Mensch, mach Marke! So gelingt nachhaltiges Branding im hypervernetzten Zeitalter

Mensch, mach Marke! So gelingt nachhaltiges Branding im hypervernetzten Zeitalter

Wie gelingt es Marken, in einer schnelllebigen Welt zu überdauern? Was macht eine Marke im Kern überlebensfähig? Und wie hängen technologische Trends und nachhaltige Marken zusammen? Florian Severin, Gründer der Agentur WRKSPC, bringt in seinem Gastbeitrag Licht ins Branding-Dunkel.

Dienstagmorgen, elf Uhr, in einem nicht näher genannten Third-Wave-Coffee-Laden in Mitte. Paul, Gründer eines Process-Mining-Startups, redet sich in Rage, so sehr, dass ihm der Chai-Latte in der skandinavischen Edelkeramik erkaltet: Marke, Marke, Marke! Was für ein Unsinn, ehe man Unsummen in den Markenaufbau versenke, habe man doch längst zig Millionen Euro Umsatz allein durch Performance Marketing erzielt. Brand Marketing? Alte Welt, teuer und sowieso überhaupt nicht messbar. Ich schmunzle. Warum? Weil Paul, während er diese Sätze von sich gibt, den Pullover einer nicht ganz unbekannten Lovebrand trägt, die man gemeinhin mit Pferdesport verbindet, zusammen mit einem Paar Noppen-Loafer einer bekannten italienischen Lovebrand, dazu natürlich eine ikonische Status-Uhr mit Krone. Paul ist der Gegenbeweis seiner eigenen Behauptung. Lovebrands sind überall um uns herum. Wir können uns ihrem Magnetismus nicht entziehen, selbst wenn wir es wollen. Weil, nicht nur in einer turbobeschleunigten und hypervernetzten Welt der Instant Gratification, nichts so begehrlich ist wie eine Warteliste. Weil wir auf die guten, die richtigen Versprechen der Konsumwelt gerne auch mal länger warten. Warten wollen. Und auch immer warten werden. Das Rezept hinter dieser so einfachen wie wahren Geschichte? Es ist nicht Brand Marketing, wie Paul denkt, sondern Branding.

Branding drückt den Performance-Preis

Branding ist, richtig angewandt, der effektivste Weg, die eigenen Marketing-Kosten erheblich zu senken. Wie? Ganz einfach: Nehmen wir Pauls Beispiel vom Performance Marketing. Der Denkfehler in diesem Beispiel liegt darin, dass Paul die Dimensionen Marke und Produkt nicht im Blick hat. Ja, Performance Marketing ist gut, um ein Produkt zu verkaufen. Was aber, wenn alle Mitbewerber das exakt gleiche Budget in Performance Marketing für das exakt gleiche Produkt stecken? Richtig: Es passiert für alle dasselbe. Mit steigender Zahl der Mitbewerber passiert damit für alle weniger. Branding kann genau das verhindern.

Branding, das bedeutet ganz wörtlich “Doing Brand”, also Marke machen. Was aber ist das genau? Und wie geht das? Einfach gesagt, ist Branding ein Versprechen in Abwesenheit des Produkts. Und damit ist Branding eben genau kein Produktversprechen. Die Marke transzendiert das Produkt und schafft so Abstrahlwirkung bis in den Moment der Kaufentscheidung hinein. Damit löst Branding das Dilemma des Performance Marketings, denn: Wenn alle dasselbe in derselben Intensität bewerben, wird das Produkt siegen, dessen Absender wir schon mal irgendwo gehört haben. Genau das ist Branding: Nicht jedes Mal wieder für den Markteintritt bezahlen zu müssen.

Was ist eigentlich eine Lovebrand?

Wie aber wird aus “schon mal irgendwo gehört” ein planvolles Vorgehen? Wie wird aus einer Brand eine Lovebrand? Dazu müssen wir uns vergegenwärtigen, was Liebe im Kern eigentlich ist. Liebe, egal ob zwischen Mensch und Mensch oder zwischen Mensch und Marke, ist die einzige Emotion, die stark genug ist, Veränderung zu bewirken. Liebe macht, dass wir uns verändern wollen. Nicht um der Veränderung willen, sondern um zu einem besseren Selbst zu werden. Für den, von dem wir geliebt werden wollen. Und genau das können Marken tun, um relevant zu werden. Und relevant zu bleiben. Liebe ist die emotionale Seite von Umsatz.

