Dr. med. Nadine Fröhlich: Depressionen sind gut behandelbar

Interview mit Dr. med. Nadine Fröhlich
Dr. med. Nadine Fröhlich ist Oberärztin im Sächsischen Krankenhaus Altscherbitz. Mit ihr sprechen wir über Hauptsymptome einer depressiven Störung, körperliche Auffälligkeiten sowie Behandlungsmöglichkeiten.

Die Depression ist eine weit verbreitete psychische Krankheit. Als Hauptsymptom wird immer die Melancholie genannt, doch in den meisten Fällen treten bei Betroffenen noch zahlreiche anderen Symptome auf. Was sind die wichtigsten Symptome, die auf eine Depression hinweisen?

Dr. med. Nadine Fröhlich: Hauptsymptom einer depressiven Störung ist die anhaltende Freud- und Interessenlosigkeit, die viele Patient*innen beklagen. Hinzu kommt, damit verbunden, sozialer Rückzug und selbstauferlegte Isolation aufgrund häufig nachweisbarer Schuldgefühle und Selbstzweifel. Weiterhin sind eine erhöhte Reizbarkeit, Ärger und Ängste bei den Betroffenen mit einer Depression nachweisbar. Dies macht sich vor allem in Familien bemerkbar. Streitigkeiten und impulsive Verhaltensweisen der Betroffenen können schnell zu Konflikten führen. Im beruflichen Kontext fallen Konzentrationsstörungen und kognitive Störungen besonders auf. Viele Betroffene beklagen anhaltende Schlafstörungen, die von Einschlafstörungen über Durchschlafstörungen reichen können. In manchen Fällen sind auch körperliche Symptome (Übelkeit, Bauchschmerzen, verschiedene Schmerzen, Missempfindungen, Appetitlosigkeit) Anzeichen einer depressiven Erkrankung.

Bei Betroffenen ist die Depression häufig nicht immer allgegenwärtig. Warum tritt die Krankheit oft in Episoden auf?

Dr. med. Nadine Fröhlich: Erlebt eine Person zum ersten Mal in ihrem Leben eine Depression, sprechen wir von einer depressiven Episode. Je nach Anzahl der Beschwerden wird diese als leicht, mittelgradig oder schwer bezeichnet. Die Dauer kann dabei mehrere Wochen, aber auch Monate betragen. Durch eine Behandlung kann Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung genommen werden. Während Phasen einer Depression unbehandelt durchschnittlich sechs bis zwölf Monate andauern, verkürzt eine Behandlung die Dauer im Schnitt um drei Monate. Auch die Intensität der Beschwerden kann so abgeschwächt werden. Etwa die Hälfte der Betroffenen erlebt im Laufe ihres Lebens mindestens eine weitere Phase einer Depression. Diese Verlaufsform nennt sich rezidivierende, also wiederkehrende, Depression. Der Zeitraum zwischen den einzelnen Episoden kann Monate, Jahre, aber auch Jahrzehnte betragen. Etwa jede zehnte Depression nimmt einen chronischen Verlauf. Wenn die Beschwerden über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren andauern, sprechen wir von einer chronischen Depression.

Psychische Krankheiten sind mit dem Stigma behaftet, dass man diese nicht loswerden kann. Wie wird eine Depression diagnostiziert und behandelt? Ist die Krankheit wirklich unheilbar?

