen trotz einer Anzahl an Mitarbeitenden von 50 und mehr nicht nach (§ 12 (2) HinSchG, so drohen Bußgelder (§ 40 HinSchG).

 

Schadensersatzansprüche von Mitarbeitenden im Falle fehlender oder nicht effektiver arbeitender interner Meldestellen

Fraglich kann sein, inwiefern denn Mitarbeitende, Kunden und Kundinnen oder Lieferanten und Lieferantinnen aufgrund fehlender oder fehlerhafter Verfahren über das HinSchG hinausgehende Schadensersatzansprüche geltend machen können.

Schadensersatzpflichtig durch Unterlassen

Wie auch im Hinblick auf andere Verhaltenspflichten führen deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen. Kommt es also aufgrund eines fehlenden Meldesystems zu der mangelnden Ahndung einer ersten Straftat und zu weiteren Straftaten oder einer Fortsetzung von Straftaten – beispielsweise auch gegen die sexuelle Selbstbestimmung – so dürfte dieses Unterlassen kausal für den Schaden oder Schadensumfang sein (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280; Beschluss vom 18.02.2008 – II ZR 62/07, GmbHR 2008, 488).“)

 

Strafbarkeit wegen Unterlassen

Das Unterlassen eines effektiven und gesetzesgemäßen internen Meldesystems kann aber auch eine Strafbarkeit nach sich ziehen (vgl. BGHSt, Urteil vom 17.07.2009 (Az 5 StR 394/08 RZ 25 ff)).

Zwar wird sich die Frage des kausalen Zusammenhanges stellen sowie eines entsprechenden Vorsatzes.

Aber die grundsätzliche Handlungspflicht gemäß dem HinSchG zur Einführung eines Meldesystems begründet eine Einstandspflicht gemäß § 13 StGB, deren Verletzung zu einer strafrechtlichen Verantwortung führt.

 

Fazit – die Bedeutung des Hinweisgeberschutzgesetzes auch für die Krisenkommunikation

Das HinSchG ist ein dringend notwendiges Gesetz, dessen Umsetzung in den Compliance-Abteilungen der Unternehmen höchste Priorität eingeräumt werden muss.

Dabei kommt es nicht nur auf das „Ob“, sondern auch das „Wie“ der Einführung der Meldestelle und des Meldesystems an.

Wichtig ist auch, dass die negativen Konsequenzen einer fehlenden oder fehlerhaften Einführung nicht auf das HinSchG begrenzt sind. Schadensersatzansprüche oder gegebenenfalls sogar eine Strafbarkeit können nicht ausgeschlossen werden.

 

Bedeutung für die Krisenkommunikation – die Vermeidung einer Existenz gefährdenden öffentlichen Diskussion

Des Weiteren kann das HinSchG verhindern, dass eine für ein Unternehmen sehr wichtige Informationen über Produktmängel, persönliches Fehlverhalten oder gar kriminelle Machenschaften unbeachtet bleiben.

Der mögliche, die Existenz bedrohende Reputationsschaden für ein Unternehmen, über welches Informationen über schwerwiegende Gesetzesverstöße öffentlich bekannt und dann diskutiert werden sowie strafrechtliche Ermittlungen und Bestrafungen nach sich ziehen, kommen im Falle des Fehlens eines gesetzlich vorgeschriebenen Meldesystems für Hinweisgeber und Hinweisgeberinnen hinzu.

Wichtig ist das Hinweisgeberschutzgesetz aber auch für die Krisenkommunikation. Denn man kann die Lehren, die man unter Wahrung der Vertraulichkeit der Hinweisgebenden und der beteiligten Personen aus einem Vorfall zieht, auch in einem Betrieb verwenden und damit einer öffentlichen Diskussion damit vorbeugen.

No related posts found for the provided ACF field.

Zum Expertenprofil von: Jan Froehlich

Pressemitteilung teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp

Weitere Pressemitteilungen

Aktuelle Interviews