Die Formel geht in etwa so: Liebe ist Motivation für Veränderung. Und Veränderung ist der Garant für Relevanz. Diese Relevanz ist aber wiederum nichts anderes als der Grund für bleibende Liebe. Wer relevant bleibt, bleibt geliebt. Damit ist klar: Wer im ‘Relevant Set’ bleiben will, muss sich permanent verändern. Ob als Mensch oder als Marke. Dass diese Veränderung nicht willkürlich sein darf, klang hier bereits an. Sie sollte dem besseren Selbst dienen, nicht blindlings irgendwelchen Trends hinterherlaufen. Im Sinne der Relevanz für das Umfeld darf eine gute Portion Zeitgeist aber nicht fehlen.

Digital Love – to trend or not to trend

In unserem hypervernetzten Zeitalter bedeutet Zeitgeist in aller Regel auch Digitalität. Sollte deshalb aber jede Marke um jeden Preis jedem TikTok-Trend hinterherlaufen? Auf gar keinen Fall. Stattdessen ist auch hier Unverwechselbarkeit das Gebot der Stunde. Eine gut geführte Marke kann – und soll – es sich leisten, auf manche Trends nicht einzugehen, auf manchen Kanälen nicht präsent zu sein. Nein zu sagen, ist das Privileg einer starken Marke, denn nur wer für nichts steht, muss zu allem Ja sagen. Der gesunde, weil erfolgreiche Weg, wird in der Praxis in der Mitte liegen: Es wird für jede Marke immer Trends geben, die perfekt in die eigene Agenda passen. Und die müssen dann bis zur letzten Konsequenz gespielt werden.

Keine Frage: Wer in den Köpfen der Verbraucher stattfinden will, muss möglichst viele Touchpoints besetzen. Aufgabe der Markenführung ist es dabei, in all diesen Touchpoints zwischen Strohhalm und Sprungbrett zu unterscheiden und aus den Sprungbrettern echte Zehner-Türme zu bauen, statt sich in Strohfeuern zu verzetteln. Eine klar gezeichnete Marke ist dabei das beste Hilfsmittel, besser als jedes Trendbarometer. Das ersetzen inzwischen ohnehin die eigenen Kinder, die mit unseren Smartphones wesentlich sicherer umzugehen wissen, als wir selbst.

Mehr Marke, mehr Markt

Fassen wir also zusammen: Performance Marketing ist toll. Aber wenn wir nicht jeden Performance-Euro bei jedem Kundenkontakt wieder und wieder ausgeben wollen, brauchen wir mutiges, konsequentes und schlagkräftiges Branding. Nur wer seine Marke macht, kann dauerhaft Eindruck hinterlassen. Und nur wer die eigene Marke immer wieder dem prüfenden Blick des Zeitgeistes unterwirft, wird auf Dauer relevant und damit beliebt bleiben. Change in order to stay the same, sozusagen.

Denn wofür tun wir das alles am Ende? Für den Menschen. Egal wie viel KI sich in unseren Marketing Funnels versteckt, am Ende verkaufen wir ein I ganz ohne K. Und schon vom Schulhof wissen wir: Beliebtheit hat wenig mit Sachargumenten zu tun, dafür aber viel mit Relevanz. Und damit wiederum mit Zeitgeist. Verändern wir uns und unsere Marken, bleiben wir relevant. Tun wir das nicht, müssen wir genauso sinnlos Werbegeld verbraten, wie alle anderen auch. Wie Paul.

Der Autor

Florian Severin ist Executive Creative Director und geschäftsführender Gesellschafter der Agentur WRKSPC, die er nach Stationen in Verlagen (Gruner+Jahr, Burda), Agenturen (Territory, b.famous content studios) und Start-ups (Finn) 2022 gegründet hat. WRKSPC versteht sich als Ideenlieferant für unternehmerischen Erfolg und fokussiert sich auf Positionierung, Auf- und Umbau von Marken durch Identitäten, Kampagnen und Communities.

Quelle Bilder: WRKSPC/Kim Wanschka

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