Dr. med. Nadine Fröhlich: Depressionen sind gut behandelbar. Dabei setzt sich die Behandlung je nach Ausprägung und Schweregrad der Erkrankung aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Ein wichtiger Baustein am Anfang die richtige Diagnose zu stellen. Dies sollte durch einen Facharzt für Psychiatrie erfolgen. In der Folge wird mit dem Betroffenen ein individualisierter Behandlungsplan je nach Ausprägung der Erkrankung erarbeitet. Wichtige Säulen der Behandlung sind die psychotherapeutische Behandlung der Erkrankungen im Rahmen einer Richtlinienpsychotherapie oder auch Familientherapie. Dabei kann eine Behandlung Einzeln oder in der Gruppe stattfinden und richtet sich ebenfalls nach dem Schweregrad der Erkrankung. Weiterhin stehen uns heute moderne Medikamente zur Verfügung (Antidepressiva), die in den Hirnstoffwechsel eingreifen, neurobiologische Transmittersysteme günstig beeinflussen und somit eine Ursache der Depression wirkungsvoll behandeln können. Dabei richtet sich die Dauer der medikamentösen Behandlung ebenfalls nach der Ausprägung der Depression und dem klinischen Verlauf (rezidivierend depressive Episoden, erste Episode etc.)

Laut einer Studie werden 20% aller Frauen mindestens einmal an einer depressiven Episode leiden. Warum erkranken weltweit mehr Frauen an Depressionen als Männer?

Dr. med. Nadine Fröhlich: Ja. Frauen erkranken statistisch im Laufe ihres Lebens ungefähr zwei bis dreimal so häufig an einer Depression wie Männer, was womöglich mit der hormonellen Situation bzw. Ausstattung von Frauen zusammenhängt. Allein 10-15 Prozent aller Frauen erleben nach der Geburt eines Kindes eine depressive Episode. Genauso häufig ist eine depressive Erkrankung in den Wechseljahren zu verzeichnen, womit schon der Unterschied zum männlichen Geschlecht erklärbar wäre.

Die Entstehung der Krankheit ist immer noch wenig erforscht. Oftmals wird die Arbeit genannt, die zu einer Depression führt. Doch wie kommt es zu einer depressiven Phase und welche Auswirkung hat die Arbeit auf die Entstehung einer Depression?

Dr. med. Nadine Fröhlich: Die auslösenden Faktoren bzw. Ursachen von depressiven Erkrankungen sind sehr vielfältig und meistens nicht nur auf einen Faktor zu reduzieren, sondern ein Zusammenspiel vieler Komponenten. Neben schon erwähnten geschlechtsspezifischen Empfindlichkeiten und Unterschieden, spielen genetische Faktoren sowie eine erhöhte Empfindlichkeit des Gehirns (Vulnerabilität) bei anhaltendem externem Stress, sowohl beruflicher als auch interpersoneller Art oder körperliche Erkrankungen (Schlaganfall) eine besondere Rolle. Da sich in der Erkrankung selbst die Sorgen an den jeweilig vorhandenen Lebensproblemen festmachen, werden Frauen im Vergleich zu Männern vielleicht im Schnitt etwas häufiger familiäre oder gesundheitliche Probleme als Ursache ihrer Depression vermuten. Männer dagegen geben eher berufliche Probleme als Grund ihrer Depression an.

Vor allem für Arbeitgeber sind träge und unmotivierte Mitarbeiter hinderlich. Wie können diese mit einer Depressionsdiagnose eines Mitarbeiters im eigenen Unternehmen umgehen?

Dr. med. Nadine Fröhlich: Wichtigster und entscheidender Faktor ist natürlich die Primärprophylaxe psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz, was bedeutet stressfreie Arbeitsbedingungen mit wertschätzendem Mitarbeiterumgang anzubieten. Als weiterer Faktor gilt auch für den Arbeitgeber sich mit der Diagnose Depression auseinanderzusetzen, um zu verstehen was dies für die Betroffenen im Einzelfall bedeuten kann. Im weiteren sind offener und empathischer Umgang mit den erkrankten Mitarbeiter*innen besonders wichtig (Ansprechen, Verweis auf das Aufsuchen eines Psychiaters oder Hausarztes), um gemeinsam an einer weiteren beruflichen Perspektive zu arbeiten, da bei den Betroffenen zumeist ein geregelter Arbeitsalltag zu den Dingen gehört, die den Gesundungsprozess vorantreiben können.

Frau Dr. Fröhlich, vielen Dank für das Gespräch!

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